|
geschrieben von M.Behringer am
Mittwoch, 09. Mai 2012
(2556 Aufrufe)
|
(*)
Gelungene Literaturadaption eines Satire-Klassikers
Casinos haben schon unzählige Autoren und Filmemacher zu ihren Geschichten inspiriert. 'Ocean’s Eleven' ist nur das prominenteste Beispiel aus Hollywood. Bei Fjodor Dostojewski war es weniger Inspiration als pure Notwendigkeit, warum er 1866 'Der Spieler' verfasst hat. Denn der russische Schriftsteller war selbst spielsüchtig und deshalb verschuldet. Der Urheber von Weltliteratur wie 'Der Idiot' oder 'Schuld und Sühne' diktierte den Roman seiner Stenotypistin und späteren Ehefrau in nur 26 Tagen (!), um sich die Rechte an seinem Gesamtwerk zu sichern. Dabei konnte er aus seinen persönlichen Erlebnissen als Spieler schöpfen.
Nun haben sich der Szenarist Stephane Miquel und der Illustrator Loic Godart zusammengetan, um 'Der Spieler' frei als Comic zu adaptieren. Da es sich um eines von Dostojewskis kürzeren Texten handelt, ist die Wahl des Werkes nachvollziehbar - selbst 'Der Spieler' ist mit fast 200 Seiten kein kurzer Text. Die Franzosen haben den Roman in weniger als der Hälfte der Seitenanzahl adaptiert. Aus siebzehn Kapiteln wurden drei. So ist es schon von vornherein klar, dass Vieles gestrichen oder übergangen wurde.
Die Geschichte wird aus der Sichtweise von Alexej Iwanowitsch erzählt. Der russische Hauslehrer arbeitet für einen russischen General, der hoch verschuldet ist. Die Sippschaft erhofft den baldigen Tod der kränkelnden Tante des Generals, damit die Schulden beim Franzosen des Grieux durch das Erbe beglichen werden können. Iwanowitsch muss die intriganten Machenschaften des Franzosen mitansehen, der ihm seine Auserwählte, die Generalstochter Polina, streitig macht. Die Liebe wird Iwanowitsch in dem Moment zum Verhängnis, in dem er sich bereit erklärt, sein Glück für Polina beim Roulette zu wagen.
Dostojewski hat mit 'Der Spieler' ein bissiges Werk geschaffen, das zwischen hoher Beobachtungsgabe und Karikatur schwankt. Miquel hat die Vorlage nur leicht abgeändert. Die Personen sind zwar die gleichen wie im Roman, aber die Handlung und der Text sind verändert und vor allem gekürzt worden. Dadurch wirkt die Erzählung für den Kenner der Vorlage bruchstückhaft und die Zusammenhänge werden für den unwissenden Leser nicht klar herausgestellt. Dennoch hat es Miquel geschafft einen Ton und eine Stimmung zu treffen, die dem Original sehr nahe kommt. Zum Teil hat der Szenarist richtig gute Einfälle und insgesamt ist das Erzähltempo sehr flüssig.
Godart hat 'Der Spieler' in individuellen Illustrationen umgesetzt, die durch einen karikierenden Zeichenstil geprägt sind. Charakteristisch ist, dass die Figuren meist zusammengekniffene Augen und typisierte Züge aufweisen. Der Hintergrund ist voller Details, wodurch das historische Setting überzeugend wirkt. Dem Ganzen liegt dennoch eine gewisse Skizzenhaftigkeit zugrunde. Die Farbauswahl ist auf wenige, oft ein oder zwei Töne beschränkt, um eine sehr dichte Atmosphäre zu schaffen. Die Bilder passen gut zum satirischen Ton der Vorlage, allerdings ist der Zeichenstil auch Geschmacksache.
'Der Spieler' ist an sich keine schlechte Literaturadaption. Allerdings hätte man aus der genialen Vorlage noch mehr herausholen können. Der Adaption sind Lücken entstanden, wodurch zu viel verloren ging: die Charaktere kommen viel zu kurz, der Humor wird nicht voll ausgeschöpft und die Zusammenhänge sind schwer nachvollziehbar. Nur für Kenner der Vorlage dürfte dies kein Nachteil darstellen.
Grafisch hätte Godart mehr Kontrast erzeugen müssen. Seine Illustrationen wirken zu einheitlich. Einzig das Szenario wurde von Miquel und Godart stimmungsvoll eingefangen, aber das ist zu wenig, damit der Comic selbst auch ein Meisterwerk ist. Aber vielleicht entdecken nun einige Comicleser das vergnügliche Werk eines brillanten Schriftstellers, das in der Gegenwartt nichts von seiner Zeitlosigkeit eingebüßt hat - man denke nur an die oft zitierten Begriffe 'Glücksspiel-Kapitalismus' oder 'zockende Banken', die in Debatten um die Finanzkrise hergenommen werden.
Der Spieler
Fjodor Dostojewski, Stephane Miquel und Loic Godart
Hardcover, 96 Seiten
Splitter 2012
Am Besten kauft man sich das Band beim Comichändler seines Vertrauens
...jedoch...
Der Spieler kann man auch gerne hier kaufen.
(c) der Abb.mit freundlicher Genehmigung des Splitter Verlags + Autoren
Sie können uns unterstützen! (*)Als Amazon-Partner verdienen wir an qualifizierten Verkäufen.
|
|
| |
|