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geschrieben von AndreasDierks am
Dienstag, 17. März 1998
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Träume, Schatten und Versuchungen
Dreihundert Jahre Dunkelheit umfangen eine Welt, in denen sich die wenigen überlebenden Menschen in kleinen wehrhaften Städten verbarrikadiert haben. Außerhalb der hohen Stadtmauern, im Dunklen Land, sollte man darauf vorbereitet sein, überall schauderhaften Kreaturen zu begegnen, denen sich nur wenige Menschen entgegenzutreten trauen.
Der Schattenbrenner ist einer der wenigen, der die ewige Dämmerung zwischen den Städten durchquert und dabei rücksichtslos alle monströsen Erscheinungen vernichtet, die seinen Weg kreuzen. Und obwohl man weiß, wie gefahrvoll sein Leben ist, werden von den Städten immer wieder Männer ausgewählt, die ihn begleiten sollen, um das Überleben im Dunklen Land zu erlernen.
Diesmal sind Vaux und Zachain die Auserwählten, was letzteren wundert, denn seine Ausbildungszeit war dafür eigentlich viel zu kurz. Aber bald wird der Grund klar. Zachain besitzt eine besondere, für die Menschen ungemein wertvolle Fähigkeit: er ist ein Schattengänger.
Das Dunkle Land ist gefüllt mit Gestalten aus 'real gewordenen Alpträumen', wie der Text auf der letzten Umschlagseite verkündet; die Phantasie Ralf Schlüters bei der Ausmalung dieser horrenden Welt ist
groß.
Ist Schlüters Werk also eine Fantasy-Novelle zum Thema Traum? Nein. Wie das hätte aussehen können, das hat uns vor einiger Zeit Neil Gaiman in 'A Dream of the thousand cats' ("Sandman" No.18) gezeigt. Während es dort (in Anlehnung an die 'Traum-Rede' von Martin Luther King) um den aufbauenden gemeinsamen Traum geht, der alles wandelt, weist Ralf Schlüters Story in eine ganz andere Richtung.
Die Story vom "Schattengänger" handelt im Kern nicht von Träumen, wie man angesichts des Ausdrucks 'real gewordene Alpträume' anfangs denken mag, sondern von Schattenbereichen in uns (in die wir allerdings im Traum eindringen können); der Titel des Albums und auch eine Aussage von Zachain ("Manche im Dom sagen, dass die dunkle Seite der menschlichen Seele die Ursache sei...") deuten darauf hin.
Geschichten über Schatten und Schattenwelten, die die Helden zu durchqueren haben, gibt es seit Menschengedenken. Helden sind unsere Stellvertreter, Schatten sind - Ralf Schlüter läßt es seinen Schattengänger Zachain sagen - dunkle, unbewußte Seiten in uns, die wir mit Hilfe der Helden beackert haben möchten (oder sollten). Diese sich im Schatten befindenden Teile liegen im "Schattengänger" praktischerweise außerhalb der hohen Mauern, die die Menschen schützen. Dorthin kann der Erzähler nun die Helden laufen, gegen Monster kämpfen, nach der Wahrheit suchen und Weisheit erreichen lassen.
Es ist recht spannend, welche Variante der Traum-Literatur Ralf Schlüter ausspinnt. Sein Weg führt zwischen Fantasy und Märchen hindurch, zeigt blutige Brutalitäten und erotische Versuchungen (die Fängerin) und schafft dank der besonderen Möglichkeiten eines Comics eine Atmosphäre, die die Einsamkeit des Menschen im Dunklen Land spürbar macht.
Zeichnerisch ist das Album da noch unstet/unreif, wo es um die Darstellung der männlichen Gesichter angeht. Das ist dem Erzählfluß zwar nicht hinderlich, fördert ihn aber auch nicht. Es entsteht manchmal der Eindruck, als gäbe es manche Köpfe nur deswegen, damit die Sprechblasen irgendwohin zeigen können. Es fehlt eine Priese Mimik oder Gestik, die das Gesprochene begleitet, oder ein Ausbau der Nebenläufigkeit der Erzählung in den Panels zur Erzählung in den Sprechblasen.
Der "Schattengänger" ist auf schönem Papier gedruckt worden (ähnlich diesem besonderen 'glossy paper' wie in der "Spawn"-Prestige-Ausgabe) und ordentlich verarbeitet. Mit großer Spannung sehe ich der Fortsetzung der packenden Story des Schattengängers entgegen! (ad)
Schattengänger - Bd.1: Das Dorf im dunklen Land
Text und Zeichnungen: Ralf Schlüter
48 Seiten, Softcover
Edition Comic Speedline, 22.80 DM
März 1998
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