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geschrieben von M.Behringer am
Freitag, 21. Oktober 2011
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Gegenwartscomic trifft auf Noir-Thriller
Eines vorweg: mit einem (buchstäblichen) Blauwal hat 'Tod eines Blauwals' rein gar nichts zu tun. Der Meeressäuger ist eher sprichwörtlich zu verstehen. Aber es gibt auch einen ganz konkreten Hinweis auf den Titel: ein Protagonist heißt mit Nachnamen Whales. In Emmanuel Moynots Mischung aus Gegenwartscomic und Noir-Thriller ist Whales ein bedeutender amerikanischer Schriftsteller. Damit geht der Comicautor genretechnisch einen Schritt weiter als sonst. Denn bisher kennen ihn die fleißigen Noir-Leser von seinen Léo Malet-Adaptionen 'Bilder bluten nicht' und 'Die lange Nacht von St. Germain des Près', die in der schreiber&leser Reihe s&l noir erschienen sind und damit reinrassige Noir-Krimis sind.
Der talentierte Nachwuchsschriftsteller Simon Breuil trifft sich mit dem amerikanischen Literaturgiganten James Whales, der mit seiner Möchtegernschauspielerin Rhonda nach Paris gekommen ist. Beide stellen fest, dass sie momentan nicht schreiben (können). Whales spinnt seinen neuen Jahrhundert-Roman seit Jahren im Kopf zusammen und Breuil hat alle Hände voll mit seiner Ehefrau Elsa, die ein Kind von ihm will, zu tun. Dann sind da auch noch seine Lektorin und Geliebte Bertie, die von ihm Überarbeitungen eingereichter Texte sehen will und zwischendurch auch noch andere Affären.
'Tod eines Blauwals' ist meiner Meinung nach die Dekonstruktion eines gefeierten Literaturgenies, das wie ein Blauwal strandet. Whales ist körperlich und beruflich ein Schwergewicht. Er hat jedoch eine Schwäche für leichte Mädchen wie Rhonda, was ihm zum Verhängnis wird. 'Tod eines Blauwals' ist meiner Ansicht nach auch die Dekonstruktion eines aufstrebenden jungen Autors, der zwar Talent zum Schreiben besitzt, aber nicht weiß, wer er wirklich ist und deswegen von einer Affäre in die nächste flieht. Whales steht dabei meines Erachtens für den vergeistigten Typen, der impotent geworden ist und, statt zu schreiben, seinen Roman im Kopf konstruiert. Dagegen erscheint Breuil meiner Ansicht nach als verantwortungsloser Jungspund, der im Schach gegen Whales verliert, aber körperlich in Bestform ist.
Die Erzählung beginnt und endet in Bordeaux, der Heimat von Breuil. Dazwischen begleitet ihn der Leser in Rückblenden, die manchmal sprunghaft sind, nach Paris. Moynot erzählt die Geschichte meines Erachtens gleichzeitig wie einen Gegenwartscomic und wie einen Noir-Thriller: er verwendet einen selbstreflexiven und selbstkritischen Ich-Erzähler (Simon Breuil), der an seinen Leben und Schaffen zweifelt. In Voice Over-Passagen gibt er immer wieder seine Gedanken und Kommentare, die nicht immer in direkten Bezug zu den Illustrationen stehen.
Auch die individuell gestalteten Illustrationen sorgen für eine (Neo) Noir-Atmosphäre: die Figuren erscheinen blass und braun-gräulich. Auch der Hintergrund ist hauptsächlich von diesem braun-gräulichen Ton koloriert worden, aber immer wieder sind hier auch ausgewählte Elemente auffallend koloriert - manchmal schon grell. Dadurch entsteht meines Erachtens eine ganz eigentümliche und dichte Atmosphäre, die hervorragend zur komplexen Geschichte passt.
Mit 'Tod eines Blauwals' ist Moynot eine einzigartige Graphic Novel gelungen. Manchmal ist es meines Erachtens vielleicht für den Leser schwer, den Überblick zu bewahren und der Story zu folgen, aber dafür wird man mit komplexen Charakteren und einem graphisch unnachahmlichen Artwork belohnt. Die narrative Stärke von Moynot liegt wohl gerade im Weglassen von Erklärungen, wodurch der Leser gefordert wird. Sowohl Noir-Fans als auch Liebhaber von Gegenwartscomics werden sich meiner Ansicht nach an Moynots Arbeit erfreuen.
Tod eines Blauwals
Von Emmanuel Moynot
Hardcover, 80 Seiten
schreiber&leser 2011
Am Besten kauft man sich das Band beim Comichändler seines Vertrauens
...jedoch...
Tod eines Blauwals kann man auch gerne hier kaufen.
LESEPROBE
(c) der Abb.: Schreiber & Leser + Moynot
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