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geschrieben von stephan am
Donnerstag, 18. Juni 1998
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Ehrlich, traurig, aber wahr
Mit diesen Worten beschreibt Adrian Tomine seine Kurzgeschichten. Ich würde noch seltsam und irritierend hinzufügen, denn nach der Lektüre konnte ich mich nicht sofort entscheiden, ob ich es gut fand oder einfach völlig überflüssig. Eins ist damit auf jeden Fall klar: Einfach will es der junge Amerikaner dem Leser nicht machen.
Er erzählt nicht von einfach gestrickten Superhelden (ja, ich weiß, es gibt Ausnahmen!) oder lustigen Cartoonfiguren, sondern zeigt uns Szenen aus dem Leben, so wie er es sieht.
Tomine beschreibt Ausschnitte, die oft keinen Beginn und Abschluß im üblichen Sinne haben, auch Höhepunkte gibt es kaum; vieles erinnert mich an einen Spaziergang durch die Stadt, bei dem man Zeuge eines Streites wird, den Anfang und den Grund dafür aber nicht mitbekommen hat, dann neugierig vorbei geht, zuhört, aber weiter geht ohne den Ausgang zu erfahren.
Es gibt viele Kurzgeschichten (gezeichnet und geschrieben), bei denen das funktioniert, doch bei Tomine kann ich daran nicht viel Gefallen finden. Zwar kann man an seinem klaren Zeichenstil nichts aussetzen, aber er hat zuviel Distanz zu seinen Charakteren, sie scheinen ihm egal zu sein und seine Darstellung erinnert eher an einen teilnahmslosen Chronisten, der nur seine Pflicht erfüllt.
Diese Teilnahmslosigkeit überträgt sich auch auf den Leser: Schon bei der ersten Geschichte fragte ich mich, was soll das? Man erlebt den Sommerferienjob eines Teenagers in einem Kopiershop: Eric hat keine Lust auf den Job, faulenzt und am letzten Tag läßt er noch ein paar Sachen mitgehen. Punkt und Schluß! Nichts von Bedeutung ist passiert. So geht es weiter durch das ganze Buch und die kurzen bis sehr kurzen Geschichten ziehen an einem vorbei ohne eine Wirkung zu hinterlassen haben.
Kritiker bewundern gerade diesen distanzierten Stil an ihm. Es fallen Begriffe wie Neo-Realismus, existentialistische Spiegelbilder der Gesellschaft, Doppeldeutigkeit und ähnliches, doch das kann meines Erachtens nicht darüber hinweg täuschen, dass diese schwarz-weißen Geschichten einfach uninteressant sind. Aber vielleicht wurden für diese Sammlung auch nur die falschen augewählt, wer weiß. Denn man sagt ihm nach, dass er besser geworden sei. Aber ob das stimmt oder nicht werde ich wohl nicht erfahren, denn mir ist es egal. (svl)
Echo Avenue
Text und Zeichnungen: Adrian Tomine
56 Seiten, Softcover
Reprodukt, 19.80 DM, öS 160,-
1996
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