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geschrieben von Maqz am
Dienstag, 10. Oktober 2017
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Comiczeichner mit ganz persönlichen Themen
Mit "Dich hatte ich mir ganz anders vorgestellt" (dt. beim Avant Verlag erschienen) landete der französische Comiczeichner Fabien Toulmé 2015 eine Überraschungserfolg in seinem Heimatland. Seine autobiografische Graphic Novel über seine Tochter Julia, bei der der Gendefekt Trisomie 21 und ein damit einhergehender Herzfehler festgestellt wurde, leistet einen eindrucksvollen Beitrag zur Debatte über Inklusion. In seinem neuen Werk "Die zwei Leben von Balduin" bietet er dem Leser nun auf 272 Seien eine "Reflexion über den Sinn des Lebens – kurz gesagt eine Graphic Novel mit großen Gefühlen". Fabien Toulmé wird im Rahmen der Veranstaltung „Francfort en français / Frankfurt auf Französisch“ persönlich vor Ort sein. Wir haben ihn zuvor kurz interviewt.
Fragen und Antworten gibt es auf deutsch und französisch.
ComicRadioShow: Hallo Fabien Toulmé, ich hatte das Glück, Ihre erste Graphic Novel zu lesen und (als Vater von zwei Töchtern) war ich sehr berührt von Ihrer Geschichte. Was interessiert ihre Fans am meisten, wenn Sie sie auf ihr Erstlingswerk ansprechen?
Bonjour Fabien Toulmé, j’ai eu la chance de lire votre première BD, et, en tant que père de deux petites filles, j’ai été très touché par votre histoire. Qu’est-ce qui intéresse le plus vos fans, lorsque vous parlez de votre première œuvre ?
C’est une très bonne question, il faudrait demander aux lecteurs plutôt qu’à moi! C’est une histoire très personnelle, qui aborde une problématique dont on parle peu dans la littérature. J’ai été complètement honnête sur les sentiments traversés lors de cette période de ma vie, je n’ai pas essayé de me faire passer pour un papa super héros ! Je pense que c’est cette sincérité dans une histoire vraie qui touche les lecteurs.
Das ist eine sehr gute Frage, die man wahrscheinlich eher den Lesern stellen sollte! Es ist eine sehr persönliche Geschichte, und das Thema wird in der Literatur nicht sehr oft behandelt. Ich habe ganz offen über das gesprochen, was ich während dieser Periode meines Lebens erlebt und gefühlt habe. Dabei habe ich nicht versucht, mich als Super-Papa auszugeben! Ich denke, dass es vielleicht gerade diese Aufrichtigkeit im Erzählen einer wahren Geschichte ist, die die Leser berührt.
CRS: Hatten Sie den Eindruck, dass "Dich hatte ich mir ganz anders vorgestellt..." einen gewissen Einfluss auf die Inklusions-Debatte in Frankreich hatte und noch hat?
CRS: Avez-vous l’impression que « Ce n’est pas toi que j’attendais » a exercé et exerce encore une influence sur le débat de l’intégration des enfants handicapés en France ?
Je pense que ce serait accorder trop d’importance à mon livre! Il s’agit de questions d’ordre public, à l’échelle de l’Etat, je ne pense pas que mon livre ait pu influencer ce débat. Peut être qu’à une échelle plus microscopique, la part des lecteurs qui ont lu le livre et qui n’étaient pas déjà sensibilisés à ces questions ont été amené à y réfléchir. On me pose souvent cette question dans les conférences, mais je ne suis pas un spécialiste der Inklusions-Debatte, seulement de ma fille et de ce que la trisomie 21 signifie pour elle. Je pense que de nombreux progrès ont été réalisés, et qu’il reste encore beaucoup à faire !
Ich denke, das wäre eine Überbewertung des Einflusses meines Buches! Bei der Inklusionsdebatte geht es um öffentliche Fragen. Ich denke nicht, dass mein Buch so einflussreich ist! Auf einer kleineren Ebene mag es einige Leser, die sich mit diesen Fragen noch nicht auseinandergesetzt hatten, für das Thema sensibilisiert haben. Man stellt mir diese Frage oft bei den Konferenzen. Ich bin aber kein Experte der Inklusionsfragen. Ich kenne nur die Geschichte meiner Tochter und weiß, was die Trisomie 21 für sie bedeutet. Ich denke, dass schon zahlreiche Fortschritte gemacht wurden. Es gibt aber noch viel zu tun!
CRS: Wie viel können Sie nach so einer persönlichen Veröffentlichung Ihres Privatlebens noch von sich preisgeben und wie biografisch ist ihr neues Werk "Die zwei Leben von Balduin"?
CRS: Après une exposition si personnelle de votre vie privée, combien êtes vous encore prêt à révéler de vous, et dans quelle mesure votre nouvelle œuvre « Deux vies de Baudouin » est-elle autobiographique ?
Normalement je n’aime pas beaucoup parler de moi et de ma vie. Au début je voulais raconter cette histoire sous la forme d’une fiction, mais finalement j’ai choisi de le faire de mon point de vue, cela donne plus de force au récit, c’est plus réel. Je voulais montrer que des parents peuvent réagir comme ça face à cette situation. C’était une expérience unique sur ma vie privée, je ne pense pas que cela se reproduira.
Mon nouveau livre raconte l’histoire d’un jeune homme qui s’est lancé dans une vie qui ne lui correspond pas. C’est une problématique qui me concerne, le choix de vie. Pourquoi on choisit de faire quelque chose qui ne nous plait pas alors qu’il serait tellement « facile » de faire ce qu’on a envie de faire ? J’ai été ingénieur pendant plusieurs années avant de décider de faire de la BD. J’aurais pu parler de cette problématique sous l’angle de l’autobiographie mais je n’avais pas envie de parler de moi, je voulais faire une fiction.
Normalerweise spreche ich nicht so gern über mich und über mein Leben. Am Anfang wollte ich diese Geschichte als Fiktion erzählen. Doch schließlich habe mich entschieden, es aus meinem Blickwinkel zu schreiben. Ich denke, so ist die Wirkung größer und es ist realistischer. Ich wollte zeigen, wie Eltern in solch einer Situation reagieren können. Das war wirklich eine einzigartige Erfahrung, die ich so sicherlich nicht noch einmal erleben werde.
Mein neues Buch erzählt die Geschichte eines jungen Mannes, der sich ein Leben aufgebaut hat, das nicht zu ihm passt. Das ist ein Thema, das mich beschäftigt. Warum entscheidet man sich, etwas zu tun, was man nicht gerne tut, obwohl es eigentlich so "leicht" wäre, das zu tun, wozu man Lust hat? Ich habe einige Jahre als Ingenieur gearbeitet, bevor ich beschlossen habe, Comic-Zeichner zu werden. Ich hätte diese Geschichte auch in der Form einer Autobiographie erzählen können, aber ich hatte keine Lust, über mich zu sprechen, ich wollte eine fiktive Geschichte erzählen.
CRS: Welche Intention steckt hinter dem Comiczeichnen bei Ihnen. Mehr ein Beruf oder eine Therapie?
CRS: Quelle intention se cache derrière la bande dessinée pour vous ? Est-ce plutôt un travail ou une thérapie ?
Je veux raconter des histoires par le biais de l’image, j’ai envie de créer des personnages, des situations, et de les transmettre à des gens. Une thérapie impliquerait que je veuille me soigner de quelque chose ou que j’ai un problème à résoudre, ça n’est pas le cas. Depuis très jeune j’ai envie de raconter des histoires, ça s’est matérialisé sous la forme de bandes-dessinées, avec des copains, avec ma sœur, jusqu’à ce que ça devienne un métier, un travail, une passion.
Ich will mithilfe von Bildern Geschichten erzählen. Ich habe Lust, Figuren, Situationen zu schaffen und diese mit anderen Menschen zu teilen. Therapie würde bedeuten, dass ich mich von etwas heilen möchte oder es ein Problem zu lösen gibt. Das ist nicht der Fall! Ich habe schon als Kind gerne Geschichten erzählt. Diese Lust habe ich dann mit Freunden und mit meiner Schwester durch Comics zum Ausdruck gebracht. Bis das Comiczeichnen schließlich mein Beruf, meine Leidenschaft geworden ist.
CRS: Wie kam die Zusammenarbeit mit dem deutschen Avant-Verlag zustande?
CRS: Comment êtes vous parvenu à une coopération avec l’édition allemande Avant-Verlag ?
Avant-Verlag a contacté mon éditeur français pour acquérir les droits de mon premier livre, qui a été traduit en allemand. Je n’étais pas dans les coulisses de la discussion mais je crois que le livre a été bien reçu en Allemagne, du coup la coopération s’est renouvelée pour mon deuxième livre.
Der avant-verlag hat meinen französischen Verleger kontaktiert, um die Rechte an meinem ersten Buch zu erwerben, das ins Deutsche übersetzt wurde. Ich war nicht direkt an den Gesprächen beteiligt, aber ich glaube, dass das Buch in Deutschland gut aufgenommen wurde. So wurde diese Zusammenarbeit auch für mein zweites Buch fortgesetzt!
Aus "Die zwei Leben von Balduin"
CRS: Was erwarten Sie von Ihrem Besuch in Frankfurt und wie bewerten Sie die Veranstaltung „Francfort en français / Frankfurt auf Französisch“?
CRS: Qu’attendez-vous de votre visite à Francfort et que pensez vous de l’événement „Francfort en français / Frankfurt auf Französisch“ ?
Quand on est auteur de BD on passe la majeure partie de son temps seul, assis à un bureau à répondre à des questions ! Un festival ouvre aux autres, à ce qui se passe ailleurs en terme d’édition, de lectorat, c’est toujours très sympathique et enrichissant de rencontrer des auteurs et des lecteurs. Le salon de francfort est un très gros salon, j’y suis déjà allé il y a deux ans, et j’ai vu l’importance de l’événement. Je suis ravi de voir que la France est invitée d’honneur cette année !
Als Comic-Zeichner verbringt man die meiste Zeit alleine am Schreibtisch, deshalb freue ich mich auf Frankfurt! Ein Festival ist immer ein sehr offener Ort. Man erfährt, was es Neues gibt in der Verlagsszene, und es ist sympathisch und bereichernd, andere Autoren zu treffen und sich mit den Lesern auszutauschen. Die Frankfurter Buchmesse ist ein sehr großes Ereignis, ich war vor zwei Jahren schon einmal dort. Ich freue mich sehr, dass Frankreich dieses Jahr Ehrengast ist!
"Der Geist Marcel Pagnols" von Fabien Toulmé. Seine Hommage zu Ehren eines französchsprachigen literarischen Werkes. Für den gesamten Comic, auf das Bild klicken.
CRS: Wie sehen Sie die Unterschiede in der deutschen und französischen Comicszene? Gibt es fruchtbare Berührungspunkte oder leben die Szenen in zwei unterschiedlichen Welten?
CRS: Quelles différences voyez vous entre les bandes-dessinées allemandes et françaises ? Y a-t-il selon vous des points de convergence ou s’agit-il de deux mondes complètement différents ?
Je connais peu de BDs allemandes, l’une des seules que j’ai lu est «Heute ist der letzte Tag vom Rest deines Lebens » de Ulli Lust, j’ai adoré. Je ne pense pas qu’il y ait des différences, c’est un média qui est le même quelque soit le pays, qui permet de raconter des choses avec des images. Bien sûr les histoires sont toujours teintées de la culture de l’auteur.
Ich kenne wenige deutsche Comics. Einer der Wenigen, die ich gelesen habe, ist „Heute ist der letzte Tag vom Rest deines Lebens“ von Ulli Lust. Und ich mochte ihn sehr! Ich denke nicht, dass es da Unterschiede gibt. Das Medium bleibt dasselbe, egal welches Land: Wir erzählen Dinge mit Bildern. Die Geschichten sind allerdings immer mit der Kultur des Autors gefärbt.
CRS: Welche Ratschläge können Sie angehenden Comiczeichnern geben, wenn sie auch etwas sehr persönliches als Graphic Novel veröffentlichen möchten?
CRS: Quels conseils donneriez-vous aux dessinateurs de BDs en devenir qui voudraient également publier une histoire très personnelle ?
Il faut être sincère et honnête, ne pas jouer un rôle, sinon l’histoire ne sera pas touchante.
Man muss aufrichtig und ehrlich sein und nicht versuchen, eine Rolle zu spielen, sonst wird die Geschichte niemanden rühren.
CRS: Verstehen sie Menschen, die keine Comic lesen wollen (oder können)?
CRS: Comprenez-vous les personnes qui ne veulent pas lire de BDs, trouvent la bande-dessinée inférieure aux romans ?
Pendant de nombreuses années la bande-dessinée était connotée très négativement, dans certaines familles les bandes-dessinées étaient interdites. Quand on grandit dans ce milieu on a une mauvaise image de la bd. Je pense que les choses ont changé. Le roman et la bd sont deux choses différentes, comme musique et sculpture, on ne peut pas les comparer. Chacun son univers. Récemment à l’occasion d’une conférence j’ai rencontré une dame âgée de 80ans qui avait été élevée avec une image négative de la BD. Elle a lu mon livre et m’a dit que si elle avait su, elle se serait mise plus tôt aux bandes-dessinées ! Oui la bd est un divertissement mais comme la littérature, pour mois le but reste de passer un bon moment.
Über viele Jahre war der Comic sehr negativ konnotiert. In einigen Familien waren Comics sogar verboten. Wenn man in solch einer Umgebung aufwächst, hat man ein schlechtes Bild von Comics. Aber ich denke, da hat sich einiges verändert. Romane und Comics sind zwei unterschiedliche Dinge, wie Musik und Bildhauerei, die man nicht vergleichen kann. Völlig unterschiedliche Welten! Kürzlich habe ich bei einer Konferenz eine 80-jährige Dame getroffen, die mit diesem negativen Comic-Image aufgewachsen ist. Sie hat mein Buch gelesen und mir gesagt: „Wenn ich das gewusst hätte, hätte ich viel früher mit Comics angefangen!“. Also ja der Comic ist eine Unterhaltung, aber die Literatur auch, für mich bleibt das Ziel, eine gute Zeit zu verbringen.
CRS: Warum ist es für Sie so wichtig Comics zu zeichnen (und zu lesen?) und wer sollte Ihre Comics lesen?
CRS: Pourquoi est-ce si important pour vous de dessiner et de lire des BDs ? Qui devrait lire vos BDs ?
Ce n’est pas important au sens vital, ça découle surtout d’une notion de plaisir, ça a commencé avec un plaisir d’enfant, en lisant les BDs j’investissais vraiment l’univers, j’étais tintin ! De ce plaisir d’investir des mondes imaginaires a découlé l’envie de faire des BDs de façon amateur. Devenant adulte la passion est restée, j’y prends d’autant plus de plaisir que c’est un métier qui me plait. La BD est un domaine où l’on a extrêmement de liberté, on peut travailler où on veut, quand on veut, sur les thèmes que l’on veut. Liberté totale !
Ceux qui ont envie de les lire ! On rejoint la notion de plaisir, des gens qui ont envie de découvrir ce que j’écris, qui y prennent plaisir. Certaines BDs me laissent plus indifférent que d’autre, chacun a ses goûts, donc qui veut et qui a envie.
Das Comic-Zeichnen ist für mich natürlich nicht lebensnotwendig, aber es ist einfach eine große Freude. Das begann schon als Kind, ich bin damals wirklich voll in diese Comic-Welten eingetaucht! Aus diesem Vergnügen, mir Fantasiewelten auszumalen, ist die Lust entstanden, Comics zu zeichnen. Diese Leidenschaft ist mir bis heute geblieben, vor allem, weil ich sie zu meinem Beruf machen konnte. Die Comics bieten sehr viel Freiheit. Man kann arbeiten, wo man möchte, wann und woran man möchte…Totale Freiheit!
Meine Comics sollten all diejenigen lesen, die Lust darauf haben! Hier sind wir wieder beim Thema Vergnügen. Wer Lust darauf hat, zu entdecken, was ich schreibe, kann auch Spaß daran haben. Manche Comics berühren mich weniger als andere. Jedem sein Geschmack. Nur die Lust muss immer da sein!
CRS: Werden Sie in Frankfurt auch signieren?
CRS: Dédicacerez-vous également vos oeuvres à Francfort ?
Je ne sais pas vraiment ce qui est prévu mais je pense que oui. Si c’est le cas ce sera au stand d’Avant-Verlag mais je ne connais pas encore le programme ! Je dessinerai également un peu partout dans le salon dans le cadre du projet Ping Pong, n’hésitez pas à venir discutez avec moi si vous me voyez, et à m’offrir une bière !
Ich weiß nicht wirklich, was vorgesehen ist aber ich denke, ja! Wenn das der Fall ist, wird das am Stand des Avant-Verlags stattfinden, aber ich kenne das Programm noch nicht! Ich werde auch überall in der Messe im Rahmen des Ping Pong-Projektes zeichnen. Falls Sie mich sehen, zögern Sie nicht, mich anzusprechen und mir ein Bier anzubieten!
CRS: Lieber Fabien Toulmé, vielen Dank für das Gespräch!
CRS: Cher Fabien Toulmé, merci infiniment pour cet entretien !
Merci beaucoup pour vos questions!
Vielen Dank für dieses Interview!
Für mehr Information zu französischen Comic-Künstler auf der Frankfurter Buchmesse: Einfach dem Link folgen!
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