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geschrieben von Maqz am
Montag, 12. Januar 1998
(10402 Aufrufe)
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Tim digitally remastered
Jetzt gibt es sie wieder: Tim und Struppi. Ganz neu und damit ganz anders? Nun, schau'n mer moi! Die europäische Comic-Ikone Tim und sein treuer Terrier Struppi begegnen dem Leser nun in neuer deutscher Rechtschreibung (in Niedersachsen übrigens gerichtlich verboten!) auf chlorgebleichtem Papier und völlig neu überarbeiteten Farben. Wie bei Star Wars eben, nur ohne neue Szenen!
Was aber bringt die "neue" erste Auflage der klassischen Comic-Serie über einen immer frischen, asexuellen (und sehr weißen - aks) Jüngling mit einer Vorliebe für Hunde und exotische Schauplätze, sowie für ungewöhnliche Freunde? Schließlich erschien z.B. "Tim im Kongo" schon vom 5.6.1930-11.6.1931 in der belgischen Zeitschrift "Le Petit Vingtième". Eigentlich müßte jede der 22 Geschichten von Kindern und Erwachsenen rückwärts auswendig gesungen werden können.
Nun es soll ja immer noch einige Kleinkinder geben, die ihren Tim und Struppi (bis jetzt) noch nicht lesen konnten. Die brauchen natürlich knickfreien Lesestoff für die Zukunft. New generations of Comics for the new generation? Jawoll ja!
Ok, ok! Tim und Struppi ist gut, spannend und allemal eine neue Auflage wert. Doch die neuen Bilder wirken fast schon zu klinisch rein für den waren Fan. Der schöne Wasserfarben-Look ist fast völlig verschwunden, aber das interessiert nur die Puristen und notorischen Besserwisser, wie mich! So ist die neue Wieder- (und wieder, und wieder und wieder...) Neuauflage von Hergés Meisterwerk immer noch Standard für jedes Kinderzimmer-Regal!
Problematisch in diesem Zusammenhang ist und bleibt der Preis! Bei solchen hohen Stückzahlen hätte man eigentlich mit einem familienfreundlicheren Preis rechnen dürfen. dass im November die erneuerte Serie mit sammlerfeundlichen vier Ausgaben startet, macht den potentiellen Käufer auch nicht unbedingt so viel glücklicher!
Übrigens ihr niedersächsischen Leser draußen: Keine Angst man kann das "dass" auch noch lesen, wenn da "dass" steht! Und ich werde euch nicht verklagen, wenn ihr das neue reformierte Tim und Struppi lesen wollt. Viel Spaß! (mg)
Die neue, chronologische, rechtschreibreformierte Ausgabe von "Tim und Struppi" wurde auch handgelettert und neu übersetzt, was ihr an manchen Stellen einen zeitgemäßeren Anstrich - verglichen mit meiner Ausgabe von etwa 1975 - verleiht (z.B. alt: 'Wie bitte, Töfftöff? Das sein echt Krupp-Dingsbums!', neu: 'Wie bitte, Töfftöff? Das sein schöne Dingsbums-Lokomotive!'). Die Ausgabe hat dadurch (und durch
einen besseren Druck) einiges gewonnen.
Warum man nun aber *alles* mit Großbuchstaben gelettert hat und somit *alle* 'ß' in 'ss' wandelte (z.B. wird statt 'bloß' jetzt 'BLOSS' geschrieben), ist zwar deutlich schöner, mir aber in einer Hinsicht auch ein Rätsel. Sollte diese "TuS"-Ausgabe nicht für die Kids gedacht sein, die sich parallel zu ihrem Deutschunterricht in die neue Rechtschreibung einfuchsen? Dazu gehört doch auch die neue Groß-/Kleinschreibung!? Und wie sollen die Kids blicken, dass nach langem Vokal ein 'ß' steht, wenn im "TuS" überall Doppel-'S' vorkommen? Chance vertan.
Interessant ist in No.1 'Tim im Kongo' (Original von 1930!) die geänderte Wortwahl beim Umgang mit den Afrikanern. Hieß es in der alten Ausgabe noch 'Jawohl, Massa!', so steht da jetzt 'Gut, Massa!'. An anderer Stelle wurde aus 'Herr! Nicht gehen ins Wasser.' jetzt 'Du nicht gehen ins Wasser.' Diese 'Entschärfung' des Umgangs des europäischen Herrenmenschen mit dem afrikanischen 'Wilden' mag einerseits zu begrüßen sein, aber eigentlich gehört dieses Beispiel für latenten Rassismus von 1930 ohnehin in den Sozialkunde- oder Geschichtsunterricht. Und dafür wäre die alte Übersetzung die bessere.
Während Band 2 'Tim in Amerika' (Original von 1932) auch noch mit der Kneifzange anzufassen ist, kommt der "TuS"-Dampfer dann aber mit Band 3 'Die Zigarren des Pharaos' und dem Auftauchen von Rastapopoulos und den Detektiven Schulze und Schultze in Fahrt. Die herrlichen großen Panels von S. 8 und 28 (Tim in Schanghai), S. 47 (Schulze und Schultze in chinesischer 'Verkleidung' vor lachender Menge) und S. 61 (Tim hinter Vorhang vom Blauen Lotos) sind klassische Perlen und kommen auf dem feinen Papier gut gedruckt prima zur Geltung! Schön. (ad)
Tim im Kongo, Tim in Amerika, Die Zigarren des Pharaos, Der blaue Lotos
1. völlig neu überarbeitete und rechtschreib-reformierte Auflage.
Text und Zeichnungen: Hergé
Je 64 Seiten, Softcover
Carlsen Verlag, 16.90 DM
November 1997
(c) der Abb.: Carlsen und Hergé
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