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geschrieben von M.Hüster am
Sonntag, 22. Juli 2007
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Ein bemerkenswertes Autorenteam
Das Album „Die Reise nach Tulum“ gehört sicher zu den ungewöhnlichsten, aber auch interessantesten Werken im Programm des Münchener Verlags Schreiber & Leser. Eigentlich ist der Band eher Comic-Kunst als Mainstream und so gar nicht typisch Manara. Zwei der großen Visionäre der europäischen Kultur fanden mit „Die Reise nach Tulum“ zu einer seltenen Zusammenarbeit: Milo Manara, der leidenschaftliche Anarchist und Erotiker, hat aus einem Szenario des italienischen Regisseurs Federico Fellini einen sinnenfrohen und hintergründigen Comic-Roman gemacht, in dem es um Mystik und um schöne Frauen geht – und um einen Film, der niemals gedreht wurde.
Fellini zu den Umständen, die zu der Zusammenarbeit mit Manara führten: „Eines Tages kam Milo zu mir und fragte mich schüchtern, ob ich etwas dagegen hätte, wenn er meine Geschichte, die Reise nach Tulum, die er im Corriere della Sera gelesen hatte, in einen Comic umsetzte.
Ich war überrascht, erstaunt und auch ein bisschen geschmeichelt. Ich konnte mir nicht vorstellen, was ein Zeichner von einer so lustvollen, erotischen Phantasie, mit einem gefälligen, verführerischen Stil, mit den Szenen, Personen und Erlebnissen in meiner Erzählung anfangen wollte, die meiner Meinung nach vom Erzählrhythmus eines Comics meilenweit entfernt war. Ich hatte versucht, die Stationen einer Reise nach Mexiko auf den Spuren von Carlos Castaneda nachzuvollziehen. Castanedas Bücher hatten mich sehr interessiert und berührt.
Nachdem ich ihn (Manara) zunächst ziemlich entmutigt hatte, gab ich schließlich nach. Ich wollte auf diese Weise für immer den Wunsch begraben, doch noch einen Film aus dem Material zu machen. Milo zeichnete fieberhaft, ohne jedoch die Abgabetermine immer einzuhalten. So lernte ich die technischen und organisatorischen Aspekte der Comic-Produktion vom Zeichentisch bis zum Kiosk kennen.“
Und Milo Manara zu der Zusammenarbeit mit Fellini: „Vom ersten Bild an hatte ich das Gefühl, mit angehaltenem Atem einem alchimistischen Experiment beizuwohnen. Fellini hauchte dem Ganzen sacht seinen Geist ein, er ging vom Dialog über die Bilder und auf die Handlung. Ich brauchte nur noch weiterzuzeichnen wie gewohnt. Die Kamera lief. Selbst das Flugzeug, das unter Tonnen von Schlamm und Wasser begraben schien, begann zu vibrieren und abzuheben. (…)“
Und so beginnt auch die Handlung der insgesamt 68 Seiten umfassenden Story. Die wichtigsten Protagonisten: Vincenzo, Fellini selbst, Marcello Mastroianni als Snaporaz und die hübsche blonde Dekoration der Story namens Helen.
Helen und Vincenzo sind in der Filmstadt Cinecitta auf der Suche nach Fellini, den sie im Umfeld diverser Filmhandlungen dösend an einem See finden. Noch bevor sie jedoch mit dem Regisseur sprechen können, weht ein Windzug dessen Hut in ein nahes Gewässer.
Auf der Suche nach dem Hut finden sich alle Beteiligten plötzlich in einem Jumbo wieder, der sich am Grunde des Sees befindet. Mit diesem beginnt dann eine Reise von Snaporaz (Mastroianni als Alter Ego von Fellini) und Vincenzo in Sachen Filmprojekt nach Tulum. Doch zunächst verschlägt es die beiden nach Los Angeles. Dort werden sie bereits von dem Filmproduzenten des neuen Projekts und dessen Braut Sibyl erwartet, die Snaporaz und Vincenzo in einem Straßenkreuzer zu einer Pressekonferenz kutschieren, bei der es um den geplanten Film geht.
Mit von der Party sind in einem Gastauftritt, ein gelungener Gag, keine geringeren als Jean Giraud als Moebius und Alexandro Jodorowsky (Der Incal – demnächst als Gesamtausgabe bei ECC).
Schließlich landen alle wie beabsichtigt im mexikanischen Cancun, wo sie im gigantischen Nobel-Hotel „Babel Tower“ absteigen um das Filmprojekt vor Ort vorzubereiten. Dort werden die Neuankömmlinge jedoch in seltsame und mysteriöse Vorgänge verwickelt, die von ungewöhnlichen Briefen, Telefonanrufen und Warnungen begleitet werden und das ganze Projekt zum Scheitern bringen könnten …
Nachdem sich die Handlung zunächst sehr langsam fortbewegt, nimmt sie am Ende immer mehr Fahrt auf. Allerdings ist die Handlung nicht immer leicht verständlich, was Fellini letztlich auch dazu bewegt hat, den geplanten Film nicht zu drehen und es bei seiner Zeitungsgeschichte und diesem Comic zu belassen.
Insgesamt ist es Manara aber doch recht gut gelungen, das ungewöhnliche Szenario von Fellini in einen künstlerisch interessanten Comic-Band zu verwandeln, indem es schlussendlich um die Geheimnisse der alten Seher der Tolteken geht. Auch wenn die „Reise nach Tulum“ kein Erotikband ist, bleiben dem Leser die intimsten Geheimnisse der schönen Helen nicht verborgen.
Abgerundet wird dieser Band von Sekundärtexten rund um die Reise nach Tulum von Fellini, Manara, Mollica und del Buono sowie diversen Skizzen, Story Board und mehr.
Die Reise nach Tulum
Nach einem Film, den Federico Fellini noch nicht gedreht hat
Autoren: Milo Manara und Federico Fellini
HC, farbig, 132 Seiten
Schreiber & Leser, 49,95 €
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© Abbildungen + Textquellen: Schreiber & Leser + Autoren
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