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geschrieben von Maqz am
Mittwoch, 20. August 2025
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Comicaze, Lurchi, Rockband...
Jan Reiser war und ist für mich seit Jahrzehnten ein wichtiger Teil der Münchner Comicszene. Immer wieder auffällig im kostenlos erhältlichen Comicaze-Magazin, aber auch mit Titel wie “De Gschicht vom Brandner Kasper“ aus der „Süddeutsche Zeitung für Kinder“ oder in Sammelbänden wie „Karl Valentin – Sein ganzes Leben in einem Comic“.
Was ich nicht wusste, waren seine (extrem) umfangreichen Arbeiten für Cartoonbücher, die vielen Titelbilder und Innenteilillustrationen für Bücher und Hörspiele, uvm... . Zum Comicfestival München 2025 hatte ich dann seine Ausstellung zu Salamanders „Lurchi“ in den Händen. Ich war erstaunt, dass er die Serie, die meine Comic-Kindheit mitgeprägt hatte seit 2021 gestaltete und hatte da ein paar Fragen. Hier seine Antworten.

ComicRadioShow: Hallo Jan, wie ist es dazu gekommen, dass du für diese Kultfigur Lurchi die neuen Geschichten schreiben und zeichnen konntest/durftest/musstest?
Jan Reiser: Es war zunächst einmal eine traurige Begebenheit, die letztlich dazu geführt hat, dass die Serie von mir übernommen wurde. 2021 starb sehr unerwartet Dietwald Doblies mit (ich glaube) nur 58 Jahren. Die Serie sollte aber weitergeführt werden, und so begann seitens Salamander die Suche nach einem Nachfolger. Ich war neben einigen geschätzten Kollegen im Rennen. Einer davon – Zapf – hat mich sogar ins Gespräch gebracht, wofür ich ihm sehr dankbar bin, und was für den kollegialen Umgang in der deutschen Comic-Szene spricht. Wie genau das gelaufen ist, kann ich aber nicht sagen. Letzten Endes hatte ich ein Gespräch mit dem Head of Sales von Salamander und machte einige Probeillustrationen, und das hat dann den Ausschlag gegeben.
Mehr Infos zu Lurchi auch hier: https://www.lurchi.info/
CRS:Wiegt die lange Geschichte hinter der Serie schwer auf deinen Schultern? Schließlich begleitet Lurchi Generationen von kleinen Schuhkäufern ;-). Gibt es eventuell von Salamander Vorgaben einerseits die Tradition zu bewahren und andererseits neue Impulse einzubringen?
JR: Bei besagtem Gespräch mit Salamander waren wir uns schnell einig, dass die Serie weiterhin eine Serie für Kinder bleiben soll, damit sie auch den Zweck eines Werbeheftes für diese Zielgruppe erfüllt. Insofern lag mein Fokus eher darauf, etwas Neues und Frisches zu erschaffen. Dass es eine große und treue Fangemeinde gibt, die sich auch kanonisch gut auskennt und Veränderungen möglicherweise auch mit Argusaugen verfolgt, war mir damals ehrlich gesagt gar nicht bewusst. Ich bin also etwas blauäugig an die Sache herangegangen. Aber bisher sind keine Beschwerden gekommen und meine Hefte wurden auch von den eingefleischten Fans gut aufgenommen.
CRS: Wirst Du viel mehr von Kindern oder mehr von Erwachsenen auf deine Arbeit für Lurchi angesprochen? Und beeinflusst das deine Konzeption der neuen Geschichten?
JR: Ich denke, Kinder konsumieren die Hefte einfach, ohne sich Gedanken zu machen, wie sie entstehen und wer dahintersteckt. Meine beiden Kinder geben mir immer Feedback, ob ihnen eine Geschichte gefällt oder nicht, und ich bekomme Feedback von Freunden, deren Kinder die Hefte lesen. Ich habe aber das Gefühl, dass die richtigen Lurchi-Fans eher Erwachsene sind, für die die Serie einen nostalgischen Wert hat. Da spielt vielleicht auch mit rein, dass es früher einfach weniger Medien für Kinder gab, und „Lurchi“ allein deshalb schon etwas besonderes war. Ich mache aber die Hefte weiterhin für Kinder. Das funktioniert auch mit den Figuren am besten.
CRS: Salamander macht ja auch Schuhe für Erwachsene. Bekommst Du welche als Zusatzprämie für deine gute Arbeit? :-)
JR: Haha! Inzwischen ist „Lurchi-Schuhe“ eine eigenständige Marke ausschließlich für Kinderschuhe und gehört nicht mehr zu Salamander sondern zu Supremo Shoes & Boots GmbH. Ich muss mir meine Schuhe also weiterhin selbst kaufen.
CRS: Nun ist das Lurchi-Oeuvre ja ziemlich umfangreich. Hattest Du
dich in die alten Geschichten eingelesen, damit du Dopplungen vermeiden konntest? Oder hast Du (quasi wie Don Rosa bei Carl Barks) Geschichten der alten AutorInnen nachzeichnen können? (PS: Hast Du eine Lurchi-Lieblingsgeschichte?
JR: Ich habe mir die diversen Sammelbände bei Esslinger angeschaut, um keine Geschichte doppelt zu erzählen. Trotzdem habe ich mich ganz bewusst über einige Dinge hinweggesetzt. Als ich Trine wieder eingeführt habe (Heft 170), habe ich z.B. unterschlagen, dass sie laut einer früheren Geschichte eigentlich zwei Kinder haben sollte. Ich wollte eine starke Frauenfigur in der Truppe haben, die nicht wieder in die klassische Mutterrolle fällt.
Ich kann nicht sagen, dass ich eine Lieblingsgeschichte habe, aber mir gefallen die Hefte von Peter Krisp und Dieter Doblies zeichnerisch am besten, weil sie einen stärkeren Comic-Touch haben als die frühen von Heinz Schubel.
CRS: Wo kann man heute deine Lurchi Geschichten überhaupt bekommen? In den wenigen Salamander-Filialen, die es noch gibt?
JR: Wie ich schon gesagt habe, hat sich Salamander von der Marke „Lurchi-Schuhe“ getrennt. Es gibt die Hefte im gut sortierten Kinderschuhhandel, der „Lurchi“ führt. Das ist von Region zu Region unterschiedlich. Digital findet man die Hefte immer auf https://www.lurchi.de/
CRS: Nun kann man (gottseidank) deine Werke auch Online bewundern unter https://www.lurchis-welt.de/#lurchi-hefte . Hier fällt dem (alten) Fan auf, dass Lurchi doch sehr modern (und einfach etwas anders) aussieht. Musst du hier oft den neuen Style erklären?
JR: Ich musste mich bisher nicht wirklich dafür rechtfertigen, nein. Wen es interessiert, dem erzähle ich natürlich gerne, dass ich zu Beginn Schwierigkeiten mit Lurchis Mimik hatte, weil ein Auge immer vom Betrachter wegschaut. Beide Augen nach vorne zu holen ist die größte Veränderung, die ich vorgenommen habe. Unter Dieter Doblies haben die Figuren bereits Kleidung bekommen und der Zwerg Piping wurde verjüngt, Emily als weibliche Ergänzung des Teams kam auch schon vor mir dazu und der Stil wurde schon zu Piiiets Zeiten viel moderner. Was man sonst an stilistischen Unterschieden zu meinen Vorgängern sieht, ist einfach meine Art zu zeichnen und zu kolorieren.
CRS: Ok, Lurchi hin oder her, es gibt ja auch noch was anderes als Kinderschuhe zu verkaufen. Ich hatte noch eine Arbeit von dir auf der „Demokratie verteidigen“-Ausstellung des Comicfestivals im Motorama gesehen. Wie ist es dazu gekommen?
JR: Die Zeichnung hatte ich bereits einige Monate zuvor am Vorabend der Neuwahlen in meinen Sozialen Medien veröffentlicht. (Instagram @janreiser_art) Nachdem ich mich sonst politisch eher bedeckt halte, fühlte ich mich verpflichtet, auch einmal Stellung zu beziehen. Da sich nach der Wahl am Erstarken der AfD nichts geändert hatte, war der Cartoon auch noch aktuell, als die Anfrage kam, ob ich etwas zur Ausstellung „Demokratie verteidigen“ beisteuern möchte.
CRS: Muss man als Künstler seine eigene Zeichnung erklären? Und wenn ja, wie?
JR: Keine Ahnung! Muss ich? Es würde nicht für die Zeichnung sprechen, wenn man sie erklären müsste.
CRS: Wäre die tägliche politische Karikatur (z.B. für Tageszeitungen wie die SZ) etwas für dich?
JR: Es gab immer mal wieder vorsichtige Anläufe, die aber im Sand verliefen. Hin und wieder vertrete ich meinen Vater bei seinen wöchentlichen Cartoons im Tölzer Kurier. Das sind dann aber selten große politische Themen. Ich bin sehr zurückhaltend mit meiner eigenen Meinung und deshalb vielleicht nicht die richtige Persönlichkeit für politische Karikaturen.
CRS: Was ist dein aktuelles Comic-Projekt?
JR: Außer Lurchi habe ich derzeit keine Comics in der Mache. Ich habe Heft 173 bereits abgeschlossen. Es erscheint im September. Dann steht im Oktober bereits wieder Heft 174 an. Anfang des Jahres habe ich zusammen mit Christine Zierer das Bilderbuch „Der kleine Seegeist“ gemacht. Ansonsten mache ich gewerbliche Illustrationen für die unterschiedlichsten Kunden.
CRS: Was wäre dein Wunsch-Comic-Projekt?
JR: Ich spiele in meiner Freizeit viel Musik, singe und schreibe Songs. Damit habe ich eine künstlerische Ausdrucksform gefunden, die mich sehr inspiriert, mich dem Alltag entreißt, mich aber gleichzeitig auch etwas ablenkt von eigenen zeichnerischen Projekten.
Zu Beginn meiner Tätigkeit habe ich die Leidenschaft für Musik mit der Leidenschaft für Comics verbunden. So entstand „Sticks & Fingers – Basement Blues“ ich werde immer wieder gefragt, ob es irgendwann eine Fortsetzung gibt. Man muss ehrlicherweise zugeben, dass das Heft finanziell ein Flop war. Konzeptionell war es als Serie angelegt. Aber die Nachfrage war zu gering, um damit weiterzumachen.
Wenn es darum geht, Träume zu verwirklichen, denke ich eher an eine neue Platte mit meiner Band (@the_jan_solo_project). Ansonsten sehe ich zu, dass ich neben den rein kommerziellen Projekten genug Kinderbücher und Projekte an Land ziehe, in denen meine künstlerische Stimme ausreichend zum Tragen kommt. Lurchi ist insofern ein „Lottogewinn“, weil der Job die Familie ernährt und mir gleichzeitig die Möglichkeit gibt, coole Comics zu zeichnen – ohne dass ich gleich ein volles Jahr oder länger damit verheiratet bin.
CRS: Unter den vielen, vielen Arbeiten, die Du gemacht hast: Welches würdest Du warum am liebsten fortsetzen?
JR:Sticks and Fingers natürlich (siehe oben!) weil da viel meiner Persönlichkeit drinsteckt – aber nicht um jeden Preis.
Ich würde aber auch gerne wieder einmal ein ähnliches Buch wie „Der Kleine Lord“ machen. (Knesebeck, 2019) Ich hatte sehr viel Spaß dabei, die historischen Settings und Kostüme zu recherchieren, die Zeichnungen waren locker und die Kolorierung malerischer und atmosphärischer als bei meinen Comics.
CRS:Nur mal so nebenbei: Ist ein Kooperations-Projekt mit deinem Vater für dich (und ihn) denkbar?
JR: Das wäre für uns beide denkbar. Es würde davon abhängen, wie inspirierend das Projekt ist, und wie sehr wir beide unsere Stärken ausspielen könnten. Einstweilen läuft es wieder einmal auf die Musik hinaus. Wir haben eine gemeinsame Band. Ohne große Ambitionen allerdings. Aber das ist vermutlich das Schöne daran.
CRS: Lieber Jan, vielen Dank für deine Antworten. :-))
JR: Sehr gerne!
(c)opyright der Lurchi-Abbildungen, mit freundlicher Genehmigung: (C) Supremo Shoes & Boots GmbH
(c)opyright Abbildung Der kleine Lord, mit freundlicher Genehmigung: Copyright 2019, Knesebeck Verlag
(c)opyright der übrigen Abbildungen, mit freundlicher Genehmigung: Jan Reiser 2025
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