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geschrieben von Maqz am
Dienstag, 31. Oktober 2000
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Comic Radio Show: Was bedeuten Dir die Geschichten in Bloody Circus?
Jürgen Seebeck: Bloody Circus sind für mich inhaltlich Liebesgeschichten. Formell haben sie mir seit 1997 zum einen die Chance gegeben, komplett in Farbe zu arbeiten (Internet sei Dank), zum anderen waren es die ersten Stories, bis dahin waren es immer nur extrem kurze Geschichten.
CRS: Wie sind sie entstanden?
JS: Die bisherigen Folgen von Bloody Circus haben ihren Anfang in der Regel in einem Bild, d.h. ich sehe irgendetwas, um das sich dann in Windeseile das Grobgerüst für eine Geschichte entwickelt. Bei Moha Dick war das zum Beispiel ein roter Plastikwal in Originalgröße, der in einer Shopping Mall in Osaka hing. Gesehen - Boing - Geschichte fertig! Na, ja, ganz so einfach ist es nicht, aber so entstehen die Ideen bei mir meistens.
CRS: Welche Reaktionen hattest Du auf die Geschichten in Japan?
JS: Positive, die sich inhaltlich auf dasselbe stützen, wie das, was die hiesigen Otakus schwer zu verwirren scheint (siehe nächste Frage). Bloody wurde als etwas wahrgenommen, das sich von dem unterscheidet, was es bis dato in Japan gab, aber auch völlig anders war, als alles aus dem Westen. Konkrete Zahlen für die Zugriffe auf Bloody bei Morning Online habe ich nicht, nur soviel: auf dem Höhepunkt hatte das Online Magazin über eine Million Leser pro Monat (auch wenn die sicherlich nicht alle Bloody gelesen haben werden.)
CRS: Was halten die Leser in Europa davon?
JS: Geteilte Meinungen. Das eingefleischte Manga-Fan-Publikum hat mitunter Kategorisierungsprobleme. So las ich vor ein paar Tagen im Carlsen Manga Forum, das sei ja gar kein Manga. Aber auch kein BD und kein amerikanischer Comic... Der Grund dafür dürfte wohl darin liegen, dass Bloody grafisch nicht dem hiesigen Klischee davon entspricht, wie Manga auszusehen haben (SW, große Augen usw. - Das gleiche galt damals aber wohl auch für Okami, hi, hi), sich aber in Seitenaufteilung, Schnitt und Erzählweise deutlich von Westlichen Comics unterscheidet.
Interessanter Weise scheint Bloody ein Publikum zu erreichen, das bisher nicht unbedingt zur Stammleserschaft von Mangas/Comics gehört hat. Bei den Signierstunden in Frankfurt und in Essen war von kleinen Kindern bis zu alten Frauen alles vertreten. Ein spanischer Zeichnerkollege in Essen, der den Lesetisch am Carlsenstand aufmerksam beobachtet hatte, meinte zu mir, dass besonders Frauen ab 30 auf Bloody stehen würden (vielleicht, weil meistens die Mädels gewinnen???). Danach habe ich dann selber ein bisschen aufgepasst und tatsächlich festgestellt, dass ich einen höheren Frauenanteil habe (nicht nur ab 30)...
Ach ja: letzte Woche überraschte mich der Carlsen Verlag mit einer Auswertung der Pro 7 Sendung am Tag vor der Frankfurter Buchmesse. Die 10 Minuten über Bloody Circus in Galileo hatten die zweithöchste Einschaltquote an diesem Tag. Und dann erfuhr ich, dass Carlsen dem Sender 25 Exemplare von Bloody zur Verfügung gestellt hatte, die man gewinnen konnte, wenn man eine Frage richtig beantwortete. Immerhin 45.000 Zuschauer wollten ein Buch gewinnen!
CRS: Wie werden sich die Geschichten in den kommenden Folgen weiterentwickeln?
JS: Das Grundkonzept wird dasselbe bleiben: Männlein gegen Weiblein, aber die Geschichten werden länger werden. Da ich wohl positiv davon ausgehen kann, dass in Zukunft die Online-Geschichten auch immer in einer Print-Version erscheinen werden (also ca.100 Seiten), denke ich, mehr als zwei Geschichten sollten nicht in einen Band. Besser noch nur eine. Das lässt mehr Zeit für´s Erzählen. Außerdem werde ich in Zukunft etwas mehr darauf achten, dass die Geschichten in erster Linie nicht nur ein japanisches Publikum ansprechen.
Das Interview führte Markus Gruber per E-Mail.
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