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geschrieben von Martaeng am
Sonntag, 15. Juli 2007
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Das große Kribbeln Teil 2
Außenseiter haben ein bemitleidenswertes Schicksal, dessen Grundlage üblicherweise schon in der Schule gelegt wird. Sie tragen komische Klamotten, sind eher dümmlich oder das genaue Gegenteil, werden in der Schulmannschaft zuletzt gewählt und müssen dann auch noch im Tor stehen. In Nick Hornbys Roman About a Boy übernimmt Marcus den Part des Außenseiters. Seine Position in der schulischen Hierarchie ist festgelegt: Er steht noch unter den Jungs vom Computerclub. Am Ende werden die Außenseiter meist rücksichtslose, neoliberale Fondsmanager – Heuschrecken eben. Nicht so in Hideshi Hinos Manga Bug Boy. Obwohl: Heuschrecke ist vielleicht im direkten Wortsinn eine durchaus treffende Bezeichnung.
Bug Boy ist die Geschichte des japanischen Grundschülers Sanpei. Er ist ein bisschen schwächlich und hasst die Schule. Freunde hat er nicht. Er ist ein Freak, der klassische Außenseiter. Aber warum? Weil sein Hobby alles andere als gewöhnlich ist: Sanpei hat eine Vorliebe für Raupen, Würmer, Maden, Käfer, Schlangen und Ratten. Seine tierischen Gefährten nimmt er überall mit hin – weder Mitschüler oder Lehrer, noch seine Familie finden das besonders witzig. So wird er ausgegrenzt. Indem er sich mehr und mehr zurückzieht, grenzt er sich schließlich selber aus.
Und hier kommt Franz Kafka ins Spiel. Eines Tages wird Sanpei von einer roten Raupe gebissen und verwandelt sich, dreimal darf geraten werden, selbst in eine Raupe. Wie schon Hideshi Hinos Manga Red Snake, ist die Farbe rot ein Leitmotiv. Die Anspielung auf Kafkas "Die Verwandlung" ist außerdem so offensichtlich, dass sie an dieser Stelle nicht unerwähnt bleiben darf. Doch während Kafkas Protagonist Gregor Samsa eines Morgens erwacht und die Metamorphose bereits hinter sich hat, erspart uns Hideshi Hino kein Detail der eigentlichen Verwandlung. Und diese ist überaus deutlich, weil schmerzhaft in Szene gesetzt. Sein Raupendasein ist nicht gerade förderlich für seine Beliebtheit. Selbst seine Familie versucht das Ungeziefer loszuwerden. Einmal verwandelt, fallen nach und nach die menschlichen Moralbarrieren. Er beginnt einen Rachefeldzug. Und wenn ihn vorher alle Menschen als Gegner betrachtet haben, so betrachtet er nun alle Menschen als Gegner.
Natürlich ist Bug Boy die Geschichte von Sanpeis Verwandlung. Mehr noch ist es eine Parabel darüber, wie die Gesellschaft mit Außenseitern umgeht. In der Schule ausgemustert, bietet nicht einmal die Familie mehr Rückhalt. Selbst dort herrscht der blanke Egoismus: Vater denkt nur an seine Beförderung, der Bruder nur an die Aufnahmeprüfung fürs Gymnasium. Sanpei ist als Insekt nur im Wege. Wie soll man dem hochverehrten Chef auch erklären, dass der Sohn so gänzlich anders geraten ist? Statt offen und ehrlich damit umzugehen, wird das Problem totgeschwiegen, mit Betonung auf tot. Und die Moral? Beim nächsten Mal den Spinner als Mittelstürmer aufstellen.
Hino Horror 2, Bug Boy
Zeichnungen und Text: Hideshi Hino
Taschenbuch (broschiert), 208 Seiten, s/w
Verlag Schreiber & Leser, 10,00 €
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© Abbildungen: Verlag Schreiber und Leser
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