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geschrieben von HeHe am
Dienstag, 28. September 1999
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Ullistrators Hirnverlust
Um die alten Münchner "Comic-Stricher" ist es ruhig geworden, die meisten verdienen ihren Unterhalt inzwischen auf dem Strich der Reklamebranche. Dennoch gründeten einige von ihnen 1995 die Ateliergemeinschaft "Artillerie". Auch Uli Oesterle arbeitet in dieser Gruppe - unter dem Decknamen "Ulistrator" für Werbeagenturen und Zeitschriften. Dabei ist der charmante Bodybuilder einer der wenigen aus seiner Gang, die sich noch ernsthaft mit dem Medium Comic befassen. Und einer der wenigen, dessen Entwicklung wirklich überrascht...
Augenfällig wurde dies spätestens bei der letzten INC-Ausstellung in Hamburg 1997: Hier präsentierte Oesterle "Die süssen Erinnerungen des Otto Mallorca", ein irrer Rückblick auf das Leben eines irren Massenmörders. Prompt heimste der Zeichner hierfür den Förderpreis als bester Newcomer ein. "Otto Mallorca" war wirklich ein Novum in Oesterles Werdegang: hatte er sein Stil schon früher so brillant wie schroff gefunden, experimentierte er hier mit skizzenhaften Kreidestrichen.
Im ersten Album des Zeichners steht "Otto Mallorca" nun ganz vorne an. Aber auch die vier weiteren Kurzgeschichten zum Thema Wahnsinn lassen Raum für neuere Erkenntnisse. Ob in "Kopfschmerzen" oder der Episode "Gib" - Düsternis lehrt Arroganz das Fürchten. Die Figuren sind skurril und selbstentlarvend. Zwei fiese Schnösel denken sich eine Legende aus über den beinlosen Krüppel-Kriminellen, und werden dann tatsächlich von ihm ausgeraubt. Ein argloser Junggeselle glaubt, seine gnomige kleine Wahnvorstellung wie einen lästigen Mitbewohner vor die Tür setzen zu können. Kein Wunder, dass dieser mit allerlei Spießgesellen wiederkehrt...
In früheren Geschichten des Zeichners dominierten die Herren als Testosteron-Junkies, und bei den Damen konnte man auch gleich sehen, wo vorne ist. Ganz anders und viel erhellender nun der neue Oesterle: Denn saftige Körperlichkeit ist wunderbar zynischen Zwischentönen gewichen.
Beibehalten hat Oesterle als Grundmotiv den Blues. Verkörpert und dargeboten wird er immer wieder von Tom Waits himself. Als Figur in den Geschichten taugt der Rockstar zum Gespräch unter Männern und bringt jene Lyrik ins Spiel, die den Umgang mit dem Wahnsinn "Frau" wohl grad noch so erträglich macht. "I just can't drink no more, cause it don't douse the flames...", singt es aus der Juke-Box. Und so endet das Album dort, wo es angefangen hat: in einer Irrenanstalt. (hehe)
Schläfenlappen-Phantasien
Text und Zeichnungen: Uli Oesterle
88 Seiten, Din B5
Zwerchfell 19,80 DM
September 1999
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Frass
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