|
geschrieben von ReinholtReitberger am
Dienstag, 02. Januar 2001
(4955 Aufrufe)
|
(*)
Schöne, geile Drogenwelt
Journalist Spider Jerusalem läuft als Weltverbesserer stets barfuss durch die Stadt, kämpft gegen den falschen (im Sinne von hinterhältigen) Präsidentschaftskandidaten (der dann leider auch noch die Wahl gewinnt) und er besitzt eine zweiköpfige Katze. Gleich zwei ansehnliche Praktikantinnen unterstützen hassliebend den Kolumnengott, der herabstieg vom Exil auf den Bergen in die Kloake der Megalopolis, um uns zu zeigen: Das Notebook ist mächtiger als das Schwert der verhassten Politiker.
Spider ist cool an den intimsten Stellen (zwangs-)tätowiert, er trägt eine obercoole Brille und ich komme mir neben ihm sehr bieder und spießig vor. Der Schreiber der ersten Besprechung von "Transmetropolitan" musste ja deshalb auch gleich zeigen, dass er noch fetziger als die schlimmsten, mit Speed vollgepumpten "Rolling Stone"-Journalisten in sein Notebook rotzen kann (wie gefiel dir denn der Text zu No.15? - svl). Also, sorry, ich kann das nicht, ich schreibe bieder und langweilig weiter. (Macht nix - jeder wie er kann ;-) - svl)
In der Nummer 17 von "Transmetropolitan" sind nun in einer Spezialedition einige von Spiders besten Kolumnen abgedruckt (also kein wirklicher Comic) und die wurden dann von einer Menge Gastzeichner illustriert. Ein guter Anlass, mir ganz auf die mir eigene, biedere Art die Frage zu stellen, wieso dieser fetzigste und intelligenteste Comic auf dem Markt noch nicht auch hierzulande Kult und ein Megaseller geworden ist?
Vielschreiber Warren Ellis ("The Authority, Planetary") hat eine beneidenswerte, galoppierende Phantasie. Seine Comictexte sind auch in der Realität verankert. Erst kürzlich beendete er sein Gastspiel bei "Hellblazer", da die Geschichte für Heft 141 - eine Schiesserei an einer Schule - von DC als zu hart an der Wirklichkeit gecancelt wurde. Auch in "Transmetropolitan" hat - wie in der realen Welt - der falsche Kandidat gewonnen. (Ralph Nader wäre der richtige gewesen, haha!). Wieso also ist "Transmetropolitan" nicht der Oberrenner? Machen wir vor der Beantwortung dieser Frage eine kleine Pause, ich muss mir zum Aufputschen ein Stückchen Ritter Sport "reinwerfen".
So, voll auf Dröhnung geht es fetzig weiter... Zum einen kaufen sicher viele Fans von "Transmetroplitan" das amerikanische Original, aber zum anderen spürt der Leser auch hierzulande eher intuitiv, dass dieser Comic in Wahrheit gar keine so böse Zukunftsvision ist. Ellis setzt uns in Zeiten von BSE und Big Brother ja eine geradezu erstrebenswerte Zukunft vor Augen: Dort lässt es sich noch als Individuum leben, Drogen sind preiswert und schädigen kaum das Gehirn. Die Figuren in "Transmetropolitan" sehen aus wie die Bewohner der Marskolonie in "Total Recall", es gibt tolle Typen an jeder Straßenecke.
Ja, "Transmetropolitan" ist in Wahrheit eine positive Utopie! Tja, und so etwas ist immer leicht langweilig und eigentlich war das alles bei Liberatores "Ranxerox" schon damals deftiger. Aber vielleicht ist "Transmetropolitan" nur deshalb kein Megaseller, weil dieser Comic eben so intelligent geschrieben ist. Das verstehen biedere Typen wie ich nicht immer. (rr)
Transmetropolitan - No.17: Ich hasse diese Stadt
enthält: US-Transmetropolitan: I Hate It Here
Text: Warren Ellis
Zeichnungen: Viele, viele Gastzeichner (über 30)
48 Seiten, Prestige-Ausgabe
speed, 9.95 DM, 79.- öS, 9.90 sFr
Dezember 2000
Sie können uns unterstützen! (*)Als Amazon-Partner verdienen wir an qualifizierten Verkäufen.
|
|
| |
|