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geschrieben von M.Behringer am
Dienstag, 05. Juli 2022
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Pointierte Western-Kurzcomics
„Go West Young Man“ ist kein normaler Westerncomic. Zunächst haben wir hier vierzehn Episoden, die sich mal um einen Gegenstand drehen. Es handelt sich dabei um mehr oder gar nicht aneinander anschließende Kurzcomics, aber es ist keine klassische Kurzcomicanthologie. Dann gibt es mit Tiburce Oger einen Hauptautor mit wechselnden Illustratoren bei jeder Episode. Darunter namhafte Altmeister, aber auch neue Talente. Ein ungewöhnlicher, aber umso mehr interessanter Ansatz und definitiv viel Abwechslung bei der Visualisierung.
„Go West Young Man“ beginnt als Spätwestern 1938 in Mexiko: Ein Züchter will (oder muss, denn das wird offen gelassen) seine Ranch und Pferde verkaufen. Dabei wird eine goldene Uhr zum Gesprächsthema, die eine lange Geschichte mit vielen Stationen erlebt hat. Und genau diese Geschichte mit verschiedenen Stationen und wechselnden Eigentümern wird im dann in den vierzehn Episoden erzählt.
Die erste Episode beginnt 1763 in Pennsylvania und zeigt einen Konflikt zwischen nordamerikanischen Ureinwohnern und britischen Imperialisten und die letzte spielt 1916. Dazwischen gibt es größere und kleinere zeitliche Sprünge: 1825 heiratet ein Trapper eine Ureinwohnerin, 1842 zieht ein Konvoi gen Westen, 1860 geht es um einen Reiter des Pony Express, 1863 tobt der Bürgerkrieg, 1875 werden zwei Schwerstern in Kansas entführt und nach Texas gebracht, 1879 wird eine Postkutsche überfallen, 1881 erzählt ein Cowboy vom Kampf gegen einen Bären einzig mit einem Lasso, 1882 will ein Arzt den Tod einer Prostituierten rächen ...
Es gibt also viele typische Genre-Motive und -Protagonisten, die in kurzen und ganz kurzen Episoden um die Uhr aufgestellt und inszeniert werden. Durch die Uhr gibt es einen roten Faden und bei den kürzeren Zeitsprüngen auch nachfolgende Verwandte oder man kann sich erschließen, wie die Uhr den Besitzer gewechselt hat. Die Kurzgeschichten sind allesamt pointiert und es werden alle Facetten des Genres angerissen, so dass es viel Abwechselung gibt.
Auch grafisch gibt es aufgrund der wechselnden Künstler viel Abwechselung. Wer Stilbrüche nicht mag, wird hier vielleicht nicht glücklich, aber gerade bei einer Kurzgeschichtensammlung bietet sich das an. Stilistisch ist das Artwork realistisch und es gibt keinen (Semi-)Funny-Stil. Dominique Bertail ist der einzige Künstler, der eine monochrome Kolorierung verwendet hat, der Rest hat mehrfarbige Kolorierungen benutzt. Mit dabei sind Genre-Meister wie Boucq, Prugne oder Rossi, wovon der erste viel zu kurz zum Zug kommt, aber die anderen beiden dafür länger. Ralph Meyer sticht heraus und muss als Highlight erwähnt werden.
Hat etwas gefehlt? Mir haben ein bisschen Schießereien und Showdowns gefehlt, aber vielleicht gibt’s die ja schon in anderen Comics genug. Auf jeden Fall bekommt man eine gute Mischung an Zeichenstilen, knackige Kurzgeschichten und ein originelles Konzept. Sicherlich nicht nur für Genre-Liebhaber interessant.
(c)opyright der Abbildungen, mit freundlicher Genehmigung, Splitter Verlag 2022
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