|
geschrieben von M.Behringer am
Freitag, 25. November 2011
(3755 Aufrufe)
|
(*)
Schwungvolle und clevere Tragödie
Der Autor Serge Le Tendre und der Zeichner Christian Rossi zählen zweifelsohne zu den Großen des franko-belgischen Comics. Le Tendre hat beispielsweise mit 'Auf der Suche nach dem Vogel der Zeit' einen Klassiker der Fantasy kreiert. Rossi hat unter anderem das beeindruckende Genre-Crossover 'W.E.S.T.' illustriert. Sie haben ihre Kräfte für eine Tragödie vereint. In 'Tiresias' geht es um grundlegende menschliche Fragen, die von den beiden mit Geschichtskenntnis, aber auch mit viel Witz und Fabulierfreude behandelt werden.
Theben zur Zeit des Hellenismus: Tiresias ist ein egoistischer Schönling, der von beiden Geschlechtern gleichermaßen geliebt wie gehasst wird, denn eine Beziehung mit ihm hält nie lange an. Auf dem Gipfel von Tiresias‘ Narzissmus geht er eine unmoralische Wette ein: um zu beweisen, dass er imstande ist, eine Fremde zu verführen und zu befriedigen, will er eine Tempeldienerin der Athene vergewaltigen. Athene ist jedoch die Schutzgöttin von Theben und bestraft Tiresias dadurch, indem er ihn in eine Frau verwandelt.
Le Tendre erzählt seine Tragödie, die leicht phantastisch angehaucht ist, mit schwungvollen Dialogen und viel Humor. So schwebt die Geschichte ganz locker zwischen antiker Tragödie und Mythologie. Es ist eine Epoche, in der die Griechen auf Vorhersagemethoden zurückgreifen, um ihre militärischen Strategien abzusichern – Auguren und Seher orakeln aus göttlichen Symbolen über den günstigen Moment für einen erfolgreichen Ausgang.
Ein Leitfaden der Handlung ist der bewegende Wettstreit zwischen Zeus und Hera, welches Geschlecht beim Liebesakt mehr Lust empfindet. Daneben geht es meines Erachtens aber auch um Verantwortungsethik: keine Taten bleiben in 'Tiresias' ohne Folgen. Moralisch verwerfliche Handlungen werden von den Göttern abgestraft.
Rossis detaillierte Zeichnungen wirken meiner Ansicht nach sehr leichtfüßig, aber trotzdem noch historisch authentisch. Warme Farbtöne wie Gelb, Orange und Hellbraun dominieren die Illustrationen und verleihen der Geschichte eine stimmungsvolle Atmosphäre. Man sieht meiner Meinung nach sofort, dass dem Zeichner griechische Statuen, Bildhauerei, Keramik oder Vasen als Recherchematerial zur Verfügung gestanden haben.
Mit 'Tiresias' haben Le Tendre und Rossi meines Erachtens einen beachtlichen Spagat zwischen leichter Unterhaltung und tiefgehendem Anspruch geschafft. Das wunderschön aufgemachte Buch enthält als Bonusmaterial zahlreiche Skizzen Rossis, die mit hintergründigen Kommentaren der beiden Autoren versehen sind. Besonders gefallen hat mir zum Beispiel, dass Kollegen wie Patrick Cothias oder Régis Loisel als Vorbilder für ihre Figuren verwendet wurden. Übrigens ist eine Fortsetzung in Planung: sie trägt den Arbeitstitel 'Heras Triumph'.
Tiresias
Von Christian Rossi und Serge Le Tendre
Hardcover, 112 Seiten
schreiber&leser 2011
Am Besten kauft man sich das Band beim Comichändler seines Vertrauens
...jedoch...
Tiresias kann man auch gerne hier kaufen.
(c) der Abb.: Schreiber & Leser Verlag und Autoren
Sie können uns unterstützen! (*)Als Amazon-Partner verdienen wir an qualifizierten Verkäufen.
|
|
| |
|