Comic Radio Show

Interview mit John Bolton (deutsche Übersetzung)

Interviews / Understanding Comics
geschrieben von Maqz am 08.05.1998, 15:22 Uhr

Bolton
Wer das Interview lieber im englischen Original lesen will, sollte diesen Link
folgen


Comic Radio Show: Wußten Sie, dass sie auf einer Trading Card sind?
John Bolton: Ja, das wußte ich. Aber ich finde diese Trading Cards ein wenig seltsam gemacht, so dass ich auf Tagungen nicht erkannt werde. 
CRS: Haben Sie je davon geträumt, auf einer Trading Card abgebildet zu werden?
JB: Nein, das ist etwas, worüber ich mir eigentlich nie Gedanken gemacht habe. Ich bin immer wieder überrascht und fasziniert, dass so viele Dinge in dieser Industrie passieren. Es ist fast so, als wäre man ein Rockstar. Man wird auf der Straße erkannt und seine Fotos regelmäßig irgendwo veröffentlicht. Als ich eine Signierstunde in Bologna hatte ist mir was überraschendes passiert: Wir waren auf dem Weg zu dem Laden und waren eine halbe Stunde zu früh dran. Zwei Leute kamen auf uns zu und einer erkannte mich. Sie waren fünf Stunden mit dem Zug aus Neapel gefahren nur um mich zu treffen. Aber sie mußten ihren letzten Zug zurück erreichen und so habe ich mitten auf der Straße ein paar Zeichnungen für sie gemacht. In solchen Momenten fühlt man, dass man berühmt ist.  
CRS: Ist dies ein gutes Gefühl?
JB: Ich bin immer wieder überrascht. Als Künstler arbeite ich größtenteils in einer Art Vakuum. Als ich in London arbeitete hatte ich z.B. Kontakt den Lektoren. In Amerika geht alles in die Post. Ich treffe die Leute, mit denen ich arbeite gar nicht. Das ist das eine Extrem und das andere ist der hohe Bekanntheitsgrad.Batman - Manbat
CRS: Wie lange haben sie z.B. an Manbat [1]
gearbeitet?
JB: Jeder dachte wohl, dass ich viel länger daran gearbeitet habe als es in Wirklichkeit der Fall war. Als ich das Projekt annahm hatte ich bereits bei zwei weiteren Projekten zugesagt, die jederzeit beginnen konnten: Einerseits zusammen mit Sam Raimi eine Comic-Adaption von "Armee der Finsternis", andererseits eine Buchillustration zusammen mit Chris Clairborne. Ich begann also Manbat und zeichnete 15 Seiten. Dann machte ich weiter mit 75 Seiten für eine andere Geschichte, komplett gemalt [und nicht gezeichnet. Die Red.], und 40 Bilder für das Buch. Erst dann setzte ich die Arbeit an Manbat fort. Es gab also eine große Lücke dazwischen und die Leute fragten sich was los war. Das war aber eine Ausnahme. 150 Seiten vollständig ausgearbeitete Seiten waren schon eine enorme Aufgabe. 
CRS: Fällt es Ihnen leicht Comics zu malen?
JB: Ich nehme nur die Aufträge an, die ich möchte. Wenn man für sechs, sieben Monate an so einer Aufgabe sitzt geht man eine Verpflichtung ein. Man will den Enthusiasmus und die Professionalität von der ersten bis zur letzten Minute beibehalten. Man geht eine Verpflichtung ein, mit der sehr viel verbunden ist. Ich treffe den Texter und wir reden über das, was wir machen. Es ist für mich sehr wichtig, dass das, was ich mache von Dauer ist. Geld ist nicht wichtig. Zitieren sie mich nicht (lacht). Auch wenn ich fast nichts für eine Arbeit bekomme stecke ich doch dieselbe Energie hinein. Ich habe eine paar VAMPIRE NUDES für Glamour International gemacht und dafür kaum etwas bekommen. Dafür konnte ich es drei Jahre später in verschiedenen Projekten wieder verwenden. Man muß alles mit der richtigen Mentalität angehen und versuchen Qualität zu produzieren. 

CRS: Wie sieht ihre Mentalität aus? Fühlen Sie sich wie ein Künstler oder wie ein Comic-Künstler? Gibt es da einen Unterschied?
Bolton by Bischoff

JB: Ich bin ein Künstler, der gerne Geschichten erzählt. Und darum male ich und darum ist meine Arbeit sehr persönlich. Aber man muß es tun wollen. 
CRS: Was halten Sie von der Comic-Industrie? Wie hat man in Amerika auf Manbat reagiert, ein komplett gemalter Comic eines sehr populären Themas?
JB: Manbat wurde sehr gut angenommen. Es wurde über 100.000 mal verkauft. Und das an einem Punkt in an dem die Industrie in eine Krise rutschte. Es gab einen starken Einfluß für all die Comics, die auf einem sehr künstlichem Level gemacht wurden, ein bißchen Silber hier, ein wenig Platin dort und das alles in demselben Comic. Als MANBAT dann schließlich heraus kam, zu einem Zeitpunkt, als die Industrie immer noch ihre Probleme hatte, wurden über 100,000 verkauft. Das war sehr bemerkenswert, vor allem wenn man den Verkaufspreis bedenkt.  
CRS: Meinen Sie, dass eine Entwicklung zu dieser aufwendigen Art
von Comics gibt, wie z.B. Bei Alex Ross "Marvels" oder "Kingdome
Come
"? Mit dieser hohen Qualität in Zeichnungen UND Geschichte?
JB: Ja, aber nicht jeder, der einen Pinsel in die Hand nimmt, kann zeichnen, das ist die andere Seite. Es ist sehr wichtig die Integrität zu bewahren. Alex Ross kann malen, kein Zweifel, aber man kann nicht gemalte Comics um ihrer selbst willen produzieren. Dann tut man es aus den falschen Gründen. Als ich begann in Amerika zu arbeiten gab es nur zwei Firmen die vollständig gemalte Arbeiten veröffentlichten: Die eine war Heavy Metal, die andere Epic Illustrated. Epic versuchte es mit der europäischen Richtung, die es europäischen Zeichnern erlaubte einfach zu zeichnen. 
CRS: Wie z.B. bei Marvel UK
JB: Das war etwas später. An dem Punkt, von dem ich rede, ca. 1981/82 so um den Dreh, gab es sehr wenige Verlage für komplett gemalte Arbeiten. Aber es wuchs sehr schnell. Es gab John J. Muth mit Moon Shadow und einige mehr. Aber für mich muß es einen guten Grund geben, damit ich mich hinsetze und einen Comic male. Um es von allem anderen, das erhältlich ist, abzuheben. 

CRS: Ich nehme an, dass Sie von der Comic-Kunst gut leben.- Aber könnten sie nicht mehr verdienen, wenn sie nur einzelne Gemälde machen würden?
JB: Sicher, falls das mein einziger Grund wäre, in der Industrie tätig zu sein. Aber ich möchte Geschichten erzählen.Mens Insana
CRS: Welche Art Geschichten?
JB: Solche die sich unterscheiden. Meine aktuelle Geschichte ist MENS INSANA; darin geht es um einen Typen, der auf der "Verrückten Ebene" lebt. Das unterscheidet sich enorm von MANBAT, was wiederum sehr anders ist als BLACK DRAGON oder MARAUDER. Alles was ich mache soll anders sein. 
CRS: Was wird denn Ihr nächstes Projekt sein?
JB: MENS INSANA ist beendet. Zur Zeit arbeite ich an drei Graphic Novels und ich jongliere ein wenig damit. Mal sehen welches davon zuerst fertig wird. So arbeite ich: Ich versuche Projekte so weit im Voraus fest zu legen wie möglich, so dass ich in meinem Kopf bereits einen bestimmten Stil mit der Geschichte und dem Comic assoziieren kann. So wird mein nächstes Projekt einen anderen Stil haben, das danach hätte wieder einen neuen und so weiter. 
CRS: Machen Sie dies, damit Sie sich weiter entwickeln oder um immer wieder etwas neues auszuprobieren?
JB: Beides. In vielerlei Hinsicht sind es die Leute, mit denen man arbeitet und die Geschichte, die man zu erzählen hat. Mit MENS konnte ich nicht in der klassischen Art und Weise an das Thema heran gehe; es ist ziemlich abgedreht, fast so was wie Slapstick, mit einem hohen, witzigen Tempo. Also muß die Illustration das auch widerspiegeln. Sonst wirkt alles zu schwehrfällig. Es muß ein Gleichgewicht existieren. Man muß als Team arbeiten. So arbeite ich also: Ich packe einen Stil beiseite, katalogisiere ihn für eine bestimmte Geschichte, weil es wichtig ist, dass beides zusammen arbeitet.Markus und J. Bolton
CRS: Vielen Dank für das Interview.
JB: Gern geschehen. 
Das Interview wurde geführt von mg [2], Bilder von Frank Bischoff, übersetzt von svl [3]
Weiterführende Links:
Mehr über John
Bolton
.
Rezension "Batman
- Manbat
".
Wir bedanken uns beim Münchner Comicfest für die Interview-Möglichkeit.

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