|
geschrieben von Peixe am
Freitag, 28. November 2008
(7644 Aufrufe)
|
(*)
Zartes Hundefleisch und andere Köstlichkeiten im Reich der Mitte
Guy Delisle, Leiter eines Trickfilmstudios, wird nach Shenzhen in China und nach Pjöngjang in Nord-Korea geschickt, um die dortigen Produktionen zu beaufsichtigen. Wo einem weltreisenden Europäer die USA und Lateinamerika schon bestens vertraut erscheinen, haben diese beiden Länder ihre exotische Ausstrahlung bewahrt. Umso spannender sind Einblicke in diese fernen Galaxien. Die Comics „Shenzhen“ und „Pjöngjang“ erzählen sozusagen zweimal dieselbe Geschichte, aber in völlig unterschiedlichen Ländern mit eigenem Charakter; jedes lässt sich ohne Kenntnis des anderen gut lesen.
Die Wirtschaftsmetropole Shenzhen ist eine relativ abgeschlossene, verlorene Stadt, hauptsächlich Produktionsstätte, so dass dort die Erfahrungen mager ausgefallen wären, hätte Delisle nicht noch Hongkong und Kanton besucht. Schmunzelnd, stirnrunzelnd, kopfschüttelnd nimmt man als Leser Anteil an Delisles Schicksal, sich plötzlich in einem ihm fremden China zurecht finden zu müssen. Mit ihm steht man zunächst ratlos vor vielen Eigentümlichkeiten chinesischer Kultur (der höfliche Diener, der einem stets lächelnd die Toilettentür öffnet), lebt sich dann stückchenweise in dieses Land ein (die Einsamkeit im fremden Ausland bleibt) und lernt seine Mitmenschen kennen (und wie man sich ohne chinesische Sprachkenntnisse mit ihnen unterhalten kann). Leider, leider spielen die politischen Verhältnisse kaum eine Rolle, bestensfalls zeugen Attrappen anstelle echter Themperaturregler im Hotelzimmer von einer staatlichen Sorge, den Schein zu wahren. Alltägliche Schwierigkeiten und kleine Anekdoten tragen den Leser durch die Lektüre von „Shenzhen“ ohne erhebende Höhepunkte. So bleiben am Ende hauptsächlich Eindrücke aus der chinesischen Alltagskultur, die nachdenklich stimmen, gerade weil sie unerklärt bleiben.
Im Vergleich zu „Pjöngjang“ bleibt das um 30 Seiten kürzere „Shenzhen“ trotz zweijährigem Aufenthalt auffällig ärmer an Berichtenswertem, vielleicht wäre eine typischere und lebendigere Stadt für einen „China für Anfänger“-Kurs erzählenswerter gewesen. Guy Delisles Reisebericht ist eben keine Reportage, die von der Professionalität eines Journalisten getragen wird. Zunehmend bedauere ich dies bei Comics über spannende Länder, die dann letztlich doch immer einen oberflächlichen Touch von Urlaubsdiashow behalten; Joe Saccos Reportagen bleiben damit einsame Spitze.
Shenzhen
Text und Zeichnungen: Guy Delisle
144 Seiten, Klappenbroschur
REPRODUKT, 18 Euro
Shenzhen kannst Du gerne hier kaufen.
LESEPROBE zu SHENZHEN
(c) der Abb.: Delisle und Reprodukt
Sie können uns unterstützen! (*)Als Amazon-Partner verdienen wir an qualifizierten Verkäufen.
|
|
| |
|