Comic Radio Show

XX-Fräuleinwunder - No.1

Rezensionen / Independent
geschrieben von HeHe am 07.02.1999, 13:41 Uhr

Zeichnerinnen mit Quotenmann


CoverIn der deutschen Profiliga sind kaum eine Handvoll Zeichnerinnen zu finden: Bei großen Sammel-Ausstellungen, wie denen der Initiative Comic-Kunst (I.N.C. [1]) in Hamburg, läßt sich der Frauenanteil auf ca. 10 Prozent abzählen. Immerhin gibt es sie schon: jene furchtlosen Damen, die sich nicht vom sexistischen Mainstream-Angebot der Comicläden schrecken lassen, sondern selbst zur Feder greifen.

Um deren Schaffen sichtbar zu machen, geben die Berliner Zeichnerinnen Lilian Mousli (LGX) [2] und Evelin Höhne nun eine eigene Frauen-Comicreihe heraus: Unter dem Titel "XX-Fräuleinwunder" erscheint ein beinahe repräsentativer Querschnitt aktueller Zeichnerinnen. Die Beiträge zeigen sowohl verschiedenste Stile als auch Erzählweisen: das reicht von der klassischen Krimi-Szenerie einer Isabel Kreitz [3] bis hin zu den aufgepeppten Einzel-Illustrationen einer Kat Menschik.
Beispiel: KreitzDazwischen findet sich Überraschendes: eine spröde Schabkarton-Arbeit (Elke Steiner), ein psychedelischer Ausgeh-Abend (Anke Hellmich) und der so hervorragend schlichte wie ornamentale Text von Charlotte Brinckmann. Auch die Herausgeberinnen sind natürlich selbst dabei. Von Evelin Höhne stammt der interessanteste Beitrag. In "Fuckytown" verbindet sie naive Fibelschrift mit melancholischer Aussage und einen trashigen Bildaufbau mit kulleräugiger Manga-Optik.
Ein paar der Beiträge wirken vielleicht etwas clean (wie bei S.F. Trenka-Dalton), zu lieb oder verspielt... Lästermäuler räsonnieren an solchen Beispielen über "den weiblichen Strich" an sich. Doch läßt der sich an diesem Band wohl kaum verorten oder vereinheitlichen. Am Ende drängt sich die Frage auf, ob es Künstlerinnen in der Comicszene noch ernsthaft nötig haben, qua Geschlecht und Sammelband auf sich aufmerksam zu machen?
"Eigentlich fand ich reine Frauensachen auch immer eher langweilig.", räumt Evelin Höhne ein. Und doch ist das Mädchending für sie okay, "weil ich immer noch auf Mädchenklos gehe!" Und außerdem gönnt man sich im ersten Band einen Quotenmann (Jim Avignon). "Es soll ja nicht so biestig wirken wie Fräulein Rottermeier", findet Fräulein Höhne. Die eigene Verniedlichung endet vielleicht dort, wo gewichtigere Themen obenan stehen. Die nächsten drei "XX Fräuleinwunder"-Ausgaben sind schon unter den Titeln "Tigerschlüpfer", "Lady Darkness" und "X-Rated" in Planung.
Einsendungen neuer Zeichnerinnen sind dazu ausdrücklich erwünscht. (hehe [4])
Beispiel: MenschikHeiner sieht das Ganze etwas anders als Helene:
Comics von Frauen und auch nur (anscheinend in den meisten Fällen) für Frauen veröffentlicht der schräge Jochen [5] unter dem Titel "Fräuleinwunder". Er rekrutierte hierfür die üblichen Verdächtigen, also Lilian Mousli, die zumindest über eine sehr dekorative Graphik verfügt und daher auch das Titelbild gestaltete, Evelin, deren Figuren zumindest putzig sind, Minou Zaribaf, die seltsamerweise einen Autobastelbogen beisteuert und Anke Hellmich, die sich seltsamerweise die Story von einem Mann schreiben ließ (trotzdem hab' ich nichts verstanden).
Einziger Fremdkörper im betont kunstsinnig-ungefären Einerlei ist Isabel Kreitz, die völlig überraschend einfach einen kleinen Krimi erzählt, so richtig mit Anfang und Ende. Schön, dass es so etwas auch noch gibt. (hl [6])

XX-Fräuleinwunder - No.1
Herausgegeben von Lilian Mousli und Evelin Höhne
40 Seiten, DIN B5
Jochen Enterprises, 9.90 DM
Januar 1999


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