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geschrieben von Micha am
Donnerstag, 16. Juni 2016
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Ich bin ein Mann
Die 18-jährige Andrea wäre nicht gerne ein Mann, sie ist einer. Dieses Gefühl wird leider von ihrem bzw. seinem Körper nicht geteilt, denn der ist eindeutig weiblich. Unbestreitbar hat dieser Körper einen störenden Busen entwickelt, den Andrea mit behelfsmäßigen Bandagen plattbindet, was ihr/ihm viele blaue Flecken einbringt. Dazu noch ein aufgeschminkter Bartschatten, und Andrea sieht zumindest im Spiegel den Kai, als der sie sich fühlt. Andrea wird klar, dass es so nicht weitergehen kann. Doch die Konsequenzen eines Geschlechtswechsels machen auch Angst. Ihr bester Freund und Computerspiel-Buddy Marko nimmt ihr Outing gelassen auf, für ihn war sie immer mehr Kumpel als Freundin. Aber wie werden die Eltern reagieren? Wie wird die Freundin Britta, die sich zu Andrea auch erotisch hingezogen fühlt, zu Kai stehen? Wird der Psychotherapeut eine Hormonbehandlung empfehlen? Doch mit jedem Schritt, den Andrea auf dem Weg zu Kai macht, fühlt es sich richtiger an.
Auch wenn die Katholische Kirche, Rechtspopulisten und osteuropäische Diktatoren das anders sehen, transsexuell ist man nicht aus bösem Willen, sondern weil man es ist. Die Zeichnerin Sarah Barczyk entschied sich bewusst, nicht alle denkbare Tragik eines Transgender-Lebenslaufs auszuloten, sondern „die Geschichte eher locker und mit einer positiven Grundstimmung zu schreiben, dass es trotz Rückschlägen und Tiefs möglich ist, seinen Weg zu gehen.“ Die Geschichte hat dennoch viel Tiefgang; Kais Zweifel und Gefühle werden gelungen dargestellt, ebenso das Unbehagen, das manche andere empfinden, die mit der Situation konfrontiert werden. Sehr schön auch, wie Symbolik eingesetzt wird, etwa wenn Andrea/Kai in strömendem Regen deprimiert einen Friseursalon betritt, mit feschem kurzem Herrenhaarschnitt herauskommt und freudig feststellt: „Ah, endlich regnet es nicht mehr!“ Schade, dass der Band schon nach 80 Seiten zu Ende ist; ich hätte ihn gerne dreimal so lang gehabt und Kais weitere Entwicklung gelesen.
Sarah Barczyk hatte „Nenn mich Kai“ im Jahr 2014 als Bewerbung für das zum zweiten Mal ausgeschriebene Comic-Stipendium des Egmont Verlags eingereicht und gewonnen. Bei der ersten Ausschreibung 2012 hatte Olivia Vieweg mit „Antoinette kehrt zurück“ überzeugt. Bedauerlich, dass Egmont, nachdem es zwei so großartige Ergebnisse gezeitigt hat, das Stipendium in diesem Erlangen-Jahr offenbar nicht wieder ausgeschrieben hat.
Nenn mich Kai
von Sarah Barczyk,
80 Seiten,
Egmont, 14,99 Euro
Am Besten kauft man sich das Comic beim Comichändler seines Vertrauens
...jedoch...
Nenn mich Kai kann man auch hier kaufen
Video zu Nenn mich Kai
(c) der Abbildungen mit freundlicher Genehmigung: Egmont Ehapa 2016
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