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geschrieben von StefanS am
Sonntag, 17. August 2014
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Aneinanderreihung von verstörenden Episoden
Comics zum Ersten Weltkrieg? Dazu fällt sofort dieser Name: Tardi! 2014 jährt sich der Ausbruch des Ersten Weltkrieges zum 100. Mal, Jacques Tardi war Gast des Comic-Salons in Erlangen. Dort wurden seine Werke ausgestellt. Tardis Comics zum Ersten Weltkrieg sind die wohl noch immer bekanntesten zum Thema. Warum ist das so?
Jaques Tardi in Erlangen 2014 (c) Foto: Markus Gruber
Tardi ist Jahrgang 1946 und kennt den Ersten Weltkrieg auch aus den Erzählungen seines Großvaters. Im Vorwort beschreibt Tardi wie er gemeinsam mit dem Dokumentar Jean-Pierre Verney Fakten besprach, die der Autor und Zeichner dann zu Papier brachte. Das Werk erschien erstmals 1982 und sollte nicht das einzige von Tardi über das Thema Krieg bleiben, an anderer Stelle wurde „Elender Krieg“ auf der CRS vorgestellt Mit „Ich, René Tardi, Kriegsgefangener im Stalag IIB“ und seinen Comics zur Reihe Nestor Burma blieb Tardi bis heute ein produktiver, viel beachteter Autor und Zeichner. „Grabenkrieg“ erhielt 2011 den Eisner Award.
Wer bereits „Elender Krieg“ kennt, dessen Gesamtausgabe 2014 auf Deutsch erschien, hat bereits eine gute Vorstellung von „Grabenkrieg“. Statt kolorierter Bilder ist der vorliegende Comic in s/w. Während es in „Elender Krieg“ anfangs bunt und später optisch so grau und braun wurde wie in den Schützengräben der Westfront so fällt dieser eindrucksvolle Effekt hier weg, ohne das die Bilder dadurch weniger bewegend wären.
Von wenigen Ausnahmen abgesehen finden sich drei Panels auf jeder Seite. Wir begleiten französische Soldaten durch den Krieg von 1914 bis 1918. Uns wird ein Mann vorgestellt, den wir einige Panels lang begleitet, bis dieser ums Leben kommt. Danach lernen wir das nächste Kriegsschicksal kennen und so weiter. Spannung oder gar ein Happy End sind also nicht zu erwarten, die Abscheu vor dem sinnlosen Abschlachten werden auf jeder Seite überdeutlich.
Nach den erste Seiten werden die Bilder durch einen Aufsatz Tardis unterbrochen, in dem er von seinem Großvater erzählt. So viel Gefühl wie hier zeigt der Erzähler nicht durchgängig, eher distanziert und lapidar werden einige Szenen beschrieben. Es gibt keinen Platz für Heldentaten, für pathetische Kriegsverklärung und mit einem Action-Kriegsfilm, wie es so viele über den Zweiten Weltkrieg gibt, hat dieser Comics nichts gemein.
Ginge es nicht um einen Comic sondern rein um den Text würde ich Erich Maria Remarques „Im Westen nichts Neues“ wohl den Vorzug geben, auch weil dessen Kopfkino viel stärkere Gefühle wachruft und mehr aufrüttelt als „Grabenkrieg“. Vielleicht wäre an manchen Passagen etwas mehr nüchterne, historische Fakten gut gewesen, denn so eindeutig wie dieser Comic Stellung gegen den Krieg bezieht wird er von manchen Lesern sicherlich abgelehnt werden, aber für sie gibt es Geschichtsbücher oder Tolkiens „Der Herr der Ringe“, in dem der Brite seine Erfahrungen als britischer Soldat in den Schützengräben verarbeitet hat.
Muss dieses Buch nicht 99 % bekommen, weil es so eine starke, wichtige Aussage hat und weil Tardi zweifellos so ein Könner seines Fachs ist? Tatsächlich war ich, aufgrund der riesigen Erwartungen, beim ersten Lesen minimal enttäuscht. Zuerst las ich „Elender Krieg“ und war irritiert, weil es keinen festen Protagonisten gab. Am Ende mündet der Comic in so ein äußerst starkes Finale, in ein Plädoyer gegen den Krieg, dass davon der gesamte Comic emporgehoben wird. Das ist bei „Grabenkrieg“ anders, hier endet die Geschichte beziehungsweise die Geschichten so trist und traurig, so unspektakulär und leise wie sie die ganze Zeit waren.
Warum gibt es so wenige Comics, Filme und Videospiele über den Ersten und so viele über den Zweiten Weltkrieg? Frankreich liegt bei den Comics über den Großen Krieg weit vorn, zählt zu den Gewinnern des Krieges. Aber dieser Sieg wurde mit dem Tod von Millionen Menschen erreicht. Mit dem Friedensvertrag von Versailles konnte der Frieden in Europa nicht gesichert werden, bereits 1939 begann ein im Bewusstsein vieler Menschen viel prägenderer Krieg, wohl auch, weil er die Kämpfe, auch durch Flugzeugangriffe, zur Zivilbevölkerung trug und sich nicht im wesentlichen in Äckern und Feldern in Belgien und Frankreich zutrug, wie der Grabenkrieg an der Westfront. Es gibt keine „Action“ im Ersten Weltkrieg und weniger Chancen aus dem Stoff leichte Unterhaltung zu machen, auch wenn der Film „Lawrence von Arabien“ und die TV-Serie „Young Indiana Jones“ Unterhaltung und Dynamik boten statt trostlosem Grabenkrieg. Schillernde Themen wie Mata Hari (Doppelspionin und Bauchtänzerin), der Rote Baron (Manfred von Richthofen) und andere Elemente taugten offenbar nicht für so eine Flut von Unterhaltungsprodukten wie der Zweite Weltkrieg. Vermutlich bleibt es noch einige Jahre dabei und deshalb erscheinen weiterhin nur wenige Comics zum Thema, möglicherweise hat Tardi bereits alles Wesentliche gesagt.
Hilft dieser Comic den Ersten Weltkrieg oder Krieg generell besser zu verstehen? Der Comic bietet eine weitere, wichtige Facette, um zu verstehen! „Der Tod eines Mannes ist eine Tragödie, aber der Tod von Millionen nur eine Statistik“ - „Grabenkrieg“ ist kein Geschichtsbuch, wie Tardi gleich im Vorwort klarstellt, mit der Beschränkung auf einige fiktive Biographien geht der Autor einen anderen Weg als wir es wohl 2014 von Rückblicken auf diesen Krieg gewohnt sind. Gewöhnungsbedürftig, aber gelungen und definitiv einer der wichtigsten Comics über den Ersten Weltkrieg!
Wertung: 87 %
Text und Zeichnungen: Tardi
Lettering: Volker Hamann
Übersetzung aus dem Französischen: Michael Hein
128 Seiten, Hardcover, s/w, Format: 22 x 30 cm
Extras: Vorwort von Tardi, Quellenangabe
2002 / 2013 Edition Moderne AG, 26 Euro
Am Besten kauft man sich das Comic beim Comichändler seines Vertrauens
...jedoch...
Grabenkrieg kann man auch hier bestellen
(c) der Abbildungen mit freundlicher Genehmigung: 2013 Verlag bbb, Edition Moderne AG, für die deutschsprachige Ausgabe
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