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geschrieben von StefanS am
Donnerstag, 02. November 2017
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Zwei Männer und nie richtig Ruhe zum Zeichnen
Ulli Lust bleibt der Kolorierung aus „Flughunde“ treu und erzählt mit Bildern in schwarz, weiß und rosa eine Fortsetzung ihrer Lebensgeschichte und knüpft damit an ihr international beachtetes und gefeiertes Werk „Heute ist der letzte Tag vom Rest meines Lebens“ an. Nach ihrer Abenteuerreise als 17-jähriger Punk durch Italien ist Ulli nun Anfang Zwanzig und versucht als alleinerziehende Mutter den Traum vom Künstlerleben zu realisieren. Und dann ist da noch eine komplizierte Dreiecksbeziehung.
Ulli will Sex. Einfach nur Sex, Hauptsache irgendeinen Mann finden, möglichst einen dessen Penis nicht so klein ist wie der ihres aktuellen, deutlich älteren Lebensabschnittsgefährten, mit dem sie eine offene Beziehung führt. Dieser Georg ist lieb und nett, ein Künstler, der Theaterstücke inszeniert, mit dem Ulli tiefgründige Gespräche führen und von dem sie vieles lernen kann, insbesondere über Kunst. Aber er ist auch schwermütig und etwas träge, hat ein schwieriges Verhältnis zu seiner Mutter und Ulli sehnt sich nach Freiheit und Abenteuer. Ihre Beziehung zum Nigerianer Kim entsteht eher zufällig und bietet beiden in erster Linie ausgelassenen, befriedigenden Sex. Ansonsten sind sie völlig gegensätzliche Menschen mit völlig anderen Werten, aus extrem unterschiedlichen Kulturen. Kim freut sich, dass er von Ulli nicht auf seine Hautfarbe reduziert wird, kommt aber überhaupt nicht mit einer offenen, emanzipierten Frau zurecht. Die Dinge werden komplizierter und die junge Zeichnerin muss zahlreiche Rückschläge verkraften, auch bei ihrem mühsamen Versuch, es als professionelle Zeichnerin zu schaffen.
Ein Pageturner, wie man es im Deutschen sprachlich so unschön nennt, ist dieses spannende Buch geworden! Ulli Lust ist eine hervorragende Erzählerin, die eine universelle und relevante, eine aktuelle und zugleich zeitlose Geschichte erzählt über Liebe, Eifersucht und Selbstbehauptung. Zeichnerisch ist alles so polarisierend wie immer: wirklich nicht jede Seite schreit danach gerahmt an der Wand zu hängen, wenn man sonst mehr auf Jim Lee, Moebius oder Jack Kirby steht, aber es gibt sie doch immer wieder die detaillierten, schönen Zeichnungen. Das Wichtigste aber, zumal bei einem Comic: Lusts Bilder funktionieren als Sequenz, der Erzählfluss ist geschmeidig, durchdacht und funktioniert ganz wunderbar und beeindruckend.
Es ist eine kalte Liebesgeschichte, auch eine kalte Welt, die in der Graphic Novel ausgebreitet wird. Ungeschönt werden nahezu alle Klischees über Schwarze und ältliche, weinerliche, weiße Künstler bedient. Kim stiehlt Ulli heimlich Geld aus der Tasche, er schlägt Frauen und hält sie für nicht gleichberechtigt. Auch wenn die Wahl für die beiden Männer beim Leser für Unverständnis und Ratlosigkeit sorgt, vermittelt die Autorin überzeugend, warum ihr die Beiden wichtig sind. Liebe führt zu irrationalen Entscheidungen und so leidet man mit der Figur, die schonungslos ihre eigenen Defizite und Zweifel eingesteht. Sie lebt noch als Erwachsene wie ein Kind in den Tag hinein, lässt den Sohn bei der Oma, kennt nicht mal den Namen seines Erzeugers. Sie ist überfordert und idealistisch. Sie ist einfach menschlich und liebenswert.
Ein intensives Leseerlebnis und für mich: Der Beste Comic des Jahres 2017. (Stefan Svik.)
Wertung: 87 %
Wie ich versuchte, ein guter Mensch zu sein
Genre: Graphic Novel
Text & Zeichnungen: Ulli Lust
Klappenbroschur, 367 Seiten, s/w und rosa
ISBN: 978-3-518-46813-5
2017 Suhrkamp, 25 Euro
Am Besten kauft man sich den Comic beim Comichändler seines Vertrauens
...jedoch... Wie ich versuchte, ein guter Mensch zu sein kann man auch hier kaufen
(c)opyright der Abbildungen mit freundlicher Genehmigung: Suhrkamp Verlag Berlin 2017
LESEPROBE: Uli Lust - Wie ich versuchte, ein guter Mensch zu sein
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