Matinee Manfred Schmidt zur Knatterton Ausstellung in Hannover :: Comic Radio Show :: Comics erfrischend subjektiv, seit 1992!
10.10.2024, 03:02 Uhr
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geschrieben von StefanS am
Donnerstag, 14. Februar 2013
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Knatterton rückt Grüffelo mit Live-Musik und Akademiker auf den Pelz
Forschen Schrittes durchschreitet der Reporter das großzügige, von zahlreichen Bäumen umrahmte, Anwesen. Er betritt das ehrwürdige Herrenhaus. Drinnen findet eine Gala-Veranstaltung mit Live-Musik statt. Anlass ist die Ehrung eines sehr wichtigen Mannes. Ein Professor hält einen Vortrag. Es geht um Schätze, Reisen und Abenteuer.
Nun hieß der Professor nicht Bienlein oder Dr. Jones, sondern Dr. Grünewald. Und der Reporter / Detektiv hieß weder Tim noch Nick. Ansonsten waren die Parallelen zu Comic-Klassikern nicht zu leugnen. So sieht doch das Museum in den Herrenhäuser Gärten kaum anders aus als eine Szene aus einem Hergé-Album. Am 10.2.2013 fand also eine Matinee zu Ehren von Manfred Schmidts 100. Geburtstag statt.
In der erste Etage konnte im Anschluss die Ausstellung für Manfred Schmidt (1913-1999) besucht werden. Die Grüffelo-Ausstellung im Erdgeschoß musste für die Matinee kurzfristig als Kulisse für Nick Knatterton und seinen Schöpfer weichen.
Zeitloser Humor
So wie auch die Nick-Knatterton-Fortsetzungsgeschichten aus der Zeitschrift Quick vor allem für Erwachsene mit dem nötigen Hintergrundwissen am ergiebigsten waren, so gab es auch bei dem Vortrag von Professor Dr. Dietrich Grünewald einige feine Seitenhiebe auf aktuelle, politische Ereignisse. Bei der Vorstellung von Manfred Schmidts Kinderbuch "Die Wundergans", über eine Gans die sich gerne mit fremden Federn schmückte, merkte der Vorsitzende der Gesellschaft für Comicforschung an, dass so etwas ja durchaus auch heute noch vorkomme. Einen Tag zuvor war Bildungsministerin Schavan zurückgetreten, weil ihr der Doktor-Titel entzogen worden war. Für eine weitere Anspielung wurde Schmidts Reisereportage aus Griechenland herangezogen. Die zugehörige Zeichnung zeigte Touristen vor einer Tempel-Ruine, bei der sich die Besucher den kompletten Tempel in ihrer Phantasie ausmalen mussten. "Die Griechen zeigen uns etwas, das gar nicht da ist." kommentierte Grünewald mit einem verschmitzten Lächeln. Das ist genau dieser trockene, möglicherweise norddeutsche, Humor, der so typisch war für Manfred Schmidt. Understatement, Ironie, feiner Spott.
Das Jonas-Pirzer-Quartett untermalte die Veranstaltung mit Cool-Jazz Musik von Miles Davis u. a.
Gehaltvoller Vortrag
Vor und in der kurzen Pause zwischen dem einstündigen Vortrag von Grünewald spielte, passend zu einem Comic der 1950er und 1960er Jahre, das Jonas-Pirzer-Quartett, Cool-Jazz von Miles Davis und anderen. Eines der Stücke war die Titelmelodie zur Heinz Erhardt- Komödie "Ohne Krimi geht die Mimi nie ins Bett" (1962). Angekündigt wurde dieses Stück nicht namentlich, ebenso beiläufig wurde die Knatterton-Titelmelodie gespielt. Etwas Vorwissen wurde also durchaus vorausgesetzt. Auch für Zuschauer, die bereits die Ausstellung besucht und Eckard Sackmanns Buch "Oh, Nick Knatterton" (2013) gelesen hatten, bot der Vortrag spannende Informationen und Bilder. In seinem Vortrag lobte Prof. Grünewald mehrfach Sackmanns Beiträge zur Knatterton-Forschung. Beide sind Kollegen. Tatsächlich waren bei den gut zwanzig Bildern, die Grünewald bei seinem Vortrag mit dem Titel "Humorist wider Willen?" zeigte fast ausnahmslos Fotos zu sehen, die sich weder im neuen Knatterton-Buch von comicplus+ noch in der Ausstellung finden.
Prof. Dr. Dietrich Grünewald zeigte rare Fotos und hielt einen spannenden Vortrag
Das Leben mit Humor meistern
Ein zentraler Punkt des Vortrages von Grünewald war die Einordnung von Schmidts Werk in die Zeit, in der es entstand. Knatterton war nicht erst 1950 aus dem Nichts augetaucht, wie es später behauptet wurde. Ein Vorläufer war bereits 1935 zu sehen, die Ausstellung zeigt die Entwicklung von Schmidts Zeichnungen von seiner Jugend an. Comics kamen nicht erst nach dem Zweiten Weltkrieg nach Deutschland, sondern bereits in den 1920er Jahren gab es Bildromane. Besonders in Berlin sei die Konkurrenz an Talenten sehr groß gewesen und Schmidts Pläne im Medium Film eine große Karriere zu starten verlief ernüchternd - aber, und das ist das zweite große Thema von Grünewalds Vortrag, mit Humor ließ sich alles besser ertragen. Sowohl die wenig spektakuläre Realität bei der Arbeit an Filmen noch die Segelohren, unter denen der junge Schmidt offenbar litt, wurden als Themen ausgespart. Schmidt verarbeitete solche Erlebnisse in humorvollen Zeichnungen. Und er war clever. Dem Dienst an der Waffe entging Schmidt offenbar, in dem er seiner Berufsbezeichnung Zeichner einfach das Wort Karten- voranstellte. Wer würde schon einen wertvollen Kartenzeichner opfern? Grünewald meint, dass ihm dieser Kniff den Marschbefehl nach Stalingrad erspart hatte. "Dann hätte es den Nick Knatterton mit Sicherheit nicht gegeben", meinte der Professor. Nach dem Krieg nutze Schmidt Nick Knatterton auch dazu um Autoritäten zu hinterfragen und sich für den Pazifismus stark zu machen. Als Beispiel für einen Weggefährten, dessen Ruf im Dritten Reich schwer gelitten hatte, nannte Grünewald den Zeichner Ferdinand Barlog (1895-1955).
Ja tatsächlich: Manfred Schmidt mal ohne Pfeife
Wo fängt Schmidt an, wo hört Knatterton auf?
Manfred Schmidt hatte offenbar Flugangst! Etwas hinderlich, da er leidenschaftlich gerne reiste. Wohin es also ging, es musste immer ohne Flugzeug erreichbar sein und da war dann doch sehr vieles möglich, wie seine, auch aktuell wieder als Buch erhältlichen, Reisereportagen bezeugen - möglicherweise waren das die Werke, mit denen Schmidt am glücklichsten war. Abenteuer, Reisen, Reisereportagen? Um wen ging es noch gleich, um Nick Knatterton oder um Manfred Schmidt? Überschneidungen von Leben und Werk sind nicht zu leugnen und so sorgte auch ein Versprecher in der Laudatio von Museumsdirektorin Dr. Gisela Vetter-Liebenow für wohlmeinende Lacher des Publikums, als in einem Satz Knatterton und Schmidt verwechselt wurden. Was war Dichtung und was war wortwörtlich zu nehmen in der Vita des gebürtigen Bad Harzburgers? Hatte Manfred Schmidt eine geheime Zuneigung für Comics oder waren sie nur Mittel zum Zweck, um schreiben, zeichnen und später auf Spesen reisen zu können? Denkt sich jemand zehn Jahre lang Comics aus, die noch dazu voller Witz, Ideen und Charme strotzen, wenn er sich eigentlich nur darüber lustig machen möchte? Immerhin brachte Knatterton seinem Schöpfer Fernsehauftritte und ein Leben in Wohlstand. Er war mit Loriot befreundet. Sein Knatterton war so populär, dass er als Werbefigur herhalten musste. Die Zeitschrift Quick, in der die Abenteuer des deutschen Sherlock Holmes erschienen, brachte es sogar auf eine Millionenauflage.
Auch kritische Themen wurden angesprochen, ein Artikel aus dem Zweiten Weltkrieg
Ein Comic auf Weltniveau
Ob Manfred Schmidts Wimmelbilder, also die teils mit hunderten Figuren versehenen Suchbilder, wirklich bewusst auf die Kunstgeschichte des 16. Jahrhunderts zurückgriffen und ob die Bezüge zu aktueller Kunsterziehung nicht doch etwas weit hergeholt sind - über diese Teile von Grünewalds Rede könnte man vielleicht streiten. Der bis auf den letzten Sitzplatz gefüllte Saal im Museum lauschte jedenfalls sehr aufmerksam. Vergleiche mit Tim und Struppi und den Peanuts wurden herangezogen, um zu demonstrieren, wie sehr sich die Zeichner durch ständige Übung immer weiter verbesserten und wie mitunter Zeichnungen für Neuauflagen modernisiert wurden. Nick Knatterton sei nicht nur für die deutschen Comics von äußerster Wichtigkeit, dieser Comic sei auch international von Bedeutung. Hierzu hätte sich eine Erklärung gut gemacht warum Nick Knatterton in Frankreich nie so richtig erfolgreich war, immerhin in dem Land, das Schmidt so gerne mochte, in dem er es sich gut gehen ließ und in dem er in der Nachkriegszeit eine Zweitwohnung hatte.
von links: Loriot, Mordillo, Manfred Schmidt
Ich hätte da noch eine Frage
Eine Fragerunde nach dem Vortrag war nicht vorgesehen. Sind aber bereits alle Fragen zum Thema Manfred Schmidt beantwortet? War er denn nun ein Humorist wider Willen? Fest steht, dass Nick Knatterton zu zeichnen viel und disziplinierte Arbeit bedeutet hat. Was im Ergebnis so mühelos und leicht erscheint entsteht deshalb längst nicht mühelos und leicht. Im Interview auf Comicgate konnte ich Manfred Schmidts Tochter Anette Riedhammer einige Fragen dazu stellen.
Harry, hol schon mal den Wagen!
Wie sagte es der Film-Archäologe Dr. Jones immer so schön, wenn es um ein bedeutendes Stück Kunst ging, das ein finsterer Schuft für sich allein besitzen wollte? Das gehört in ein Museum! Und vielleicht findet Nick Knatterton ja im Museum neue Leser, die seine Abenteuer weiterverfolgen möchten. Der Schatz von Manfred Schmidt kann noch bis zum 21. April 2013 im Wilhelm Busch Deutsches Museum für Karikatur & Zeichenkunst unter die Lupe genommen werden. Und auch für alle, die Knatterton noch aus der Quick, aus den Sammelbänden oder den Zeichentrickfilmen kennen lohnt sich ein Ausflug ins Museum nach Hannover.
(c) Fotos: Stefan Svik
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Matinee Manfred Schmidt zur Knatterton Ausstellung in Hannover | Benutzeranmeldung | 1 Kommentar |
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Re: Matinee Manfred Schmidt zur Knatterton Ausstellung in Hannover
(Wertung: 1)
von eck@rt am 21.02.2013, 13:22 Uhr
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Die "raren Fotos", soweit sie hier zu sehen sind, stammen alle aus meinem Buch "Kombiniere". Ich bin nicht gefragt worden, ob ich diese Bilder für einen öffentlichen Vortrag freigebe.
Eckart Sackmann
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