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geschrieben von Micha am
Mittwoch, 05. Mai 2010
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Zu wenig!
Puh!... ich war sehr gespannt auf dieses Buch, weil mich das Thema Autismus persönlich interessiert und ich neugierig war, wie ein Comiczeichner die Erfahrungen mit seinem autistischen Kind umsetzen würde. Und ich hätte nicht gedacht, dass der Zeichner so wenig Mühe darin investieren würde.
Im Grunde ist „Maria und ich“ nicht einmal ein Comic, denn dazu müssten die Bilder mehr Information tragen und optimalerweise mit dem Text eine Symbiose eingehen. Tatsächlich ist „Maria und ich“ ein illustrierter Text, zwar ein handgeschriebener, aber auch sehr langweiliger und oberflächlicher Text. Gallardo beschreibt den gemeinsamen Urlaub mit seiner autistischen Tochter auf Gran Canaria und verliert sich auch mal seitenweise in die Beschreibung deutscher Touristen. Das wäre im Prinzip nicht schlimm, aber bei der ohnehin geringen Seitenzahl doch schon ein überproportionaler Exkurs.
Insgesamt macht der Band den Eindruck eines Urlaubsdiavortrags, nur ohne Bilder. Mir scheint, Gallardo hat sich an den „Carnets de bord“ von Lewis Trondheim orientiert, der in seiner Serie auch seine Reiseerlebnisse schildert, nur dass im Gegensatz zu Gallardo Trondheim diese pointiert aufbereitet und seine Gefühlseindrücke in den Bildern anschaulich zu machen versteht. Gallardo scheint auch Trondheims zeichnerische Herangehensweise aus den „Carnets de bord“ übernommen zu haben, nämlich „garantiert ohne Vorzeichnungen, Tipp-ex oder Korrektur von Rechtschreibfehlern“, wie Trondheim seinen Lesern versichert. Bei Gallardo entstehen so leider fast ausschließlich uninspirierte Bilder mit praktisch völligem Verzicht auf das Zeichnen von Hintergründen.
Was die Darstellung der Besonderheiten seiner Tochter betrifft, beschränkt Gallardo sich auf lapidare Feststellungen in der Art wie „Bei Maria ist da so und so“, dazu eine hingeschluderte Illustration. Zu wenig bemüht er sich, die Alltagsschwierigkeiten fühlbar zu machen. Wenn Maria scheinbar funktionslose Handlungen immer wieder gleichförmig wiederholt, muss man in einem Comic diese Wiederholungen auch im Bild zeigen und nicht ein Bild zeichnen und dazuschreiben, dass sie das immer wieder wiederholt. Ein einziges Mal versucht Gallardo, seine eigenen Gefühle anschaulich zu machen mit einem ganzseitigen Bild, in dem riesige Augen über der Silhouette von ihm und seiner Tochter schweben, dazu der Text: „...und immer wieder diese Blicke, immer diese Blicke“ - doch dem Bild fehlt jegliche Intensität. Gallardos Aussage ist offenbar „eigentlich ist das alles kein Problem, und Maria geht’s immer gut“. Schön, wenn es so ist, aber darüber hätte man kein 68seitiges Hardcoverbuch machen brauchen.
Immer wieder weist Gallardo seine Leser darauf hin, wie sehr Maria seine Zeichnungen gefallen. Das macht die Zeichnungen leider noch nicht zu einem guten Comic. Es zerreißt mir selbst das Herz, diesen Band so zerreißen zu müssen, denn rein vom Stil her sind die Zeichnungen gefällig und angenehm anzuschauen. Vielleicht hat sich Gallardo auch aus Rücksicht auf seine Tochter so zurückgehalten, denn die wird diesen Band über sich selbst wohl auch zu sehen bekommen, und soll dadurch natürlich nicht traumatisiert werden. Aber selbst dann hätte gerne auch ein bisschen mehr Mühe investiert werden können. Eine verpasste Chance!
Maria und ich
von Maria und Miguel Gallardo,
68 Seiten, Hardcover,
Reprodukt, 14 Euro
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(c) der Abb.: Reprodukt und Gallardo
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