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geschrieben von Micha am
Sonntag, 19. Juni 2016
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Die Geschichte der Mama Cass
Die kleine Ellen Cohen ist hin und weg. Ihr Papa hat sie in die Oper mitgenommen, und sie ist begeistert. Papa schlägt vor, dass Ellen als Dank für dieses Geschenk mal richtig ordentlich isst. Aber Ellen hat eigentlich nie Hunger, ihr geht es auch ohne Futtern gut. Als Ellen eine kleine Schwester bekommt, ist sie jedoch plötzlich nicht mehr Zentrum der Aufmerksamkeit ihrer Eltern. Nun tut sie den Eltern den Gefallen und isst. Und isst. Und isst. Und wird das dickste Mädchen der Schule, so dick, dass sie schon als Jugendliche das Amphetamin Dexedrin als Appetithemmer nimmt. Ellens Liebe für Musik ist so groß und ihre Stimme so stark, dass sie eine Musikkarriere anstrebt und den Künstlernamen „Cass Elliot“ annimmt, doch ihr Äußeres steht ihr dabei immer wieder im Weg. Musikproduzenten sagen „ja, aber“: Engagement gibt's nur, wenn Cass abnimmt. Ihre Unsicherheit wegen ihres Gewichts versucht sie durch unkonventionelles Verhalten und Drogenkonsum zu überspielen. Auch Bandleader John Phillips, der gerade Cass' Freund und Gitarristen Denny in sein Folk-Trio aufgenommen hat, wehrt sich mit Händen und Füßen, sie ebenfalls mitmachen zu lassen. Erst als Cass für das Trio bei einem Vorsingen gesanglich „aushilft“ und Produzent Lou Adler nur alle vier oder keinen akzeptiert, lenkt John widerwillig ein, und „The Mamas & the Papas“ sind geboren. Der Song „California Dreamin'“ wird zum Hit, doch die Banddynamik mit zwei Frauen und zwei Männern erweist sich als äußerst fragil.
Dass Pénélope Bagieu hervorragend zu erzählen weiß, hat sie schon mit „Wie ein leeres Blatt“ und „Eine erlesene Leiche“ bewiesen. In „California Dreamin'“ benutzt sie den Kniff, jedes einzelne Kapitel aus der Sicht eines anderen Menschen aus Cass' Leben zu erzählen. Pfiffigerweise wird die Zeit bis zur Geburt der kleinen Schwester von eben dieser erzählt, während Cass' Vater von seiner eigenen Beerdigung und der Zeit direkt danach berichten darf. Den Charakter ihrer Hauptfigur arbeitet Bagieu mit geschickt konzipierten Szenen gekonnt heraus. Sie hat darüber hinaus die Zeichentechnik gewechselt und diesmal nur mit dem Bleistift gearbeitet, was noch einmal ausdrucksvoller ist als ihre früheren Werke. Die vielen bekannten Personen der Folkszene der sechziger Jahre trifft sie optisch hervorragend. Nur David Crosby hat sie einen Look verpasst, den der erst zehn Jahre später trug.
Cass Elliots frühen Tod im Alter von 32 Jahren 1974 an Herzversagen behandelt Bagieu in diesem Band nicht mehr, ebenso wenig ihre zunehmenden Drogenprobleme, die sie nur andeutet. Die Erzählung bricht bei der Bandkrise kurz nach Gründung der „Mamas & Papas“ etwas unvermittelt ab, doch bis dahin ist der Comic unbedingt lesenswert.
California Dreamin'
von Pénélope Bagieu,
272 Seiten,
Carlsen Verlag, 19,99 Euro
Am Besten kauft man sich das Comic beim Comichändler seines Vertrauens
...jedoch...
California Dreamin' kann man auch hier kaufen
(c) der Abbildungen mit freundlicher Genehmigung: Carlsen Verlag 2016
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