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geschrieben von M.Behringer am
Sonntag, 04. Dezember 2011
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Aberwitzige Satire über Philosophie und Mystik
'Lust & Glaube' ist ein Frühwerk der Comicautoren Alejandro Jodorowsky und Jean Giraud alias Moebius. Die ersten Bände erschienen 1991 und 1992 (auf Deutsch 1993 beim Feest Verlag), aber erst 2003 wurde der dritte Band dank schreiber&leser in Deutschland veröffentlicht. Schon vor 'Lust & Glaube' wollten die beiden Comicautoren eine ernsthafte Auseinandersetzung mit der biblischen Maria umsetzen. Doch dann entschieden sich die beiden doch um. Die Gesamtausgabe enthält alle Einzelbände: 'Die Irre von Sacré Coeur', 'Gefangen im Irrationalen' und 'Der Irre von der Sorbonne'.
Der elitäre Philosophieprofessor Alain Mangel hat eine sektiererische Anhängerschaft an seiner Universtät an der Sorbonne um sich versammelt. Er trägt nur lila und lebt streng asketisch, ohne Sex. Doch dann bricht sein Ansehen zusammen und die Studenten verlassen ihn. Seine Lieblingsstudentin Elisabeth verehrt ihn weiterhin und will den gealterten Professor sogar heiraten. Mangel lässt sich auf Elisabeth und ihre Reize ein, allerdings bekommt sie bald Visionen. Dadurch treffen sie auf einen Drogenjunkie, der eine vorgebliche Auserwählte aus der Irrenanstalt befreit. Mangel soll mit Elisabeth einen Propheten als Sohn bekommen, muss aber mit der mystischen Truppe fliehen, weil bei der Befreiung in der Irrenanstalt zwei Ärzte erschossen wurden.
Jodorowskys Geschichte ist meiner Ansicht nach eine irrwitzige Abhandlung über die Vernunft der Philosophie auf der einen Seite und das Irrationale von Mystik auf der anderen Seite. Mangel fungiert hierbei als Antiheld, der sich selbst immer wieder wandelt: vom Moralapostel zum Agnostiker und Skeptiker und schließlich zum Bekehrten. In jedem Einzelband durchlebt er eine weitere Metamorphose. Mangel ist nach meiner Meinung eine aberwitzige Figur, die einerseits die mystischen Vorkommnisse mit messerscharfem Verstand analysiert und kritisiert, aber anderseits unter einer Kolik leidet, wodurch er sich ständig beschmutzt.
Moebius‘ detaillierte Zeichnungen übertragen meines Erachtens den Balanceakt zwischen Realismus und Satire auf die grafische Ebene. Trotz Details wirken die Illustrationen leichtfüßig und schwungvoll. Im dritten Teil erhalten die Figuren einen leicht karikierenden Touch, wodurch das Satirische verstärkt wird. Die meist flächige Kolorierung wirkt oft antinaturalistisch oder symbolisch, was die spirituellen Aspekte der Geschichte betont.
'Lust & Glaube' ist eine absurde und tiefgehende Satire, die in der Post-68er-Ära spielt. Das, was Alan Moore einst mit den Themen Anarchie und Totalitarismus in 'V wie Vendetta' geschafft hat, ist Jodorowsky meiner Ansicht nach mit den Themen Philosophie und Spiritismus gelungen. Darüber hinaus zählt 'Lust & Glaube' zu den witzigsten Parodien überhaupt.
Die Aufmachung der Gesamtausgabe ist bestens, das Buch enthält sogar ein Lesebändchen. Das für Gesamtausgaben inzwischen verbreitete verkleinerte Format eignet sich meines Erachtens für 'Lust & Glaube' sehr gut. Auch an den seltenen Stellen, wo die Panels mal kleiner werden, kann man noch alle Details problemlos erkennen. Das einzige, was ich vermisst habe, waren die Cover der Einzelbände. Ansonsten kann man sich als Leser nur wünschen, dass noch mehr Neueditionen von Jodorowsky und bzw. oder Moebius folgen werden.
Lust & Glaube – Gesamtausgabe
Von Alejandro Jodorowsky und Moebius
Hardcover, 192 Seiten
schreiber&leser 2011
Am Besten kauft man sich das Band beim Comichändler seines Vertrauens
...jedoch...
Lust & Glaube – Gesamtausgabe kann man auch gerne hier kaufen.
LESEPROBE zu Lust & Glaube
(c) der Abb.: Verlag Schreiber und Leser und Autoren
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