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geschrieben von jochen am
Donnerstag, 09. Juli 2009
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Ist das nicht Burma ?
Guy Delisle kommt ein wenig in der Welt herum. Nach beruflichen Stationen in Shenzhen und Pjöngjang folgt er diesmal seiner Frau nach Birma und nimmt dort sozusagen seine Elternzeit. Seine alltäglichen Erlebnisse in diesem bei uns eher durch schlechte Nachrichten bekannten Land hat er in "Aufzeichungen aus Birma" in seinem typischen schlichten Strich zu Papier gebracht. Dies ist zeitweise banal, phasenweise äußerst interessant und stellenweise sehr bedrückend.
Insgesamt hinterlässt dieser autobiographischen Comicband bei mir einen zwiespältigen Eindruck. Eigentlich muss man so was ja grundsätzlich gut finden, da berichtet ein Zeichner aus einem Land aus dem wir sonst nicht unbedingt viel mitbekommen. Aber wenn in den Berichten stellenweise die Erlebnisse des jungen Vaters überhand nehmen geht es am vorher erweckten Eindruck des Inhalts vorbei. Zwar sorgen diese am Anfang etwas dominierenden Passagen aus dem Leben eines Expats für die Normalisierung des Eindrucks von diesem fremden Land. Das sicherlich auch so gewollt ist, aber macht den Einsteig in den Comic etwas langatmig.
Und um ehrlich zu sein kommt mir allein durch die Zeichnungen Birma nicht so fremd vor. Das ist halt der Nachteil des cartoonhaftigen Stils von Delisle, zwar schafft er es mit wenigen Strichen Stimmungen von Personen wiederzugeben und diese lebendig zu machen, auch wird immer mit einfachen Mitteln sehr deutlich wer westlicher Expat und wer Einheimischer ist. Aber auf der anderen Seite geht die uns eher fremde Optik des Landes etwas verloren, da spielen sich vor meinem Auge andere Bilder aus einem von Birma nicht so weit entfernten Land ab, die Andersartigkeit des Straßenbildes und der Umgebung kommt oft nur schwach rüber. Und es ist doch letztendlich der Vorteil eines Comics, die zeichnerische Wiedergabe von optischen Eindrücke eines fremden Landes.
Das sieht vielfach zu normal aus, was vielleicht manchem Leser es vereinfacht die Bewohner des Landes auch als ganz normale Menschen anzusehen. Nun leben die allerdings in einer üblen Militärdiktatur, dass sich das nicht durchgängig im alltäglichen Leben wiederspiegelt und die Menschen sich damit arrangieren müssen ist nicht der Punkt. Nur hat man phasenweise den Eindruck, dass die Junta zwar einige merkwürdige Regierungsvorstellungen hat, die Menschen vorsichtig im Umgang mit ihr sind, aber in vielen Bereichen ihr Leben so führen wie sie es wollen und auch können. Diesen Eindruck hat man am Ende des Buches sicherlich nicht mehr, die massiven Probleme werden schon noch angesprochen. Aber so ganz kann ich mich dem Gefühl nicht erwehren, das auch Delisle zum Ende seines Buches gemerkt hat, dass das Regime auf lange Strecken zu einfach wegkommt und er da noch etwas nachlegen muss.
Nicht das dies eine schlechte Erzählung ist, mir ist aber aufgefallen das ich öfters hauptsächlich den Text gelesen habe und dabei nicht viel aus den Zeichnungen gezogen habe. Kein zu gutes Zeichen für einen Comic, der aber an anderen Stellen wiederum überzeugen kann und die Möglichkeiten des Comics nutzt, und sei es durch eine verschmierte Zeichnung die hohe Luftfeuchtigkeit deutlich zu machen. Auch die Erlebnisse im Kloster, die Reise in das Gebiet der Karen oder so banale Dinge wie der durch einen Wolkenbruch quasi erzwungene Besuch bei einem Birmanesen zu Hause wirken insbesondere auch durch die stimmungsvollen Zeichnungen.
Leseprobe
Aufzeichnungen aus Birma
von Guy Delisle
272 Seiten, schwarzweiß
Reprodukt, 20 Euro
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