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geschrieben von emha am
Dienstag, 30. November 2021
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Cowboy History
Lucky Luke, der Mann, der schneller schießt als sein Schatten, reitet schon seit 75 Jahren durch den Wilden Westen. Zahlreiche (reale und fiktive) Orte hat er besucht, Weggefährten gehabt, Feinde besiegt. Zeit, das geballte Wissen um den Lonesome Cowboy zusammenzutragen! Dieses von den Comic-Koryphäen Horst Berner und Volker Hamann zusammengestellte Lexikon präsentiert sämtliche wichtigen Namen und Begriffe des Lucky-Luke-Universums sowie die wichtigsten Persönlichkeiten hinter den Kulissen, reich bebildert und augenzwinkernd präsentiert, als Nachschlagewerk ebenso geeignet wie für vergnügliche Lesestunden.
Doch wie fing alles an? Wir befinden uns im Dezember 1946: der Verlag Dupuis veröffentlicht den „Spirou-Almanach 1947“. Auf den 128 Seiten des Kalenders für das Jahr 1947 (im Albenformat) tummelten sich die Comicfiguren einer neuen Zeichnergeneration (Paape, Franquin, Morris). Es war die Premiere für die erste veröffentlichte Lucky-Luke Geschichte mit dem Titel „Arizona 1880“. Auf Seite 3, im letzten Bild, hat der neue Held seinen ersten Auftritt. Aus heutiger Sicht wirkt er wie eine Karikatur seiner selbst. Er trägt noch keine schwarze Weste und das gelbe Hemd ist kariert. Dafür trägt er bereits den weißen Stetson und um seinen Hals ein rotes Halstuch. Auch Jolly Jumper ist schon mit von der Partie. 1947 folgte dann die erste Lucky Luke-Story im Spirou-Magazin: „Die Goldmine von Dick Digger“ (Album erschien 1949 bei Dupuis als Band 1 der Serie).
In Deutschland begegnete Lucky Luke den Lesern erstmals im Dezember 1958 in „Der heitere Fridolin“. Von diesem Zeitpunkt an war der Westernheld fester Bestandteil der deutschen Comic-Magazine, von denen hier besonders Lupo Modern, Tip Top, Primo, ZACK und YPS zu nennen wären. 1972 startete der Koralle-Verlag (ZACK) eine Albenreihe, die nach vierzehn Ausgaben ab 1977 (Band 15 „Die Postkutsche“) vom Egmont-Ehapa-Verlag fortgesetzt wurde und noch heute dort erscheint.
Im Lexikon entdeckt der Leser natürlich vieles wieder, was er schon als Lucky Luke – Kenner in den Alben kennen und lieben gelernt hat. Schon in den ersten Lucky Luke-Storys tauchten die typischen Blockhäuser auf, die Saloons, die Planwagen und Trecks, die durch die unendlichen Landschaften zogen, in denen sich sonst nur Gesetzlose und Geier herumtrieben. René Goscinny verfeinerte diese Hintergründe durch liebevolle und gut beobachtete Details. Er brachte die neuen Berufe ins Spiel, die sich durch die Eroberung des Westens so ergaben: Treckführer, Postkutschenfahrer, Postreiter, Scouts, Cowboys, Erdölsucher und andere.
Lucky Luke ist eine Parodie der amerikanischen Pioniergeschichte und des Western-Kinos „Made in Hollywood“. Lucky Luke ist ein Cowboy, der allerdings nie dazu kommt, sich um Rinder zu kümmern, denn er muss der Gerechtigkeit zu ihrem Sieg verhelfen. Er schlägt sich mit Viehdieben, Falschspielern und Banditen herum und begegnet wahren Persönlichkeiten der Pioniergeschichte. Lucky Luke ist anspruchslos, ehrlich und hat Sinn für Humor.
Er wird von seinem Pferd Jolly Jumper begleitet, einem intelligenten und gelegentlich auch etwas spöttischen Tier, dem der Gerechtigkeitstick seines Reiters schon mal auf die Nerven geht. Jolly Jumper war von Beginn an ein treuer Weggefährte seines Cowboys. Jolly sprach aber nicht von Anfang an. Erst in relativ „hohem“ Alter lernte er sprechen, was ihn jedoch nicht davon abhielt, eine besondere Schlagfertigkeit zu entwickeln. Das „sprechende Pferd“ war recht praktisch und eröffnete neue Möglichkeiten: es war Gesprächspartner für Lucky Luke, „Gaglieferant“ und diente bei Bedarf dazu, den Lesern eine bestimmte Situation zu erklären.
Das Lexikon präsentiert natürlich auch all die exotischen Figuren und historisch belegten Personen. Nach und nach fanden viele von ihnen Einzug in das Lucky Luke-Universum. Zu diesen zählten z.B. Roy Bean, Calamity Jane, die Daltons (die Echten), Jesse James, Billy the Kid, Sarah Bernhardt, Abraham Lincoln, Rutherford B. Hayes, William Cody (Buffalo Bill), Mark Twain und Frederic Remington. Diese, von der Realität vorgegebenen Personen, ergeben karikiert die besten Funny-Figuren für einen Comic. Außerdem entsteht durch die Verwendung dieser zeitgenössischen Figuren beim Leser der Eindruck, dass er eine wahre Geschichte verfolgt.
Highlights in den Comics wie im Lexikon sind die originellen Begrüßungsschilder am Stadteingang (z. B. „Golden Glow: Fremder, hier suchten viele Gold und fanden nur Blei!“), die Sheriffs, Totengräber und berufsmäßigen Kartenspieler. Nicht selten verließen die Kartenspieler geteert und gefedert auf Eisenbahnschienen sitzend die Stadt. Die „Bösen“ sind in den Geschichten niemals grausam. Es bereitete Morris und Goscinny ein besonderes Vergnügen, die Desperados ins Lächerliche zu ziehen. Sehr amüsant sind auch die kuriosen Nebenfiguren: die Totengräber, die chinesischen Köche oder Waschsalon-Inhaber, rollstuhlfahrende Oldtimer oder Siesta haltende Mexikaner.
Sehr beliebt war bei den Lesern die Idee von Morris, Karikaturen von berühmten Filmschauspielern in seinen Geschichten auftreten zu lassen. Auch diese finden sich im Lexikon wieder. Mit Jack Palance alias „Phil Steel“ verschaffte Morris zum ersten Mal einem „echten“ Filmschauspieler eine Comic-Rolle. Ursprünglich war dies als einmaliger Gag gedacht, aber dem Zeichner gefiel die Idee und so fanden im Laufe der Jahrzehnte eine ganze Anzahl von bekannten Kino-Stars Eingang in die Abenteuer von Lucky Luke: Lee van Cleef als „Der Kopfgeldjäger“, W.C. Fields ist der Direktor im „Western-Zirkus“, David Niven als Anstandslehrer in „Calamity Jane“, Wallace Berry als Kutscher in „Die Postkutsche“, Louis de Funes in „Der einarmige Bandit“ und andere. Natürlich sorgte Morris auch für Auftritte von Gary Cooper, dem berühmten Western-Schauspieler und Regie-Legende Alfred Hitchcock.
Lucky Luke ist bei fast allen großen Ereignissen dabei, die sich im Wilden Westen abgespielt haben. Seine Abenteuer erlebt er vom Ende des amerikanischen Bürgerkriegs bis etwa zum Ende des 19. Jahrhunderts. Lucky beschränkt sich jedoch nicht nur auf den Westen, sondern zieht u.a. auch nach Kanada, Mexiko und an den Mississippi.
Und natürlich finden auch die Daltons neben all den anderen Gegenspielern Einzug ins Lexikon. Denn was wären Lucky Luke-Geschichten ohne die Daltons! Die Dalton-Idee entstand während des USA-Aufenthalts. Morris sammelte in einer New Yorker Bibliothek Material über die Banditen, die eigentlich nur zu dritt waren. Einer der vier Brüder starb bereits, bevor die anderen drei kriminell wurden. Morris fand es aber viel lustiger, alle vier gemeinsam auftreten zu lassen. Außerdem hatte Morris einen Western-Film gesehen, der von den Daltons handelte. 1951/52 ließ Morris Lucky Luke in „Die Gesetzlosen“ erstmals auf die Daltons treffen. Er griff dabei auf die historisch belegten Gangster-Brüder zurück. In der Geschichte „Vetternwirtschaft“ traten dann 1957 erstmals mit Joe, Jack, William und Averell die Vettern der berühmt-berüchtigten Original-Daltons auf, um im Namen ihrer Verwandten Rache an Lucky Luke zu nehmen.
Und dann ist da noch Rantanplan, der seinen ersten Auftritt in der Geschichte „Den Daltons auf der Spur“ hat. Zunächst nur als Nebenfigur angelegt, wurde er im Laufe der folgenden Geschichten für die Handlung immer wichtiger. Der Hund ist zwar relativ dumm, hat aber ein gutes Herz und ist immer voller guter Absichten. Er geht jeder kritischen Situation, wenn er sie denn überhaupt erkennt, aus dem Weg. Er besitzt weder Spürsinn noch ist er besonders mutig. Seine Lieblingsbeschäftigung ist das Fressen. Sein Schicksal ist eng mit dem der Daltons verbunden. Rantanplan ist nämlich der Gefängnis-Wachhund und aus diesem brechen die Daltons in schöner Regelmäßigkeit immer wieder aus. Am Ende der Geschichten werden sie von Lucky Luke jedoch immer wieder dort abgeliefert. Daran hat Rantanplan, wenn überhaupt, eher nur zufällig Anteil.
Lucky Luke ist heute noch so aktuell wie vor 75 Jahren. Dazu trugen sicher auch Autoren wie Bob de Groot, Lo Hartog van Banda und besonders Fauche/Léturgie bei, mit denen Morris seit dem Tod von Goscinny arbeitete und deren Szenarien den Abenteuern von Lucky Luke das gewisse Etwas verliehen.
Nach dem Tod von Morris übernahm Achdé die zeichnerische Gestaltung der neuen Lucky Luke-Geschichten, die grafisch ganz im Stil von Morris gehalten sind. Und so wird Lucky Luke, auch dank neuer Szenaristen wie Pennac, Benacquist, Gerra, Pessis oder Jul, noch lange für seine Fans Abenteuer erleben und am Ende jeder Geschichte singend der untergehenden Sonne entgegen reiten: „I’m a poor lonesome cowboy and a long way from home…“
Das Lucky Luke - Lexikon ist eine rundherum gelungene Publikation, in der auch Lucky Luke - Spezialisten eventuell noch etwas entdecken, dass sie noch nicht gewusst haben!
Die Lexikon-Macher:
Horst Berner (*1953) studierte Grafik und Kunst und arbeitet aus seinem Atelier „Comic Text Grafik“ seit Anfang der 1980er-Jahre für Comicverlage. Zu seinen redaktionellen und publizistischen Arbeiten zählen unter anderem die Gesamtausgaben von Asterix, Lucky Luke, Blueberry Collector’s Edition, Isnogud, Der Rote Korsar und Rudi. Er trat als Autor von Das große Asterix-Lexikon (1999) und Die Beatles im Comic (2014) sowie als Übersetzer von Blueberry, Michel Vaillant, Boule & Bill, Tassilo, Asterix, Lucky Luke u. v. m. in Erscheinung, war 1981 Gründungsmitglied des Interessenverband Comic (ICOM) und 1984 Mitinitiator des Internationalen Comic-Salons in Erlangen.
Volker Hamann (*1968) gründete bereits in der Schule mit zwei Freunden das Magazin REDDITION. 1990 hing er den erlernten Beruf des Bankkaufmanns an den Nagel und baute den deutschlandweiten Versandhandel Hummelcomic mit auf. Er ist noch heute Herausgeber der REDDITION und Mitherausgeber der Fachmagazine Alfonz – Der Comicreporter und CAMP. Er schreibt zu Comics außerdem für etliche weitere Publikationen und Verlage.
(c)opyright der Abbildungen, mit freuindlicher Genehmigung, Lucky Comics ©2021/Egmont Comic Collection.
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