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geschrieben von jochen am
Donnerstag, 20. November 2008
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Pinsel an die Front
"Die wundersamen Abenteuer von Vincent van Gogh" handeln zur Zeit des Ersten Weltkriegs und berichten von den Erlebnissen van Goghs "An vorderster Front". Für seine Erzählung nimmt Manu Larcenet als absurde Prämisse, dass van Gogh, ehemaliger Gefreiter der künstlerischen Spezialtruppe, wieder zum Dienst verpflichtet wird, um durch seine Bilder dem Präsidenten den Geist des Krieges zu vermitteln. Dieser will die Verzweiflung der Soldaten verstehen um sie besser zum Kampf motivieren zu können.
Schon dieser Ausgangspunkt der Handlung zeigt ein merkwürdiges Zusammenspiel von Humor und Ironie auf der einen Seite und der Tragik des Krieges auf der anderen. Larcenet gelingt es die Balance zwischen diesen Aspekten zu halten und hat einen äußerst eindrucksvollen Comic geschaffen.
Van Gogh ist, nachdem er seine damalige Mission, das Auslöschen des Kubismus, bewusst zum Scheitern gebracht hat, vom Militär aus dem Verkehr gezogen worden, einschließlich vorgetäuschtem Selbstmord und der Geschichte mit dem abgeschnittenen Ohr. Aber nun stellt ihn das Militär vor die Wahl, Exekutionskommando oder an die Front und Bilder erstellen, die den Geist des Krieges abbilden.
Dementsprechend widerwillig motiviert macht sich van Gogh in Begleitung eines ebenso motivierten und frontunerfahrenen Generals auf den Weg und landet schließlich auf den vordersten Schlachtfeldern des Krieges.
Eine ursprüngliche Form des Kriegsfotografen, diese Anspielung wird auch auf dem bedrückenden Titelbild wiedergegeben. Eine Gruppe Soldaten vor dem Einsatz, kampfbereit, Gesichter voll Sorgen und Angst, und darunter van Gogh, ausgerüstet mit Pinsel und Leinwand. Dieser Bruch zwischen Historie und der absurden Prämisse zieht sich durch den Band, sorgt immer wieder für Überraschungen in der Handlung, den Aussagen und Kommentaren der handelnden Personen und den dadurch beim Leser angeregten Überlegungen.
Der Comic ist auf Grund seines Hintergrund eher düster, aber Larcenet spart nicht mit vordergründigem Humor und Running Gags oder leiser und auch lauter Ironie. Das Lachen bleibt da durchaus mal im Halse stecken, so zum Beispiel. antwortet van Gogh, er sei im Gegensatz zum General kein Freund von "Still-Leben" als dieser ihn auffordert die Leichen von zwei Deserteuren zu malen.
Dargestellt ist dies in der von Larcent inzwischen gewohnten Qualität, wobei er sich hier sogar eher noch weiterentwickelt hat. Die Handlung ist in dem vom ihm gewohnten Stil bebildert, kleinwüchsige Personen mit manchmal karikaturhaft überzeichneten Gesichtern vor realistischen oft detailreichen Hintergrund. Seinen Stil bricht Larcenent zum Einen in den irrealen Todesvisionen van Goghs. Aber vor allem in den dokumentierenden Bildern van Goghs, die dem Präsidenten Eindrücke des Krieges vermitteln sollen, zeigt Larcent eine andere Stilseite seines graphischen Könnens. Vielleicht mit etwas viel Gelb.
Von der Leseprobe zur Illustration:
Kein Comic zur reinen Unterhaltung oder den man schnell nebenbei liest. Aber ein Comic auf den man sich einlassen sollte. Wenn man die leicht merkwürdige Ausgangslage und Mischung akzeptiert, erlebt man eine ganz besondere Leseerfahrung.
Die wundersamen Abenteuer von Vincent van Gogh – An vorderster Front
von Manu Larcenet
erschienen bei Reprodukt, 12 Euro
48 Seiten, farbig, 29 x 21 cm, Softcover
Die wundersamen Abenteuer von Vincent van Gogh kann man auch gerne hier kaufen
Zur Leseprobe bei Reprodukt
(c) der Abb.: Larcenet und Reprodukt
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