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geschrieben von Micha am
Donnerstag, 14. April 2016
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Die Zicke
Dorle, Studentin der Kulturphänomenologie, ist die voll endkrasse Bitch, die genau weiß, was man liken und was man haten muss. Sie shoppt nur in den fanciesten Läden und weiß um die befreiende und reinigende Wirkung des Löschens falscher Facebook-Friends. Alter, Dorle ist dermaßen mega-cool, dass sie für Schlechtes in ihrem Leben gar nicht verantwortlich sein kann. Dass sie zum Beispiel eine Psychotherapeutin braucht, das ist logischerweise bloß deswegen, „weil ihr alle zu dumm und zu kindisch seid, um mehr als 'nen saublöden Spruch gebacken zu kriegen, wenn ich EIN MAL Hilfe brauch!“, wie Dorle ihre beste Freundin Nini anpunkt.
Und jetzt der Schock: „Ihr wollt mein Studium also nicht ewig weiterfinanzieren?!?“ Ihre Eltern, ein stinkreiches Ehepaar aus der 68er-Generation, werfen Dorle allen Ernstes dem neoliberalen Ausbeutungsmoloch zum Fraß vor, sie muss, man stelle sich das vor, arbeiten gehen. Auch Dorles Mutter hatte in ihrer Jugend Entbehrungen durchzustehen: Sie wäre gerne in die Schweiz gegangen, doch ihre Mutter zwang sie, in Paris zu studieren, wo sie mit einer winzigen Mansardenwohnung vorlieb nehmen musste, die Ärmste.
Dorle hat eigentlich „kein Bock auf so sickn Scheiß“, nimmt aber einen Job in einem Secondhand-Kleiderladen an. Sie findet es zwar voll schwachsinnig, dass sie um 10 da sein soll, wenn der Laden erst um 11 aufmacht, aber als Kompromiss kommt sie eben 10 Uhr 40. Dorles Abenteuer geht jedoch erst dann richtig los, als sie ein Foto ihrer total abgestürzten Freundin Nini („hihi, voll die Cracknutte, hihi") auf Ninis eigener Facebook-Seite postet, mit unvorhersehbaren Folgen...
Die in Hamburg lebenden Mittvierziger Calle Claus und Olli Ferreira haben in ihrem Gemeinschaftswerk die wahrscheinlich manipulativste und ichbezogenste Frauengestalt seit Scarlett O'Hara erschaffen. Sie kosten es genüsslich aus, den Gegensatz zwischen Dorles Eigenwahrnehmung und ihrer maßlosen Überheblichkeit Anderen gegenüber herauszuheben. Großartig auch, wie sie den Menschen auf Maul geschaut haben und die verschiedenen Sprechweisen der Gesellschaftsschichten und Generationen wiedergeben. Mit Dorles Eltern, dem sanftmütigen altlinken einstmals kiffenden Architekten und der frankophilen rotweintrinkenden Von-Paris-Schwärmerin, haben Claus und Ferreira eher ihre eigene Elterngeneration porträtiert als die einer Tochter, die im Jahr 2016 Mitte 20 ist. Mit ihrem Habitus sind sie eigentlich etwa 20 Jahre zu alt, um Dorles Eltern zu sein, aber es funktioniert trotzdem. Claus und Ferreira haben auch gemeinsam gezeichnet, so dass sich Kenner den Spaß machen können, herauszufinden, von wem welche Zeichnung ist. Abschließendes Urteil über „Dorle“: Wie bäm ist das denn?
Dorle
von Calle Claus und Olli Ferreira,
144 Seiten,
Zwerchfell, 16,90 Euro
Am Besten kauft man sich den Comic beim Comichändler seines Vertrauens
...jedoch... Dorle kannst Du auch gerne hier kaufen.
(c) der Abbildungen mit freundlicher Genehmigung: Zwerchfell Verlag, Calle Claus und Olli Ferreira, 2016
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