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geschrieben von ReinholtReitberger am
Donnerstag, 02. November 2000
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Ödipus auf blutiger VatersucheJa,ja. Blut ist eben viel dicker als Wasser und verhindert leider auch oft den klaren Durchblick. Wenn in "Blutsbande" die Hauptfigur mit zweitem Vornamen Ödipus heißt, wenn die Geschichte letztlich als krasser Konflikt zwischen Sohn und Vater interpretiert werden kann (Sohn sucht den ihm unbekannten Vater oder umgekehrt) und hier Hermann Vater eine Geschichte von Hermann Sohn zeichnet, ja, dann guckt der Comic-Fan schon etwas genauer hin.
Einerseits signiert Hermanns Sohn nur als "Yves H.", versteckt also seinen Nachnamen "Huppen" für den unbedarften Leser, andererseits wurde im Vorfeld der Veröffentlichung von "Blutsbande" mit Interviews kein Hehl daraus gemacht, dass der berühmte Papi hier seinem Sohnemann etwas in die Steigbügel zum Ritt Richtung Autorenruhm hilft. Gucken wir also etwas genauer hin.
Bei der "Bluthochzeit" hatte sich Hermann nach eigenem Bekunden als Zeichner etwas unwohl gefühlt, da ihm einige Charaktere zu nahe an der Gegenwartsrealität waren. Hermann ist nach eigenem Bekunden kein großer Menschenfreund. Er ist als Zeichner eher in der Vergangenheit zu Hause oder in einer postatomaren Zukunft ("Jeremiah"), in der die Menschheit schon berechtigt ihr Fett abgekriegt hat.
Hier in "Blutsbande" illustriert er nun eine klassische Detektiv-Geschichte aus den 50er Jahren. Es ist überdeutlich ein "film noir" oder will zumindest als solcher gelten, mit viel Sepiatönen, wobei die deutsche Ausgabe mit etwas mehr Gelb im Druck das Ganze unnötig 'farbiger' gestaltet und namentlich dem Blau die ursprüngliche Kühle der französischen Fassung raubt.
Die Story ist altbekannt. Naiver Polizist untersucht Mordserie, alle rundherum sind korrupt, einer nach dem anderen wird hingemetzelt, der Naivling ist in Wahrheit selbst Opfer und Spielball und kapiert bis zum Schluß - wie der Leser - herzlich wenig. Dem Script hätte etwas mehr Gefeile und Nachdenken gut getan, dem kurzen Abstand zu "Bluthochzeit" zufolge hat auch Hermann-Vater die "Blutsbande" selbst sehr schnell gemalt.
Zitate aus den Filmen der schwarzen Serie, ja bitte, aber dann etwas intelligenter eingesetzt. Wenn der Privatdetektiv wie Humphrey Bogard aussieht und Phillip Meadows heißt und der Pate einen auf Marlon Brando macht, ist das Spiel schlicht zu plump, wenn es nicht bis in die Nebenfiguren hinein weitergeführt wird.
Das Girl Gladys sieht nur beim Singen und mit gutem Willen des Betrachters wie "Gilda" aus. Dazu werden als Krönung einmal Edwin Hoppers einsame Menschen im Diner nachgemalt. Das ist Bildzitiererei für Anfänger und unter Hermanns Niveau.
Aber lassen wir das alles einfach mal durchgehen. Hermann Vater ist ein Genie, das mit seiner Bildkraft und der üblichen Schnitttechnik auch ein zu schnell geschriebenes Script von Hermann Sohn verkraftet und veredelt. Na gut, vielleicht ist das Ganze ja nur ein Hilfeschrei des Kindes nach mehr Aufmerksamkeit des berühmten Vaters. Beim nächsten Album wünschen wir uns aber bitte doch wieder ein Script von Van Hamme oder was Deftiges vom Meister selbst. (rr)
Blutsbande
Text: Yves H.
Zeichnungen: Hermann
56 Seiten, Hardcover-Album
Kult Editionen, 24.80 DM
November 2000
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