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Das hat Prinz Eisenherz nicht verdient :: Comic Radio Show :: Comics erfrischend subjektiv, seit 1992!  
29.03.2024, 09:54 Uhr
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geschrieben von valiant32 am Mittwoch, 09. Februar 2011 (3552 Aufrufe) druckerfreundliche Ansicht
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Prinz Eisenherz oder: Das Mittelalter in der Sprechblase


Prinz Eisenherz oder: Das Mittelalter in der Sprechblase Schon der Titel läßt stutzen, denn bekanntlich werden in Prinz Eisenherz keine Sprechblasen benutzt. Der Autor, Hubert Mittler, inzwischen Konrektor an einer Hauptschule, benutzt die Metapher für Comic um den Titel seiner Dissertationsschrift noch interessanter werden zu lassen, als er es durch die Erwähnung des populären Prinz Eisenherz bereits ist. In dem "Ergebnis einer langjährigen Arbeit" "geht es darum, die Strips [Prinz Eisenherz und Die Türme von Bois-Maury] zu vergleichen und zum Stand der mediävistischen Forschung in Beziehung zu setzen." Er wählte diese zwei, "da beide Comics in vielfacher Hinsicht nicht unterschiedlicher hätten sein können", um dann aber bereits einige Seiten später festzustellen, daß "Die Sage vom Singenden Schwert nicht mit den Türmen von Bois-Maury vergleichbar ist", was auch stimmt, allerdings nicht aus den Gründen, die Mittler meint, sondern weil ersteres eine familientaugliche Sunday Page (und kein Strip!) ist und zweiteres als Albenreihe konzipiert war und sich eindeutig an ein älteres Publikum wendet.



Auch der Untertitel 'Ein Bild von Ritter und Rittertum zwischen 1000 und 1200 in ausgewählten historisierenden Comics' verwundert, denn Prinz Eisenherz spielt im 5. Jahrhundert und auch wenn Harold R. Foster, wie hinlänglich bekannt, ein imaginäres Mittelalter als Kulisse verwendet, so hat man trotzdem den Eindruck, daß Mittler hier etwas in das Korsett seiner vorgefaßten Ergebnisse zwängen will.

Persönliche Motive

Im Jahre 1974 will er von seinen Eltern "die 14-bändige Ausgabe des Melzer Verlags aus Darmstadt" bekommen haben, die "die Abenteuer von Prinz Eisenherz im vertrauten Erscheinungsbild populärer historischer Literatur" mit "ausgewählten Foster-Zeichnungen" präsentierte. Diese Ausgabe erschien aber erst ab 1981 und war auch keineswegs die beschriebene Textausgabe, welche tatsächlich ab 1953 im Badischen Verlag herausgeben wurde. Er berichtet dann: "Am 13. April 1972 erschien erstmals Zack, [...]. Hier lernte ich Prinz Eisenherz kennen." Tatsache ist, daß Prinz Eisenherz gerade einmal in neun Zack-Heften in 1975 erschien. Als "Grundlage der Untersuchung" gibt er die Carlsen-Ausgabe an, von der er fälschlicher Weise behauptet, daß sie mit Band 40 geendet hätte.

Aufbau

Mittler hält sich insofern nicht an seine eigentlich sinnvolle Gliederung (Geschichte der Comics - Historische und literarische Hintergründe - Mittelalterimaginationen, Mittelalterfiktionen - Ergebnisse), als daß er laufend, beginnend bereits im Vorwort, gegen Eisenherz, Foster und Amerikaner polemisiert, Wiederholungen und Widersprüche eingeschlossen. So bezeichnet er die Familie von Eisenherz als Clan oder Sippe, die Ehe der Eltern als Liaison, ihn selber als den eisernen Prinzen, Super-Ritter oder ritterlichen Supermann, der "einem Rudolfo Valentino im Rittergewand gleichkommt". Eisenherz sei ein geradezu unerträglicher Wichtigtuer, erzkonservativ und ein moralischer Reaktionär. Der "kanadischer Fabulierer" (daß Foster die amerikanische Staatsbürgerschaft angenommen hatte, ist Mittler entgangen) "steigert seine klassizistischen Tableaus bis zur Apotheose des schwarzhaarigen Jünglings" und "die versammelten Ritter [muten] wie eine Schar testosterongesättigter Haudegen an." Wenn Mittler fortfährt: "Welcher halbwegs intelligente Mensch könnte sich schon dauerhaft mit einem tugendhaften Langweiler wie dem Prinzen identifizieren? Möglicherweise ist dies aber auch ein kontinental-mentalitätsbedingtes Problem.", dann erinnert dies frappierend an die deutsche Presse in den 40er Jahren. "Millionen" von Amerikanern wirft er ihr "(Un)Verständnis" vom europäischen Mittelalter vor und Fosters Darstellungen seien "seinen unbedarften Vorstellungen eines kleinbürgerlichen Nordamerikaners" entsprungen.

Freund und Feind

Mittlers Parteilichkeit tritt z.B. beim Thema Kleriker deutlich zu Tage: "der Kanadier [gewährt] aus Unkenntnis oder Unvermögen keinerlei Einblick in mittelalterliche Lebenswirklichkeit.", während er Huppen zugute hält, daß dieser nur "bescheidene 46 Seiten pro Album" hat und da "es sich primär um Abenteuerhandlungen handelt" ein Kleriker "keineswegs ein zentrale[r] Charakter" ist.
Liest man die Ausführungen über Knappen und Seekrankheit, über "die Burg des Vaters irgendwo im Norden", über angeblich fehlende Selbstzweifel und "Straßenreinigung", kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, daß Mittler Eisenherz überhaupt nicht gelesen hat, um dann aber trotzdem bereits im vierten Kapitel zu befinden, daß "Hermanns Geschichten authentischer und lebensnaher [wirken] ,[ ...] angemessener und realistischer als die glorifizierenden Foster-Strips." Geradezu peinlich wird es, wenn behauptet wird: "Der Weg des Prinzen ist mit Leichen gepflastert, sein "Singendes Schwert" zieht eine blutige Spur durch das Fostersche Mittelalter.", während auf zwei Seiten beschrieben wird wie "bei Huppen" "ermordet", "erdolcht", getötet, "dezimiert", "niedergemetzelt" und "gehängt" wird.
Er klagt über Prinz Eisenherz: "Der gesamte Bereich der Sexualität bleibt, [...], konsequent ausgeklammert." "Es kommt nie zu einer dargestellten Sexualität."

Erstaunliches

Da Mittler augenscheinlich enorme Probleme mit Definitionen hat, flüchtet er sich in Vulgär-Philosophie : "Möglicherweise ist Wahrheit auch schlichtweg Ansichtssache." Die historische Korrektheit von Hollywood-Filmen macht er an Fehlern fest wie dem, daß in Ben Hur ein "Trompeter eine Armbanduhr am Handgelenk trägt" (ganz abgesehen davon, daß dies widerlegt ist (imdb.com/title/tt0052618/goofs)).
An Mittlers Text stören Tautologien wie: "Der Comic ist stumm, er schont die Hörwerkzeuge." und "durch Comics [kann] nicht das "echte" Mittelalter präsentiert werden, da die Autoren zwangsläufig nicht in dieser Epoche gelebt haben."; andererseits will er genau wissen, was die Menschen im Mittelalter geträumt haben, obwohl "sich gerade die Gehirnzustände der Verstorbenen dem Zugriff [entziehen]". Er behauptet, daß "der Prinz anscheinend ohne Vornamen auskommt.", bezeichnet wegen Fosters "merkantilen" Erfolgs Eisenherz rundweg als kommerziell und preist sein Buch in einem Eisenherz-Internet-Forum an.

Amüsantes und Ärgerliches

Der Leser fühlt sich des Öfteren in ein Mundart-Gedicht versetzt, da das Deklinations-n gesetzt wird, wo es gar nicht hingehört und dafür an notwendigen Stellen weggelassen wird.
Mittler paraphrasiert sehr nahe an seinen Quellen, ohne diese jeweils direkt aufzuführen; er zitiert, noch dazu falsch, Jahreszahlen aus den 'Stamps', die in der von ihm verwendeten Carlsen-Ausgabe gar nicht abgedruckt sind. Er schafft es, von drei Erwähnungen in einem Absatz, 'Sequel' zweimal unterschiedlich falsch zu schreiben. Benannte Comic-Serien und die Namen der Verfasser von Quellen schreibt er spätestens beim zweiten Mal falsch - hier von schlampig zu sprechen wäre euphemistisch. Der amüsanteste Fehler findet sich, wenn er von den amerikanischen Pendants zu den französischen und belgischen Comics sprechen will, und daraus "Pedanten" macht - womöglich eine Freudsche Fehlleistung, bezeichnet er doch Fosters Zeichenstil als pedantisch.

Weder amüsant noch ärgerlich, sondern höchst kritisch ist es, wenn Mittler (als Historiker!) Geschichtsklitterung betreibt: "1940 endete dieses Privileg [Eisenherz als Prinz Waldemar zu veröffentlichen], da die Nationalsozialisten Parallelen zur Gegenwart sahen, als Eisenherz gegen die sächsischen Invasoren Britanniens kämpfte - und siegte. Die Sachsen wurden als Allegorie auf die Deutschen verstanden." Von Prinz Waldemar erschienen 1939 im Papagei vierzehn Folgen (79 bis 92). Die Episode des Sachseneinfalls beginnt im letzten Bild auf Seite 95! Ob der Abbruch der Serie eine verlegerische Entscheidung war oder seine Gründe in fehlenden Vorlagen oder dem Fehlen einer Lizenz hatte (sofern es überhaupt jemals eine gab: der Abdruck enthielt weder die Seitenzahl noch das Datum noch die Signatur von Foster noch einen Copyright-Vermerk) oder eine Zensur-Maßnahme war, ist nicht belegt.

Conclusio

Warum 'vergleicht' Mittler gerade diese zwei Comics?

Er schreibt zum Einen, daß "die Helden auf Papier, wie [...] Eisenherz [...] die Bildung meiner Wertmaßstäbe nicht unwesentlich mitbestimmt haben.", andererseits gibt es im Anhang einen Abschnitt 'Arbeitsdokumente', bestehend hauptsächlich aus einer Photographie des Verfassers in einer Huppen-Ausstellung, einem Brief von Hermann Huppen an ihn und einer ihm gewidmeten Zeichnung. Diese 'Arbeitsdokumente' weisen ihn als Huppen-Fan aus. Führt man sich jetzt noch einmal seine Ausführungen z.B. zur Sexualität bei Foster vor Augen und betrachtet die gewaltverherrlichenden Abbildungen, die er hier als Exempel für die 'Realitätsnähe' der 'Türme' zum Abdruck gebracht hat, kommt man unweigerlich zu dem Schluß, daß Hubert Mittler sich mittels dieser Arbeit von seinen ehemaligen Wertmaßstäben emanzipieren wollte. Dies so zu tun wie im vorliegenden Buch ist aus akademischer Sicht fragwürdig und schadet der ernsthaften Comic-Forschung.

P.S.: Mittler hat inzwischen anscheinend einen Kreuzzug gestartet.
So referierte er am 12.09.09 im Rahmen einer Tagung der Varnhagen Gesellschaft in Bad Münster am Stein: "Und ewig grüßt der Eiserne Prinz: Prinz Eisenherz, ein (Ritter-)Vorbild für Jugendliche?" Der alberne und abfällige Titel erinnert im zweiten Teil an eine Jahrzehnte zurückliegende Ausstellung, die die gleiche Tendenz hatte.

Aus Struktur und Geschichte der Comics geht hervor, daß Mittler auf einer Jahrestagung der Gesellschaft für Comicforschung einen Vortrag "Im Wald der Mittelalterfiktion" gehalten hat, in dem er im Wesentlichen die Thesen seines Buches wiederholte. Allerdings behauptet er nicht mehr, daß "blau, rot, gelb" die Farben der amerikanischen Nationalflagge seien, bleibt aber dabei, daß Superman "eine Vorliebe für die Farben [jetzt] Rot, Weiß, Blau hat" - was wiederum nicht stimmt.


(c) des Textes Axel-M. Wulff

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