|
geschrieben von M.Behringer am
Dienstag, 28. August 2012
(5283 Aufrufe)
|
(*)
Nostalgische Eisenbahn-Groteske
Normalerweise arbeitet der belgische Zeichner François Schuiten mit einem Szenaristen zusammen. Ein paar Arbeiten entstanden gemeinsam mit seinem Bruder Luc, aber hauptsächlich wurde er bekannt durch seine Reihe 'Die geheimnisvollen Städte', die von Benoît Peeters inszeniert wurden. So scheint es nicht wenig überraschend, dass 'Atlantic 12' ein Soloprojekt des belgischen Zeichners geworden ist.
Der gealterte Lokführer Van Bel soll am besten wie seine Dampflok 12.004 ausrangiert werden. Sein ganzes Leben hat er hingebungsvoll als Lokführer auf und für die '12' hingegeben. Doch jetzt kommt mit der Elektrifizierung die Hochseilbahn, die als sauber und modern gilt. Diese führen hinauf zu den Städten, die für Van Bel unbekannt und unerreicht erscheinen. Er wehrt sich mit anderen hartgesottenen Nostalgikern gegen die Modernisierung und entführt die '12'. Dann tritt das stumme Mädchen Elya in sein Leben, die Metalle klaut.
'Atlantic 12' könnte auch ein Szenario von Benoît Peeters sein. Alle typischen Zutaten sind auch hier vorhanden: Die Ausgangslage ist stets der Einbruch von etwas Fremden oder Unbekannten die bestehende Weltordnung der Protagonisten. Danach erfolgt meist eine Entwicklung des Zerfalls, gegen die sich der Anti-Held zunächst wehrt, um dann doch neue Wege zu erkunden. Schuiten verknüpft diese Motive aus der Groteske mit seinem scheinbaren nostalgischen Faible für die historische Dampflok 12.004.
Diese Vermischung funktioniert sehr gut, weil Schuiten eine interessante Erzählweise verwendet: Die Geschichte wird durch Voice Over-Passagen aus der Sicht von Van Bel erzählt. Zeitliche Sprünge, die zunächst irritieren, werden später aufgelöst. Obwohl es diesmal keine phantastischen Elemente gibt, hat Schuiten dennoch eine 'Groteske Light' geschaffen, in der der Zerfall subtiler und die Veränderungen der Welt realistischer erscheinen. Die Wirklichkeit wird nur durch wenige Verfremdungselemente verändert, wodurch der Übergang von den historischen Fakten zur Fiktion fließend verläuft.
Die Figurencharakterisierungen gelingen Schuiten recht gut. Einzig Elya kommt viel zu kurz. Überhaupt ist bei 'Atlantic 12' eine Überbetonung des Maskulinen festzustellen: viel Technik, strenge Architektur, fast nur Männer, rationale Dialoge. Wie gewohnt brillieren dafür die Schwarzweißzeichnungen durch eine dichte Atmosphäre und einen detailreichen Realismus. Feine und grobe Texturen weichen die harten Kontraste auf. Stahlkonstruktionen und natürlich die Eisenbahndarstellungen wirken wie Parademotive für Schuiten, die der Belgier in größeren Panels voll zur Geltung kommen.
Mit 'Atlantic 12' hat Schuiten Comicgeschichte geschrieben. Das liegt weniger an den reizvollen Zeichnungen oder der gut konstruierten Erzählung. In Ergänzung zum Comic kann mit Hilfe einer Webcam und eines PCs eine 3D-Simulation abgespielt werden, die die 12.004 durch Technik zum neuen Leben erweckt. Für Nostalgiker und Technikfreaks dürfte das ein Schmankerl sein.
Atlantic 12
Von François Schuiten
Hardcover, 88 Seiten
schreiber&leser 2012
Diesen Comic bekommt man am Besten beim Comichändler seines Vertrauens!
Jedoch... Atlantic 12 kannst Du gerne auch hier kaufen.
© Abbildungen mit freundlicher Genehmigung: Schreiber und Leser + Autoren
Sie können uns unterstützen! (*)Als Amazon-Partner verdienen wir an qualifizierten Verkäufen.
|
|
| |
|