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geschrieben von Micha am
Sonntag, 01. August 2010
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Trondheims Mittsommernachtstraum
Richard hat die unheimliche Fähigkeit noch gar nicht bemerkt, die ihm ein Blitzschlag verliehen hat: Jeder Mensch, der von Richard berührt wird, verliebt sich sofort in ihn, sei es seine Ärztin, eine Fremde in der Buchhandlung oder der bullige Türsteher von der exklusiven Promi-Disko. Letzterer schlägt ihm sogar vor, doch mal zusammen zu frühstücken.
Im Prinzip kann Richard diese Fähigkeit sogar gerade gut gebrauchen, denn mit seinen Single-Freunden läuft eine Wette: Wer von ihnen bis Montag keine feste Freundin aufweisen kann, verliert seinen Wetteinsatz von 5000 Euro an die anderen. Zwei Haken hat die Sache jedoch für Richard: Zum einen ist er insgeheim gar nicht mehr Single, zum anderen hebt eine zweite Berührung die Verliebtheit der Person wieder auf. Richards Fähigkeit verursacht im Strudel der Handlung ein völliges Chaos und droht sogar einen Atomkrieg auszulösen, als die Präsidenten zweier Atommächte im Überschwang ihrer Gefühle Richard als Minister in ihre Kabinette holen wollen...
Zum ersten Mal seit 6 Jahren hat Lewis Trondheim ein neues Album aus dem einst bei Carlsen beheimateten Herr-Hase-Universum veröffentlicht, das nun fast zeitgleich von Reprodukt auf deutsch herausgebracht wurde. „Endkrass“ ist dabei die erste Veröffentlichung in der bei Reprodukt nun „Die erstaunlichen Abenteuer ohne Herrn Hase“ betitelten Serie, allerdings mit der Bandnummer 4, was auch der Bandnummer in der Originalserie entspricht. Reprodukt plant offenbar, die von Carlsen aufgegebene Reihe komplett neu aufzulegen, auch den von Carlsen seinerzeit ausgelassenen Band „Die Abenteuer des Universums“, welcher allerdings nicht aus dem Herr-Hase-Universum stammt, sondern mal wieder autobiografisch ist.
Nun wirkt Trondheims Zeichen- und Erzählstil heute nicht mehr so frisch wie vor 10-15 Jahren, als Trondheim in der Comic-Szene wie eine Bombe einschlug. Was damals neu und aufregend war, ist heute schon ein bisschen alltäglich. Man könnte Trondheim auch vorwerfen, dass er sich zeichnerisch seit über einer Dekade nicht mehr weiterentwickelt hat. Die Zeichnungen in „Endkrass“ sind von denen in, sagen wir, „Liebe und sonstige Kleinigkeiten“ (1998) nicht zu unterscheiden, weder stilistisch noch qualitativ. Aber Trondheims Stärke war ja immer das Erzählen, und in dem Punkt ist Trondheim sich selbst so treu geblieben wie mit seinen Zeichnungen. „Endkrass“ ist eine sehr witzige und gut erzählte Geschichte, die entfernt an Shakespeares Mittsommernachtstraum erinnert, in der ebenfalls ein totales Liebeschaos entsteht, das sich am Ende wie ein Traum wieder auflöst. Wie in den besten Zeiten der Herr-Hase-Serie lässt Trondheim in eine ganz menschliche Alltagswelt das Phantastische einbrechen, nur diesmal weniger bedrohlich als sonst, sondern mit Leichtigkeit erzählt - wenn man mal von dem beinahe ausgelösten Atomkrieg absieht.
Endkrass
von Lewis Trondheim,
48 Seiten, Softcover
Reprodukt, 12 Euro
Endkrass kannst man auch gerne hier kaufen
LESEPROBE zu Endkrass
(c) der Abb.: Reprodukt & Trondheim
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