Interview mit Peter Gaymann :: Comic Radio Show :: Comics erfrischend subjektiv, seit 1992!
15.06.2025, 17:05 Uhr
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geschrieben von Maqz am
Sonntag, 25. Mai 2025
(372 Aufrufe)
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„50 Jahre Federführung“ – Peter Gaymann über Humor, Hühner und Haltung
Wie man ein halbes Jahrhundert lang mit Witz die Welt beobachtet.
Lieber Peter Gaymann, ich bin mir sicher IRGENDWO habe (oder hatte) ich ihre Bücher („Gaymann's Hühner“ und „Ich will dich glücklich machen“) in den Regalen stehen. Jetzt hab ich Ihr Jubiläums-Band (zum 75ten Geburtstag / 50 Jahre Cartoonarbeit) im Regal stehen und staune über die vielen Jahre die dazwischen liegen.
Immer schon haben mich (auch) ihre Cartoons durchs Leben begleitet. Zumeist waren es in der Brigitte nur ihre Cartoons die mich an dem Magazin interessierten. Irgendwie waren Sie immer irgendwo zu sehen und (wirklich nur manchmal) nur durch die Signatur „P. GAY“ von F.K.Wächter zu unterscheiden. ;-)
Hier einige Frage, die ich schon immer fragen wollte und mich (vor lauter Ehrfurcht) nie getraut habe zu fragen.
ComicRadioShow: Herr Gaymann, da dachte ich sie feiern gemütlich ihren 75ten Geburtstag und 50 Jahre Cartoon zeichnen und dann erfahre ich...
„Anlässlich des 75. Geburtstags von Peter Gaymann am 26.6.2025 findet eine große Jubiläumsausstellung im neu eröffneten NKT-Neues Kunstmuseum Tübingen statt. Und zwar vom 27. Juni bis 3. August 2025;
- Im Herbst wird erneut eine Ausstellung im Europa Park Rust eröffnet.
- Außerdem wurden und werden im Laufe des Jahres 2025 vier neue Bücher veröffentlicht:
Eine kleine Hühner-RätselEi, Ulmer Verlag
Gaymanns Welt (Großer Jubiläumsband), Belser Verlag
Von den schönen Dingen des Lebens, Reclam Verlag
Nu Jork, Nu Jork (Roman mit Illustrationen von Peter Gaymann), Carlsen Verlag
Das klingt ja eher wie wenn Sie mit 75 jetzt erst einmal als Cartoonist so richtig loslegen wollen. Oder ist das ihr übliches Jahrespensum?
Peter Gaymann: Ja, in diesem Jahr ist sehr viel geboten. Ich freue mich, dass immer noch so reges Interesse an meiner Arbeit besteht. Wenn so ein Jubiläumsjahr ansteht, geben natürlich auch die Verlage und Ausstellungsmacher nochmal Vollgas. Und ich mache mit, soweit es möglich ist. Mehr Kraft und mehr Ideen als früher habe ich auch nicht. Aber zum Glück macht es mir immer noch Spass, zu zeichnen und meine Arbeit zu zeigen. So eine große Museumsausstellung wie ich sie gerade wieder einmal plane, kostet aber schon enorm Zeit und Kraft. Das möchte ich nicht jedes Jahr machen.
CRS: Ich war so beeindruckt von Ihrem Ausführungen (Jubiläumsband S. 206), wie sie über die Jahrzehnte ihre Themen setzten. („Vor 50 Jahren zeichnete ich studentische Beziehungskisten. Vor 40 Jahren Hühner in der Toskana-Fraktion, danach Paare in der Midlife-Crisis und anschließend Hühner im Yogastudio und in der Beautyfarm. Seit zehn Jahren gehen meine Figuren mit dem Rollator spazieren, haben Angst vor Demenz oder Gebrechlichkeit und Tod.“) Kann man im nächsten Jahrzehnt metaphysische oder gar phantastischen Themen von ihnen erwarten?
Peter Gaymann: Nein. Ich werde sicher nicht ab sofort bis an mein Lebensende Cartoons über Gesundheit und Sterben zeichnen. Es werden wieder andere Themen aufploppen. Welche weiß ich noch nicht.
Aber wenn man sich selbst und seine nähere Umgebung beobachtet, wird man mit zunehmendem Alter schon öfters mit solchen Ängsten und Themen konfrontiert. Man denkt schlicht gesagt öfter ans Sterben als mit 20 oder 30. Is normal.
CRS: Wie hat sich ihrer Meinung nach die Cartoon-Szene (wie ist hier ihr Kontakt?) in den letzten 50 Jahren verändert? Hätten Sie sich gewünscht sie wäre anders, als sie heute ist?
Peter Gaymann: Ich habe das Gefühl, es sind mehr Zeichner und Zeichnerinnen am Start als früher. Besonders Zeichnerinnen, was ich super finde. Aber ich sehe auch, wie schwer es geworden ist, dass diese Kollegen ihre Bilder verkaufen können. Viele Zeitschriften verzichten mittlerweile auf die Cartoonseite Und auch der Buchmarkt ist schwächer geworden. Es wird schlechter bezahlt und weniger veröffentlicht. Das trifft die jungen Leute härter als mich in den Anfängen. Ich stehe immer mit Kollegen und Kolleginnen im Kontakt. Ich finde es wichtig, dass man sich gegenseitig vernetzt und austauscht.
Ich habe ja immer die altem Meister wie Ungerer, Sempè, Waechter, Hans Traxler und Sowa
geschätzt. Der momentane Trend zur sogenannten Bierdeckelkritzelei bei jüngeren Kollegen
interessiert mich nicht sonderlich.
CRS: Wie sehen alte Cartoonisten-Hasen wie sie auf junge Zeichner-Hüpfer? Gibt es hier manchmal gute Ratschläge und wenn ja welche?
Peter Gaymann: Wenn mich jemand um Rat fragt, gebe ich gerne welchen. Was mir etwas weh tut ist die Tatsache, dass viele junge Zeichner/innen nur noch am Tablet zeichnen und kolorieren. Da geht meines Erachtens viel verloren. Und es gibt dann auch keine Originale mehr. Und ohne Originale keine Originalverkäufe und viel weniger Ausstellungen. Wenn ich ins Museum oder in die Galerie gehe, will ich keine Ausdrucke sehen sondern das Papier auf dem gearbeitet wurde und die Verläufe der Aquarellfarben. Also ich bin gerne Oldscool was dieses Thema anbelangt.
CRS: Was man in 50 Jahren Zeichnerarbeit vielleicht immer vor sich her geschoben hat, könnten doch zum Jubiläum endlich verwirklicht werden. Was ist aktuell Ihr Herzensprojekt, welches nun endlich verwirklicht werden wird (oder soll)?
Peter Gaymann: Ein Herzensprojekt wurde schon zu meinem 65. Geburtsag verwirklicht. GAYMANNS REISESKIZZEN. Ich zeichne ja auf allen Reisen und da haben sich wie ich finde eine Menge schöner Reiseskizzen angesammelt. Die wurden in einem richtig großen Band veröffentlich.
Dieses Jahr, pünktlich zur Eröffnung der Tübinger Ausstellung erscheint zum ersten mal ein von mir illustrierter Roman. („Nu Jork, Nu Jork „ von Alexandra Lüthen. (Lappan Verlag))
Ein wirklich schöner Text, zu dem ich sehr gerne Bilder entwickelt habe. Das ganz große, ewig vor mir hergeschobene Herzensprojekt gibt es bei mir nicht.
CRS: Was würden sie zurückblickend als ihren Lieblings-Cartoon bezeichnen. Und welchen haben sie schon immer bei dem einen oder der anderen KollegIn bewundert?
Peter Gaymann: Lieblingscartoons wechseln von Zeit zu Zeit. Manchmal finde ich unter den 20 000 Arbeiten in den Schubladen Bilder, die mich plötzlich wieder selbst begeistern und die ich gar nicht mehr auf dem Schirm hatte. Aktuell gefällt mir ein Motiv gut, das beim Psychologen in der Praxis spielt. Ein Ehepaar sitzt ihm gegenüber: Der Psychologe: „ Was treibt sie in meine Praxis“ Der Ehemann (weißer Bart und weisses Gewand) antwortet: „Ich bin der liebe Gott, aber meine Frau hat Zweifel.
Ein Lieblings Cartoon von F.K.Waechter: Der König der Eichhörnchen wechselt den Baum.
Liebelingszeichnung von Sempè: fast alles was er gezeichnet hat.
CRS: Gibt es für sie nicht etwas wichtigeres, als die vorherige Frage zu beantworten? :-)
Peter Gaymann: Es gibt immer etwas wichtigeres als das was man gerade tut. Aber jetzt ist das Beantworten Ihrer Fragen Top-wichtig.
CRS: Nun ist 75 heutzutage vielleicht das neue 65, jedoch fordert das Alter irgendwann auch bei ihnen seinen Tribut!? Haben sie Pläne zum Beispiel technische Hilfsmittel oder gar Künstliche Intelligenz zur Cartoon-Erzeugung zu nutzen? Und wie stehen sie bis dahin zu KI/AI-Kunst?
Peter Gaymann: Noch funktioniert mein Gehirn und meine Hand zittert nicht. Man kann mit 75 aber nicht mehr so lange konzentriert arbeiten, wie vor 10 Jahren. Wenn man es trotzdem schafft, 4 Bücher und mehrere Ausstellungen pro Jahr zustande zu bringen, kann mich die KI mal kreuzweise. Und wenn mich die KI irgenwann ganz überflüssig macht, werde ich stocksauer. Da werden sie mich mal von einer anderen Seite kennenlernen.
CRS: Lassen sie uns kurz über Geld reden (wenn sie möchten). Wie haben sie die Bezahlung ihrer Werke über die Jahre empfunden? War ihr Leben als Cartoonist immer fair bezahlt? Und wie viele Villen in der Toscana haben ihnen ihre Hühner eingebracht?
Peter Gaymann: Ich habe allein oder zusammen mit einem Agenten immer dafür gekämpft, fair bezahlt zu werden.
Man darf halt nicht jeden Vertrag blind unterschreiben und hinterher jammern. Was die Publikationen in Zeitungen und Zeitschriften anbelangt, ist es mittlerweile schwerer geworden, ein angemessenes Honorar zu erhalten. Dagegen sind die Preise für meine Originale, Radierungen und Drucke in den letzten Jahren gestiegen. Das nennt man Marktwert. Für eine Villa in der Toscana hat es nicht gereicht, aber immerhin habe ich 5 Jahre mit meiner Familie in Rom wohnen können, ohne dass ein Sponsor oder ein Stipenium zur Verfügung stand. Und jetzt lebe ich mit meiner Frau in einem schönen alten Haus in der Nähe des Starnberger Sees in einem kleinen Dorf. Wenn man mal von den ersten 7 Jahren meiner Laufbahn absieht, habe ich bis jetzt immer von meinem Zeichnen leben können. Das kann nicht jede/r von sich behaupten. Das macht mich glücklich.
CRS: Denken Sie dieses Jubiläums-Jahr über Ihr Vermächtnis nach („Peter Gaymann: Beobachter des Alltags und kultureller Strömungen mit einer Prise Witz und Nachdenklichkeit.“)?
Können (oder wollen) sie hier noch etwas rumreißen?
Peter Gaymann: Ich mache nie große Pläne. Et kütt wie et kütt, sagt der Kölner. Ich werde weiter versuchen, komische Zeichnungen zu machen zu welchen Themen auch immer. Die großen Krisen und politischen Umbrüche schreien wahrscheinlich in Zukunft nach noch mehr Humor, um sie zu überleben. Ich und die Kollegen und Kolleginnen werden also nach wie vor gebraucht.
EINEN Plan habe ich allerdings. Ich bin gerade dabei, zusammen mit meiner Frau Viktoria eine Stiftung zu gründen, die es sich zur Aufgabe machen soll, meine Arbeit und die Arbeit anderer Humoristen zu unterstützen und zu verbreiten. Ich engagiere mich auch für ein Haus des Humors am Starnberger See.
CRS: Hätten Sie sich zu Beginn ihrer Karriere vorstellen können einmal Interviews für die Apotheken-Umschau oder dem Senioren Magazin Hamburg zum Thema „Demenz“ zu geben? Und wenn nein, warum nicht?
Peter Gaymann: Ist ja klar: Mit 20 oder 30 denkt man noch nicht an die Rente, Demenz oder Tod. Da hat man besseres zu tun. Aber wie sagte schon der große Sempè: Man muss als Zeichner zusammen mit seinen Figuren älter werden, dann hat man immer genug Stoff für neue Arbeiten.
CRS: Gab es eigentlich je eine Anfrage an Sie tagespolitisch aktuelle Cartoons zu zeichnen? Würde sie das (noch) reizen? ...
Peter Gaymann:Als tagespoltischer Zeichner musst du topaktuell sein. Und möglicherweise ist deine Zeichnung schon 3 Tage später veraltet. Ich arbeite lieber in Serien zu bestimmten gesellschaftlichen Strömungen. Da kann es auch passieren, dass manche Bilder schnell altern, aber es gibt auch sehr viele Zeichnungen von mir, die noch nach Jahrzehnten aktuell sind und gedruckt werden. Ich habe trotzdem immer wieder auch etwas zur Tagespolitik gezeichnet, habe aber dann in der Regel keinen Abnehmer, der es veröffentlicht. Also bleibe ich bei meinen Leisten.
CRS: ...Oder haben sie schon Pläne etwas ganz anderes (und neues) zu machen? Uli Stein zum Beispiel brachte in seinem Spätwerk Hunde-Portraits-Foto-Kalender heraus.
Peter Gaymann: Bevor ich Hundeportraits zu Kalendern verarbeite muss ich erst 110 werden.
Da arbeite ich lieber ganztägig in unserem Garten.
CRS: Was es auch immer sein wird, ich bin sehr gespannt drauf. Und sie?
Peter Gaymann: Klar. Ich bin auch gespannt, was noch auf mich/uns zukommt. Wir sprechen uns wieder zum 80ten. Wenn mein Output zu peinlich wird, sagen sie mir rechtzeitig Bescheid. Huhnglaubliche Grüße von Peter Gaymann
CRS: Vielen Dank für ihre Antworten und hoffentlich auf weitere 50 Jahre Cartoons von „P. Gay“! :-))
(c)opyright der Abbildungen, mit freundlicher Genehmigung: Peter Gaymann 2025, belser Verlag 2025
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