|
geschrieben von M.Hüster am
Samstag, 10. Januar 2009
(23821 Aufrufe)
|
(*)
Happy Tintin
Am 10.01.1929 erblickten ein junger Reporter namens Tim und ein weißer Foxterrier, der auf den Namen Struppi hört, in Le Petit Vingtième, einer Kinderbeilage der belgischen Zeitung Vingtième Siècle, das Licht der Welt. Deren Schöpfer Hergé, der mit bürgerlichem Namen Georges Remi hieß, ist in Belgien ein nationaler Held. Seine "Tim und Struppi"-Abenteuer (im Original "Tintin") wurden weltweit rund 200 Millionen Mal verkauft und in über 55 Sprachen übersetzt. Damit gehört Hergé zu den erfolgreichsten Vertretern in der Welt der bunten Bilder.
Und noch heute haben die Comics kaum etwas von ihrer Beliebtheit eingebüßt und für alle jungen und jung gebliebenen Leser zwischen 7 und 77 Jahren sind die pfiffigen Einfälle des Reporters Tim und die deftigen Sprüche von Kapitän Haddock längst ein Stück Kulturgut geworden.
Die Entwicklung von Hergé (1907-1983) zum großen Zeichner entsprach der vieler berühmter Comic-Autoren: Bereits während seiner Schulzeit zeichnete er Titelbilder und Illustrationen für Pfadfindermagazine, Bücher, Zeitschriften, Kalender und Postkarten.
1925 begann Hergé eine Tätigkeit als Büroangestellter bei der römisch-katholischen Tageszeitung Le Vingtième Siècle. 1928 wurde ihm die Position des Chefredakteurs von ‚Le Petit Vingtième‘ übertragen für das er 1929 „Tim und Struppi“ kreierte. In der ersten Geschichte reiste Tim, als Reporter von Le Petit Vingtième, in die Sowjetunion. Schon zu Beginn der Handlung erhielt Tim, als Folge einer rasanten Flucht mit einem Auto, sein Markenzeichen: Die typische Haartolle. Die Story war gleich so erfolgreich, dass sich die Auflage der Donnerstagausgabe von Vingtième Siècle, wenn Le Petit Vingtième der Zeitung beilag, versechsfachte! Logische Folge: Es wurde beschlossen, weitere Folgen zu veröffentlichen.
Während der Vorabdruck der neuen Geschichten weiterhin in Le Petit Vingtième erfolgte, wurde der belgische Casterman-Verlag ab 1934 Herausgeber der Albenausgaben der Abenteuer von Tim und Struppi, die zunächst ebenfalls durch Le Petit Vingtième verlegt wurden.
Bei den ersten Abenteuern von Tim und Struppi verlies sich Hergé noch auf sehr begrenztes Dokumentationsmaterial. Während der Vorbereitungsarbeiten für das fünfte Abenteuer „Der Blaue Lotus“ lernte Hergé 1934 den jungen chinesischen Kunststudenten Tschang Tschong-Jen (1907-1998) kennen.
Es entwickelte sich eine freundschaftliche Beziehung, die auch für Hergés Arbeitsstil einen Wendepunkt bedeutete. Von Natur aus Perfektionist, nahm sich Hergé für jede seiner Erzählungen von nun an viel Zeit für das Szenario, Zeichnungen und die Dokumentationen. Mit großer Akribie wurden die Tim & Struppi-Geschichten im Laufe der Jahre immer wieder überarbeitet und aktualisiert.
Von Mitte bis Ende der 1930er Jahre entwickelte Hergé, aus dessen Feder u. a. auch der Pfadfinder Totor, die Abenteuer der Brüsseler Lausbuben Stups und Steppke und das Trio Jo, Jette und Jocko stammen, einen einfachen und schnörkellosen Zeichenstil, der später Schule machte und unter der Bezeichnung „Ligne Claire“ bekannt wurde. Während der Kriegsjahre erschienen die Abenteuer von Tim und Struppi in Le Soir/Le Soir Jeunesse.
Ein Projekt, bereits 1941 erstmals angedacht, nahm nach Kriegsende Gestalt an: Der Plan, ein belgisches Tim und Struppi-Magazin zu veröffentlichen. Am 26. September 1946 erschien die erste Nummer des wöchentlichen Comicmagazins ‚Tintin‘. Herausgeber war Raymond Leblanc, geschäftsführender Leiter des neuen Verlagshauses Les Éditions du Lombard. Mit der ständig zunehmenden Popularität von Tim und Struppi stieg aber auch der Umfang von verwaltungstechnischen Dingen und Nebenproduktionen. Daher gründete Hergé 1950 ein eigenes Zeichenstudios. Zu den vielen Mitarbeitern, die im Laufe der Jahre für Hergé und die Studios Hergé arbeiteten, zählten u. a. so bekannte Künstler wie E. P. Jacobs, Bob de Moor, Jacques Martin und Roger Leloup.
Der Erfolg der Serie führte schon relativ früh dazu, dass die Abenteuer auch für das Kino bearbeitet wurden. Die ersten Versuche waren nach dem Kriegsende Diafilme und ein Puppenfilm. Zwei Formen von Adaptionen sollten sich später durchsetzten: Realverfilmungen und Zeichentrickanimationen. Zunächst wurden 1956 in dem zum Lombard Verlag gehörenden Trickfilmstudio Belvision zwei halbstündige Zeichentrickfilme und dann ab 1959 sieben fünfminütige Zeichentrickfilme für das TV produziert. 1960 kam mit „Tim und das Geheimnis um das Goldene Vlies“ der erste Realfilm in die Kinos, dem 1964 „Tim und die blauen Orangen“ folgte. 1969 und 1973 produzierten die Brüsseler Belvision-Studios zwei Kino-Zeichentrickfilm (Der Sonnentempel & Tim und der Haifischsee).
Die in den 1990er Jahren für das Fernsehen entstandenen 21 Zeichentrickfilme der kanadischen Produktionsfirma Ellipse sind die bisher gelungensten Trickfilmanimationen.
Die Anerkennungen für Hergé und seine Comic-Stars, die selbst in Deutschland (die Alben erscheinen beim Carlsen Verlag) fast jeder kennt, blieben nicht aus: Tim & Struppi und ihr Autor erfuhren allerlei Ehrungen in Form von Wandbildern, Münzen, Statuen, Briefmarken und vieles mehr. Sogar ein Asteroid wurde nach Hergé benannt. Insgesamt schrieb und zeichnete Hergé in seiner langen Karriere 23 Tim und Struppi-Abenteuer. Ein letztes Tim & Struppi-Abenteuer, "Tim und die Alpha-Kunst", das Hergé vor seinem Tod noch begonnen hatte, blieb unvollendet.
Eigentlich ist Tim ein Reisender in Sachen spannende Abenteuer. Als Reporter wird er kaum tätig. Jeder kennt ihn und alle Gangster der Welt fürchten ihn. Es gibt keinen Fall, den er nicht zu lösen weiß. Und als Held vieler berühmter Abenteuer reist er u. a. in die Sowjetunion, in den Kongo, nach Amerika, Ägypten, China und Großbritannien. Weitere Reiseziele sind Arabien, Peru, Tibet und Australien. Sogar auf den Mond reist Tim, lange bevor die NASA ihre erste Mondmission erfolgreich durchführte.
Doch was fasziniert Jung und Alt an Tim und seinen Abenteuern? Vermutlich seine Normalität: Tim ist eigentlich ein recht farbloser Held mit Haartolle und Kniebundhose. Er besitzt keine Superhelden-Eigenschaften. Aber gerade das sind wohl u. a. die Gründe, warum sich jeder mit ihm identifizieren kann. Außerdem verkörpert er Werte wie Freundschaft, Hilfsbereitschaft, Gerechtigkeit und Mut.
Hergé hat mit den Tim & Struppi-Geschichten ein zeitloses Universum geschaffen, das durch seine Realitäts-Wurzeln den Wandel der Zeit überdauert hat. Der Autor schuf eine Vielzahl beliebter Figuren, allen voran Tim & Struppi und Kapitän Haddock. Der herrlich fluchende und trinkfreudige Seebär entwickelte sich im Verlauf der Serie zu einem echten Sympathieträger. Weitere wichtige Charaktere im Tim und Struppi-Universum sind u. a. der schwerhörige Erfinder Professor Bienlein, die Detektive Schulze und Schultze, Obergauner Rastapopoulos und die unvergessliche, aber bei ihren Bekannten nicht unumstrittene Operndiva Bianca Castafiore.
© aller Abbildungen: Hergé / Moulinsart – Casterman – Éditions Reporter – Carlsen Verlag GmbH Hamburg.
Sie können uns unterstützen! (*)Als Amazon-Partner verdienen wir an qualifizierten Verkäufen.
|
|
| |
|