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geschrieben von Maqz am
Dienstag, 06. Dezember 2016
(3182 Aufrufe)
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Das große Lucky Luke Jubiläum am 7. Dezember 2016!
PRESSEMELDUNG Berlin, 6. Dezember 2016 – Lucky Luke, Beschützer hilfsbedürftiger Ladys,
Schrecken aller Viehdiebe und Falschspieler, siegreich in zahllosen Duellen und
Mustercowboy, der die gefährlichsten Banditen in die Knie zwingt, feiert am 7.
Dezember 2016 ein rundes Jubiläum. Seit 70 Jahren sorgt Lucky Luke
gemeinsam mit seinem Pferd Jolly Jumper und dem nicht besonders wachsamen
Wachhund Rantanplan für Recht und Ordnung im Wilden Westen.
Anlässlich des Lucky Luke-Jubiläums sind bei der Egmont Comic Collection/Egmont Ehapa
Media das ganze Jahr über zahlreiche Sondereditionen erschienen: Lucky Luke - Band
94: Martha Pfahl von Achdé, der Hommageband „Der Mann, der Lucky Luke
erschoss“ von Matthieu Bonhomme, das Lucky Luke Artbook „Auf den Spuren von
Lucky Luke“ und die vier limitierten Daltons-Alben mit Sondercovern. Den krönenden
Abschluss bildete die Nostalgie-Edition Lucky Luke Band 1-14 mit den Retro-Covern
in der Optik der Koralle-Alben. Alle Bände sind im Handel und im Ehapa Shop erhältlich.
Interviews mit Achdé und Matthieu Bonhomme
Interview Achdé
1. Der erste Comic, den Sie als Kind gekauft haben, war „Lucky Luke gegen Phil Steel“. Was hat
sie daran besonders angesprochen?
Achdé: Ich war wir alle kleinen Jungs in dem Alter in den 60ern – ich bin ja nicht mehr der
Jüngste. Anfang der 60er mochten kleine Jungs Cowboys, sie mochten Ritter, und mehr gab
es nicht. Damals gab es noch keine Superhelden, die existierten noch nicht. Es gab keinen
Superman, keinen Batman, also alles, was auf „man“ endet oder auch auf „woman“, das gab
es noch nicht. Also mochte man entweder Cowboys oder Ritter. Manche waren Fans von
Ivanhoé, andere mochten natürlich lieber Western und so. Es gab ein paar originelle Typen,
die so dazwischen waren und Zorro mochten. Das war alles ein bisschen dasselbe. Das
mochte ich, und deshalb war Lucky Luke der ideale Comic für mich.
2. Im ersten Lucky-Luke-Album, das Sie mit Laurent Gerra gemacht haben, taucht der
siebenschüssige Colt aus „Lucky Luke gegen Phil Steel“ wieder auf. Hat sie das als Kind
besonders beeindruckt?
Achdé: Ja, schon, denn das ist ja etwas sehr Charakteristisches, Lucky Lukes
siebenschüssiger Colt ist ja sehr typisch für die Serie, die zum einen eine Hommage an den
Western und zum anderen ein bisschen verrückt, aber auch sehr witzig ist. Der
siebenschüssige Colt ist eine geniale Idee. Man erwartet, dass Lucky Lukes Revolver leer ist,
aber er hat eben sieben Schuss und ist damit quasi ein früher Superman. Das ist meine
Hommage. Ich als Autor mag gern in jedem Band an eine bestimmte Sache erinnern. Das
mache ich immer, egal, mit welchem Szenaristen ich zusammenarbeite. Ich greife immer gern
ein kleines historisches Detail der Serie auf – sie wird immerhin bald 70 Jahre alt, im Oktober
genau genommen.
3. Ihre erste Zeichnung wurde in einem Fanzine veröffentlicht, da waren Sie 12 Jahre alt. Sie
wussten schon sehr früh, dass Sie Comicautor werden wollten. Sie haben dann aber zunächst
einen anderen Beruf gewählt, haben aber immer auch gezeichnet. Warum ist das Zeichnen
für Sie so wichtig?
Achdé: Ich hätte am liebsten nie etwas anderen getan! Aber es gab da einen wichtigen Faktor,
der hieß „Mammi“. Für meine Mutter war das Zeichnen keine vernünftige Tätigkeit, daher
musste ich mir etwas anderes suchen. Tief in mir drin wusste ich, dass ich unbedingt zeichnen
wollte. Am Anfang war das aber auch schwierig, weil es sehr lange nicht als wirklicher Beruf
angesehen wurde. Es schien für viele Leute, kein Beruf zu sein. Und erst recht nicht für meine
Eltern. Und es hatte so etwas von Subkultur. Es war nicht hoch angesehen. Ich erzähle immer
gern eine Anekdote, die sich tatsächlich so zugetragen hat: Als ich klein war, im Kindergarten,
also wirklich noch sehr klein, wurde ich so wie die anderen Kinder auch gefragt: „Was willst
Du später mal werden?“ Manche sagten Feuerwehrmann, Polizist, Tierarzt, Arzt. Und ich: „Ich
will Lucky Luke zeichnen.“ Das war natürlich Quatsch. Ich sagte das, weil das eben mein
Lieblingscomic war. Genauso gut hätte ich sagen können, ich will Asterix zeichnen, und ich
hab es wahrscheinlich auch gesagt, nachdem man mir gesagt hat: „Lucky Luke kannst Du
nicht zeichnen, das macht schon jemand anderes.“ „Na gut, dann mach ich eben Asterix.“ Als
ich in den 80er Jahren angefangen habe, fragten mich die Journalisten in Interviews: „Und
was machen Sie noch, außer Comics?“ Also selbst für sie war das kein Beruf, man hatte
daneben noch einen anderen Beruf. Ich komme aus einer Familie, die damals nicht viel Geld
hatte. Wir waren eher unfreiwillig von Marokko nach Frankreich zurückgekehrt, so wie viele
andere auch, als Marokko unabhängig wurde. Wir hatten nicht viel Geld, Stift und Papier
waren eine günstige Möglichkeit, die Kinder zu beschäftigen. Ich war der Jüngste, das heißt
ich erbte alles. Das war schön, ich erbte die Spirou-Comics von meinen Brüdern, aber ich
erbte auch die Hosen mit Löchern, die abgewetzten Pullover und die ollen Schuhe – aber gut,
das war halt so. Das Zeichnen war für mich ein Mittel, um einem Alltag zu entfliehen, der nicht
immer schön war. Eine Zeit lang lebten wir in einer ZUP, so nennt man das in Frankreich, eine
Siedlung mit Hochhäusern, ohne Seele, in der die Leute zusammengepfercht werden. In dem
Fall waren das die Rückkehrer aus den Kolonien, die alle wenig Geld hatten. Das Zeichnen
war die beste Möglichkeit, dem zu entkommen. Wenn man zeichnet oder auch Musik hört,
vergisst mal alles andere. Seltsamerweise kam ich doch erst als Erwachsener dazu. Ich
arbeitete damals im medizinischen Bereich, und das hätte ich gut weitermachen können, denn
ich verdiente damit viel Geld, das wäre kein Problem gewesen. Letztendlich war es meine
Frau, die mir praktisch einen Anschubser gab und sagte: „Wenn es das ist, was Du tun willst,
dann probier es aus, Du hast nichts zu verlieren.“ Und so hat es angefangen.
3a. Und es hat geklappt.
Achdé: Ja, aber es hat eine Weile gedauert. Ich hatte 6 harte Jahre, in denen es wirklich nicht
immer einfach war. Damals sagte ich: „Ich bin aus dem medizinischen Bereich ausgestiegen
und habe beschlossen, arm zu werden.“ Und so hat alles angefangen. Aber ich bereue nichts.
Ich denke, ich habe studiert, um meinen Eltern einen Gefallen zu tun, das hat mich Zeit
gekostet.
4. Wenn eine Ikone des Comics – wie zum Beispiel im Falle von Asterix – von einem neuen
Zeichner übernommen wird, erwarten alle, dass es keinen Bruch gibt. Als Sie Lucky Luke
übernommen haben, war es für Sie schwierig, sich diesen Stil anzueignen?
Achdé: Was Sie sagen, stimmt so nicht ganz. Zu dem Zeitpunkt war noch keine große
Comicserie von einem andern Autor übernommen worden. Lucky Luke war die erste sehr
bekannte Serie, die übernommen wurde. Asterix wurde ja erst vor 2 Jahren übernommen,
also vor Kurzem. Lucky Luke war die erste Serie. Es hatte vorher schon Vergleichbares
gegeben, das lag aber lang zurück. Zum Beispiel Spirou, das schon ab den 40ern
übernommen wurde von Rob-Vel, Jijé, Franquin, Fournier usw. Und dann gab es sozusagen
Spin-Offs rund um Spirou mit ganz anderen Zeichnungen. Natürlich sagten in Frankreich die
Medien und einige Möchtegern-Intellektuelle: „Wenn jemand anderes die Serie übernimmt,
muss das revolutionär werden!“ Das wollte ich nicht, und vielleicht hat gerade das dazu
geführt, dass es ein Erfolg wurde. Ich habe die Serie in der Tradition von Morris weitergeführt.
Ich mache Alben, wie ich sie selber gern lesen würde. Zum einen habe ich die Nachfolge von
Morris angetreten, also eines Mannes, der das immerhin 60 Jahre lang gemacht hatte. Das
heißt ich musste hart arbeiten, um mithalten zu können. Dann handelte es sich um eine
legendäre Serie. Es ist die bekannteste Serie neben Asterix. Das sieht man beispielsweise in
Deutschland: Lucky Luke und Asterix sind die einzigen erfolgreichen Comicserien, da gibt es
ja nicht viele, und das ist in anderen Ländern genauso. Und dann, weil es die erste
erfolgreiche Serie war, die übernommen wurde, waren die Erwartungen vielleicht besonders
hoch. Die Leute waren gespannt, was dabei rauskommen würde. Ich denke, bei Asterix wurde
etwas Ähnliches versucht. Man hat sich angeschaut, was bei Lucky Luke gemacht wurde, und
hatte dann die Idee, die Serie etwas moderner zu machen, was den Erzählrhythmus angeht.
Die Leser sind heute an Comics gewöhnt, die Montage ist daher anders. Es gibt viel mehr
Ellipsen und die Montage ähnelt sehr der beim Fernsehen. Selbst die Kinofilme werden heute
so geschnitten wie Fernsehfilme, die Erzählgeschwindigkeit ist höher. Beim Comic ist es
genauso. Ich führe im Prinzip nur das fort, was Morris machte, der sich auch vom Kino
inspirierte. Seine Alben haben sich parallel zu den Westernfilmen entwickelt. Am Anfang gab
es die ersten John-Ford-Filme und dann die Spaghetti-Western. Ich mache es genauso, ich
gehöre eher zur Generation Open Range und Tarantino zum Beispiel, ich mache schnellere
Schnitte. Aber die Zeichnungen selbst bleiben gleich, da ändert sich nichts. [09:36]
5. Was bewundern Sie bei Morris am meisten?
Achdé: Vom Technischen her ist es die Verteilung der Schatten. Aber das ist wirklich sehr
technisch. Auf einer Comicseite ohne Farben kommt alles zur Geltung. Und dann diese
Fähigkeit, die er hat, Dinge zu vereinfachen und alles einzubringen, alles anzudeuten. Als
Beispiel nenne ich da immer das Album „Die Postkutsche“. In dem Album haben Sie
immmerhin auf 44 Seiten: eine Postkutsche, einen Kutscher, vier Pferde, sechs Passagiere,
Lucky Luke, Jolly Jumper und hin und wieder noch die Kavallerie, ein paar Indianer – und es
funktioniert! Es wird nicht langweilig und man hat auch nicht den Eindruck, von zu vielen
Figuren erschlagen zu werden. Und das, das ist wirklich ein Kunststück. Das fand ich
bewundernswert. Und dann war Morris – zusammen mit Uderzo übrigens – einer der
Wenigen, deren Zeichnungen zugleich humoristisch und realistisch sind. Das finde ich stark.
Die Falten in der Kleidung usw. – auch wenn er es karikiert, sind die Details doch
wirklichkeitsgetreu, nichts daran ist falsch. Er stellt Dinge vereinfacht dar, karikiert sie, aber sie
sind stimmig. Das bewundere ich. Vielleicht ist das deshalb so, weil meine Generation sich
eher von schönen Zeichnungen angesprochen fühlt. Heute dagegen geht es in den Comics
immer mehr um den Inhalt als um die Zeichnungen. Heute kommen Alben auf den Markt,
ganz ehrlich, ich hätte mich nie getraut, so zu zeichnen. Ich sage auch nicht, dass die sich gut
verkaufen. Das ist noch mal was Anderes. Da gibt es manchmal Überraschungen. Was die
Medien sagen, ist das eine, die Verkaufszahlen sind etwas ganz anderes. Ich denke, ein
Verleger würde lieber eine Serie wie Lucky Luke übernehmen als manche neue Serie, da darf
man sich nichts vormachen. Das sind einfach unterschiedliche Vorstellungen davon, was
einen Comic ausmacht. Meine Vorstellung ist vielleicht altmodisch. Sie beruht auf dem, was
ich als Kind, als Erwachsener und auch als Profi gern lese und gelesen habe. Gut, die Zeiten
ändern sich natürlich. Aber ich werde mich nicht mehr ändern. Ich bin zu alt dafür, ich mache
so weiter.
6. Sie haben mit verschiedenen Szenaristen zusammengearbeitet. Wie läuft das ab? Haben Sie
ein Mitspracherecht bei der Auswahl der Texter?
Achdé: Nein. Die Entscheidung trifft der Verlag. Zum Teil verfasse ich die Szenarien auch
selbst, zum Beispiel bei Lucky Kid, da mache ich alles, die Zeichnungen und den Text. Bei
manchen kürzeren Geschichten von Lucky Luke habe ich auch das Szenario geschrieben. Bei
den Alben kriege ich dagegen Szenaristen vorgesetzt. Im Moment bin ich zufrieden, weil der
neue Texter ein Comic-Profi ist. Das ist nicht immer so, und es war in der Vergangenheit nicht
immer einfach. Im Fall von Laurent Gerra lief es bei den ersten beiden Alben gut. Danach
wurde es schwieriger. Er ist eine bekannte Figur im französischen Show-Business, daher war
er viel unterwegs. Beim letzten Band beispielsweise musste ich oft auch am Szenario feilen.
Ich werde zwar nicht als Texter genannt, aber ich würde sagen, ich habe einen großen Teil
dazu beigetragen. In solchen Situationen sagt man sich: „Entweder lasst ihr mich alles
machen oder ihr gebt mir einen vernünftigen Szenaristen.“ Mit Pennac und Benacquista war
das anders. Beim ersten Band lief es sehr gut. Wir haben die Rollen aufgeteilt. Ich baue ja oft
zusätzliche Gags in der Serie ein oder gebe eine kleine Portion Humor dazu. Lucky Luke
muss ja vor allem lustig sein. Beim ersten Band lief es gut. Beim zweiten haben sie sich auf
ein Thema eingeschossen, bei dem ich meine Bedenken geäußert habe. Leider fand der
Verlag ihre Idee gut, und es kam, wie es kommen musste: Der Band wurde kein großer Erfolg.
Er hat sich trotzdem verkauft, aber wir konnten nicht an die vorigen Erfolge anknüpfen. Das
gelingt uns erst jetzt wieder, jetzt läuft es gut. Ich glaube, eine Serie wie Lucky Luke darf nicht
– wie es bei „Auf eigene Faust“ der Fall war – zu intellektuell werden. Man kann die Serie
durchaus auf mehreren Ebenen lesen. Sie will aber keine Botschaft vermitteln, vielleicht hier
und da zum Nachdenken anregen. Aber sie wertet nicht: „Das ist gut, das ist schlecht.“ Sie
soll vor allem Spaß machen und den Leser unterhalten. Wenn manche Leser darin etwas
finden und den Eindruck haben, dass ein bestimmtes Thema dazu führt, dass sich kleine
Dinge ändern, dann finde ich das schön. Das nächste Album wird auch zum Nachdenken
anregen, glaube ich. Aber er wird die Leser vor allem zum Lachen bringen, und das finde ich
auch gut so. Leute, die zu viel nachdenken, nerven. Ich bin ja kein Intellektueller. (lacht) Und
ich lebe auf dem Land. Ich lebe auf dem Land, bin kein Intellektueller, komme nicht aus Paris
– Sie können sich nicht vorstellen, was ich alles zu hören kriege, wenn ich nach Paris fahre.
Gut, nächste Frage.
7. Lucky Luke schießt ja schneller als sein Schatten, er hat aber schon lange niemanden mehr
getötet –
Achdé: Er hat noch nie jemanden getötet. [14:55]
7a.Er hat Phil Steel getötet.
Achdé: Eigentlich schießt er ihn nieder und bricht ihm die Schulter. In einer früheren Version
heißt es, dass er ihn tötet. Die hab ich aber nie gesehen, so sagt es die Legende.
Komischerweise ist der Einzige, den er wirklich tötet – denn das wird nie explizit so gesagt. Im
ersten Band mit den Daltons beispielsweise sieht man Hüte – aber als er Joe festnimmt, tötet
er ihn nicht, er steckt ihn in eine Tonne. Das ist außerdem historisch nicht korrekt, denn das
hat nicht zeitgleich stattgefunden, aber das ist eine andere Geschichte. Morris hat tatsächlich
eine Figur töten lassen, und das ist Mad Jim in einem der ersten Abenteuer von Lucky Luke.
Und das Besondere an Mad Jim ist, dass er der Doppelgänger von Lucky Luke ist. Das ist
also sehr psychoanalytisch angehaucht, Lucky Luke tötet sein Ich. Ich hab keine Ahnung, wie
Morris darauf kam, aber das war echt seltsam. Man darf natürlich nicht vergessen, dass
damals das Gesetz über für Jugendliche bestimmte Publikationen in Kraft war – und übrigens
heute noch ist – und dass man nicht einfach so töten konnte. Das können Sie sich ja
vorstellen. Deshalb gab es viel Rauch usw., es wurde angedeutet, aber es gab kein Blut oder
so was. Und das war auch gut so, denn ich finde, für ein Kind war das sehr beeindruckend zu
sehen, dass jemand genau auf den Abzug oder in den Lauf der Waffe des Bösen zu
schießen, ohne ihn dabei zu töten. Im Gegenteil, damit machte man ihn lächerlich, und das
war noch schlimmer. Deshalb halte ich das für eine echt elegante Lösung. Als Goscinny
angefangen hat, alle Szenarien zu schreiben… Goscinny war genauso, er war ein Humanist
und zog es vor, den Bösen lächerlich zu machen – das ist ja eine der schönsten Waffen –
anstatt ihn zu töten.
8. Seit 1982 raucht Lucky Luke ja nicht mehr. Er tötet nicht, er raucht nicht – gibt es noch andere
Benimmregeln, denen Lucky Luke sich unterwirft?
Achdé: Die Tatsache, dass er niemanden tötet, stört mich nicht. Das ist meiner Meinung nach
auch keine politische Korrektheit, um gut dazustehen. Im Gegenteil, ich finde das gut. Es
macht mir mehr Spaß einen Weg zu finden, wie er jemand loswerden kann, ohne ihn
umzubringen. Sei es eine Wand, die einstürzt, ein Schild, ein Ast, ein kleines Ding in die Luft
fliegen lassen – das finde ich viel spannender. Einen umbringen, den Typ umfallen sehen –
das Ganze in einem Panel, das hat für mich keinen Sinn. Auf die andere Art kann man einen
Bösen beseitigen und eine ganze Seite damit füllen, mit einer einzigen Kugel. Die Tatsache,
dass er nicht mehr raucht – tja, er raucht halt nicht mehr. So ist es eben. Ich werde das nicht
bewerten. Es nervt mich, aber gut. (lacht) Solange man mir nicht sagt, dass er keinen
Revolver mehr tragen darf, weil das nicht politisch korrekt ist, solange werde ich weiter Lucky
Luke zeichnen. Wenn jemand anfangen sollte, mir auf den Wecker zu gehen – wenn
irgendwelche Tierschutzvereine sagen, er darf keine Sporen mehr tragen, oder wenn er keine
Waffe mehr tragen darf – da muss man irgendwo mal einen Schlussstrich ziehen. Irgendwann
stimmt es nicht mehr mit der historischen Wirklichkeit überein. Die Cowboys waren halt so, da
darf man sich nichts vormachen. Aber sonst gibt es nicht wirklich – Wissen Sie, es ist ein
Comic für alle Altersstufen. Insofern ist es noch nicht mal eine Frage von politischer
Korrektheit, sondern eine logische Folge. Würde ich eine Bettszene zeigen, wenn ich weiß,
dass der Comic von 10-jährigen Kindern gelesen wird? Ich weiß natürlich, dass man
heutzutage im Internet alles sehen kann. Aber welchen Sinn hätte das? Das würde keinerlei
Mehrwert bieten. Ganz ehrlich, das ist nur logisch, es ist eben eine bestimmte Art von Comic.
Die Serie richtet sich an ein breites Publikum, und das macht sie so erfolgreich. Warum sollte
man das Erfolgsrezept ändern, wenn es doch so gut läuft? So. Davon abgesehen – wenn
Lucky Luke ein Gläschen trinkt, dann wird nicht genau gesagt, was er trinkt, aber er trinkt
eben einen. Aber ich sag nicht, was genau er trinkt. Beim Rauchen ist das komplizierter, denn
in beiden Fällen wüsste man, was er raucht, und das wäre blöd. (lacht) Aber gut, neulich hab
ich noch gedacht: Ich würde ihn gern mal so richtig ausspucken lassen. Der Gedanke lässt
mich nicht los. Es wäre schön, wenn er mal wieder wie in den ersten Bänden so heftig
ausspucken würde, dass der Spucknapf wegfliegt. Aber gut, da muss ich mir was überlegen,
was wenigstens ein bisschen politisch unkorrekt ist. Ihn Tabak kauen lassen – das macht
heute niemand mehr, da wird keiner drauf kommen, wissen Sie, mit dem Tabak im Mund. Mal
sehen. Uns fällt da schon was ein.
9. Eine letzte Frage: Der neue Lucky Luke erscheint demnächst auch in Deutschland. Können
Sie uns schon ein bisschen etwas darüber verraten?
Achdé: Theoretisch gar nicht, ich darf nicht. (lacht) Ok, also, ich geb Ihnen ein paar Hinweise:
Es kommen Kühe darin vor, ein Karren, Indianer, viele, viele, viele Dummköpfe, es wird viel
geschossen, der siebenschüssige Colt läuft ordentlich heiß. Es fängt schlecht an und endet
gut. So, jetzt wissen Sie alles. Und es spielt in den USA. Ich geb Ihnen noch einen Hinweis:
Lucky Luke durchquert einen großen Teil des Westens mit einem Karren und ein paar Leuten.
Wer diese Leute sind und warum das Ganze sich so wahnsinnig schwierig gestaltet, das
werden Sie dann rausfinden. Es wird spannend, es geht um Andersartigkeit, um die
Geschichte der USA, und es gibt viel zu lachen, es passieren viele unglaubliche Dinge. Sie
werden sehen. Der Szenarist hat mich auf jeden Fall gut gefordert, schon auf der zweiten
Seite hatte ich es mit einer ausgerissenen Kuhherde zu tun. Das fing schon mal gut an. Auf
Seite 2 hatte ich 200 Kühe… Für den Texter ist es immer sehr einfach. Er schreibt eine Zeile:
„Die Herde reißt aus, Lucky Luke fängt sie wieder ein.“ Was macht man jetzt damit? So
ähnlich ging es Uderzo, als Goscinny schrieb: „Die sieben römischen Legionen greifen das
gallische Dorf an.“ Klar, sie müssen es ja nicht zeichnen, sondern wir. Und da gab es
ordentlich was zu tun. – Ich denke, es ist ein lustiges, aber vor allem auch ein intelligentes
Album. Ich lasse Sie beurteilen, inwieweit meine Umsetzung und Zeichnungen gelungen sind.
Ich hab auf jeden Fall alles gegeben, damit dieser Band zum 70. Jubiläum ein guter Band
wird. Vielleicht nicht einer der besten, aber ein guter. Frankreich ist leider das Land von
Molière und nicht das von La Tour, das heißt es kommt vor allem auf die Texter an, die
Zeichner bleiben im Hintergrund. In Deutschland ist das anders – besser.
Interview Matthieu Bonhomme
1. Ich würde gern mit einer Frage zu einem Panel auf S. 62 beginnen. Man sieht einen Friedhof
und die Inschrift „Ruhe in Frieden, Maurice de Bevere – Vielleicht treffen wir uns eines Tages
in der Großen Prärie“. Ich habe mich gefragt: Wenn Sie die Chance hätten, Morris eines
Tages in der Großen Prärie zu begegnen, welche Fragen würden Sie ihm zu Lucky Luke
stellen?
Matthieu Bonhomme: Das Werk von Morris ist für mich sehr wichtig gewesen. Wenn ich ihm eines Tages in
der Großen Prärie begegnen sollte, würde ich ihm sagen, wie sehr ich seine Arbeit
bewundere, wie sehr ich die Figur liebe, die er geschaffen hat und wie sehr er mich
beeinflusst hat. Während der Arbeit an diesem Band hatte ich ein bisschen das Gefühl, mit
ihm in Verbindung zu stehen. Ich spürte seine Präsenz. Durch meinen Beruf habe ich in den
letzten Jahren das Glück gehabt, viele renommierte Autoren kennenzulernen, die mich sehr
beeindruckt haben, zum Beispiel Jean Giraud, Jean-Claude Mézières und andere großartige
Künstler. Morris ist ein Künstler, den ich nicht kennengelernt habe, und das bedaure ich. Dafür
ist es zu spät. Aber bei der Arbeit an diesem Buch habe ich irgendwie versucht, eine
Verbindung zu ihm herzustellen, um ihn gewissermaßen kennenzulernen.
2. Sie sind mit dieser Figur aufgewachsen und verbringen jetzt sehr viel Zeit mit ihr. Welche
Fragen würden Sie Morris zur Figur Lucky Luke stellen?
Matthieu Bonhomme: Lucky Luke ist für mich eine Figur, von der ich den Eindruck habe sie sehr gut zu
kennen. Von daher hätte ich nicht viele Fragen an Morris zu der Figur. Lucky Luke hat mich
zunächst überrascht, weil ich quasi alle Alben auf einmal gelesen habe. Im Lauf der
Abenteuer hat sich sein Aussehen sehr verändert. Ich nahm ihn zunächst als sehr polymorphe
Figur wahr. Ich las die Bände nicht der Reihenfolge nach, deshalb stellte er sich für mich als
eine Figur dar, deren Aussehen sich verändern kann und die trotzdem immer dieselbe bleibt.
Es gab ein paar sehr wichtige Alben für mich, in denen er einen Freund trifft. Dazu gehören
„Calamity Jane“, „Das Greehorn“ und „Lucky Luke reitet für die 20er Kavallerie“. In diesen
Alben trifft er jeweils auf eine wichtige Figur, mit der er sich anfreundet, und diese Figuren
helfen sehr, die Persönlichkeit von Lucky Luke zu verstehen und haben ihn mir als echten
Menschen gezeigt. In meiner Geschichte geht es genau darum. Ich wollte den Fokus auf die
Figur selbst legen, etwas über ihn erzählen und darüber, dass Lucky Luke für mich
menschlich ist und großzügig und sensibel. Das war es, was ich zum Ausdruck bringen wollte,
das Menschliche an dieser Figur.
3. Ihr Lucky Luke sieht dem von Morris und Achdé sehr ähnlich, und doch wirkt er sehr viel
realer. Vor allem sein Gesicht wirkt ausdrucksstarker. Wie finden Sie das richtige Gesicht für
Lucky Luke?
Matthieu Bonhomme: Die Figur zu kreieren war nicht so schwer. Ich hab nicht Stunden damit zugebracht,
sein Aussehen auf Papier festzuhalten. Ich habe versucht, die Figuren, die ich sonst zeichne,
in Richtung Lucky Luke zu entwickeln. Das Ziel dieses Projekts und was es spannend macht
ist nicht, Morris zu imitieren oder Achdé, die an der Hauptserie arbeiten. Mein Ziel war gerade,
etwas anderes zu kreieren. Deshalb durfte ich mich nicht am Stil von Morris orientieren,
sondern ich musste Lucky Luke meinem Stil anpassen. Deshalb ist mir die Figur recht leicht
von der Hand gegangen. Ich bin dabei von einer meiner typischen Figuren ausgegangen,
Esteban, der sowieso einiges mit Lucky Luke gemeinsam hat. Meine Art zu zeichnen ist
realistisch, daher ist auch Lucky Luke etwas realistischer geworden. Und das ist wiederum
Teil meines Verständnisses dieser Figur. Für mich ist Lucky Luke eine der Ikonen des
Western und genauso wichtig wie John Wayne oder Gary Cooper. Mit dem realistischen
Moment meiner Zeichnungen konnte ich das ausdrücken und Lucky Luke gewissermaßen den
Status eines echten Cowboys zurückgeben, ihm sozusagen echte Cowboystiefel anziehen
und ihn in einem echten Western-Setting ansiedeln.
4. Es werden ein paar nicht-jugendfreie Themen angedeutet. Es gibt etwas mehr Gewalt und
Aggression, es gibt sogar ein paar romantische Elemente, als Lucky Luke eine Frau trifft und
angedeutet wird, dass sie in der Vergangenheit etwas miteinander gehabt haben. Was diese
nicht-jugendfreien Themen – Liebe und Gewalt – angeht: Gab es da Grenzen, die Sie nicht
überschreiten durften, oder hatten Sie die Freiheit, jede Geschichte zu erzählen, die Sie
wollten?
Matthieu Bonhomme: Überraschenderweise gab es wenig Auflagen für mich bei der Arbeit an diesem
Album. Ich war sehr frei, und das hat mich sehr überrascht. Eine der ersten Fragen, die ich
den französischen Verlegern gestellt habe – ich wollte rauszufinden, wie weit ich gehen
konnte und welchen Spielraum ich hatte – die erste Frage, die ich ihnen stellte, war: „Darf ich
Lucky Luky rauchen lassen?“ Sie sagten: „Nein, das darfst Du nicht. Du kannst tun, was Du
willst, aber das nicht.“ Lustigerweise haben sie mir damit die zentrale Idee zu dem Album
geliefert. Diese Einschränkung habe ich zu meinem Thema gemacht. Später habe ich
gemerkt, dass ich tatsächlich frei war, das zu tun, was ich wollte. Ich denke, den Verlegern
war klar, dass ich keinen Mist bauen würde, sondern dass ich wirklich meine Vision dieser
Figur zeigen wollte und dass ich deshalb auch das Großartige an dieser Figur respektieren
würde. Ich hab zwar den Verzicht auf das Rauchen zum zentralen Thema gemacht, aber
davon abgesehen ist das Album eine Hommage an die Figur und den Mythos Lucky Luke.
5. Als sie begannen Lucky Luke zu lesen, haben Sie die Alben durcheinander gelesen.
Wahrscheinlich haben Sie sich der Figur jetzt auf systematischere Weise genähert. Es geht ja
um eine Zeitspanne von 70 Jahren, in denen sich die Figur sehr verändert hat, gerade auch
vom Aussehen her. Am Anfang waren es Morris und Goscinny, Morris allein, Achdé mit
verschiedenen Szenaristen, Achdé allein – Welches ist Ihre Lieblingsperiode und welches ist
Ihrer Meinung nach die wichtigste in diesen 70 Jahren?
Matthieu Bonhomme: Bei Lucky Luke gibt es unterschiedliche Perioden, und ich habe sie alle auf einmal und
ungeordnet kennengelernt. Am liebsten mag ich die Alben, die bei Dupuis erschienen sind,
kurz vor dem Wechsel zu Dargaud. Da gibt es ein paar wirklich großartige Alben wie zum
Beispiel „Familienkrieg in Painful Gulch“. Und dann gibt es die Alben, die aus der Zeit bei
Dargaud und der Zusammenarbeit mit Goscinny stammen. Das sind für mich alles echte
Meisterwerke. Das sind also zwei wirklich wichtige Perioden, in denen ein Meisterwerk auf das
nächste folgte. Dann ist Goscinny leider gestorben, und alles, was danach kam, interessiert
mich wesentlich weniger. Morris suchte Szenaristen, die Goscinny ersetzen konnten. Es war
sicher nicht leicht, seine Nachfolge anzutreten. Morris war auch nicht mehr der Jüngste, und
auch wenn seine Zeichnungen immer noch beeindruckend waren, hat er doch mit der Zeit
nachgelassen. Aber diese beiden Perioden sind für mich die wichtigsten.
6. Der Band erscheint demnächst auf deutsch, in Frankreich ist er vor ein paar Monaten
erschienen. Können Sie schon sagen, ob es noch ein weiteres Lucky-Luke-Album von Ihnen
geben wird? Arbeiten Sie schon an einer neuen Idee? Hätten Sie überhaupt Interesse an
einem zweiten Album?
Matthieu Bonhomme: Aktuell gibt es keine Pläne, einen zweiten Lucky Luke in meinem Stil rauszubringen.
Die Entscheidung liegt natürlich beim Verleger, und vielleicht rufen sie mich eines Tages an
deswegen, aber das ist bisher nicht passiert. Ursprünglich ging es wirklich darum, einen
einzigen Band zu machen. Den habe ich gemacht. Ob es einen weiteren gibt, werden wir
sehen. Im Moment widme ich mich wieder meinem Hauptprojekt, das heißt dem nächsten
Album der Esteban-Serie.
Interviews stammen aus dem LUCKY LUKE Presseportal Copyright © Egmont Ehapa Media GmbH 2016
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