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geschrieben von Micha am
Sonntag, 11. September 2011
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Die Leiden der Künstler
Dem grüblerischen Teppichweber Mendelmann wird der Boden unter den Füßen weggezogen. Jahrelang konnte er seine Teppiche als selbstständiger Handwerker an den qualitätsbewussten Händler Finkler verkaufen, der ihn mit geduldigem Feedback dazu brachte, jeden Teppich zu einem eigenständigen Kunstwerk zu machen. Mendelmann braucht nun zwar viermal so lange für einen Teppich wie sein früherer Arbeitgeber erlaubt hätte, aber die künstlerische Befriedigung und die von Finkler gezahlten Preise lohnen den Aufwand. Doch als Mendelmann mit acht neuen Teppichkunstwerken zum Markttag in die Stadt kommt, ist Finkler nicht mehr da. Sein Schwiegersohn hat das Geschäft übernommen und verfolgt eine andere Philosophie. Nicht mehr herausragende Qualität, sondern billige Massenware bestimmt sein Sortiment. Und auch sonst findet sich kein Händler, der wenigstens annähernd Finklers Preise zahlt oder auch nur die Qualität der Teppiche zu schätzen weiß.
Gerade noch von Freunden für die Hingabe an seine Arbeit gepriesen, steht Mendelmann urplötzlich vor dem Nichts. Auf der Suche nach einem Abnehmer durch die Marktstadt irrend verliert sich der Teppichweber immer mehr in Sorge um seine Zukunft (und die seiner hochschwangeren Frau) und in quälenden Selbstzweifeln, die ihn bis an den Rand der Selbstaufgabe bringen. Schließlich verschleudert er seine Teppiche und verkauft gleich noch Wagen und Esel mit.
Zeichner James Sturm siedelt sein Teppichkünstler-Portrait in der jüdischen Kultur in Osteuropa Anfang des 20. Jahrhunderts an, doch der Konflikt zwischen der hehren Kunst und den materiellen Notwendigkeiten ist auch heute noch genauso aktuell. Sturm gelingt es, den Charakter des selbstzweifelnden, verträumten Künstlers nachhallend greifbar zu machen. Die gesamte Handlung ist von Mendelmanns innerem Monolog bestimmt.
Und der Verlag Reprodukt transzendiert das Thema der Graphic Novel in der Aufmachung: qualitativ und künstlerisch hochwertig und mit Hingabe gestaltet, wunderschön mit edler goldgeprägter Schrift, wofür man dann auch einen entsprechenden Preis in Euro bezahlen muss.
Lohnt sich aber.
Markttag
von James Sturm,
96 Seiten, Klappenbroschur
Reprodukt, 20 Euro
Markttag könnt Ihr gerne auch hier kaufen.
LESEPROBE zu Markttag
(c) der Abb.: Reprodukt und Sturm
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