Comic Radio Show

E.P. Jacobs – Der Faust der 9. Kunst

Rezensionen / Mystery/Krimi
geschrieben von emha am 06.08.2017, 21:23 Uhr

Carlsen Comics präsentiert alle Blake und Mortimer-Geschichten von Jacobs in einer edlen Gesamtausgabe


E.P. Jacobs – Der Faust der 9. Kunst [1]1967 begann für den Carlsen-Verlag das Comic-Zeitalter mit den ersten Tim und Struppi-Abenteuern. Seitdem hat Carlsen mit zahlreichen Comictiteln, dem Aufbau eines eigenen erfolgreichen Manga-Labels und der Etablierung des Labels Graphic Novels die Comic-Kultur in Deutschland maßgeblich mit geprägt. Anlässlich des Jubiläums finden sich diverse Erfolgstitel der Carlsen Comic-Geschichte in besonderen Ausgaben wieder. Hierzu zählen im aktuellen Programm Spirou + Fantasio, Gaston, Marsupilami, Valerin & Veronique, Yoko Tsuno, Blacksad, alle Tim und Struppi-Geschichten in HC im Schuber, die Peanuts, ein Sekundärband über Franquin und...

Alle Abenteuer aus der Feder von E.P. Jacobs in einer edlen Gesamtausgabe! Sozusagen eine 752 Seiten umfassende „All-in-One“-Gesamtausgabe aller von E.P. Jacobs kreierten acht Blake und Mortimer-Geschichten + den zweiten Teil der achten Story, den sein Kollege Bob de Moor für ihn fertig stellte. Daneben gibt es auf 16 Seiten interessantes redaktionelles Zusatzmaterial. Hierzu zählt eine drei Seiten umfassende Einleitung von Daniel Couvreur über Autor E. P. Jacobs, ein TINTIN-Cover vom 6.8.1953 mit einem Blake und Mortimer-Motiv zum Start von „Das Gelbe M“ + eine Figurenskizze zum Cover und eine Vorstellung von sieben für die Serie prägenden Figuren. Hierzu zählen natürlich Francis Percy Blake und Philip Edgar Angus Mortimer sowie Olrik, Jonathan Septimus, Akira Sato, Grossgrabenstein, Sharkey und Basam-Damdu.

E.P. Jacobs – Der Faust der 9. Kunst

Noch mal gut 20 Jahre länger als Carlsen-Comics durchstreifen Captain Francis P. Blake, seines Zeichens Mitglied der Militärabteilung des britischen Intelligence Service, und dessen Freund Philip E. A. Mortimer, Professor der Nuklearphysik, die Comic-Welt in immer wieder spannenden und fesselnden Abenteuern. Der Erfinder von Blake und Mortimer, Edgar Pierre Jacobs, gehörte neben Hergé, Jacques Martin und Bob de Moor zur ersten Generation belgischer Comic-Zeichner. Jacobs war ein Mann des Theaters und der Oper, außerdem Lyriker, Maler und Grafiker, bevor er die Serie ‚Blake und Mortimer’ kreierte, die erstmals am 26. September 1946 in der ersten Ausgabe des Comicmagazins ‚TINTIN’ erschien. Seine ineinander fließenden Kombinationen von Genres (Science Fiction, fantastische Kunst, Krimis), theatralische Elemente und die dramaturgische Einsetzung von Farben ermöglichten ihm die spektakuläre Gestaltungen von Comic-Abenteuern, die zur damaligen Zeit außergewöhnlich waren. Die erzählerische Glaubwürdigkeit und atmosphärischer Dichte der Arbeiten von Edgar P. Jacobs sind auch heute noch außergewöhnlich.

E.P. Jacobs – Der Faust der 9. Kunst [2]

Auch die nachfolgenden Bände, die u.a. von Yves Sente & André Juillard sowie Jean van Hamme & Ted Benoit geschaffen wurden, sind ganz im klassischen Stil der Serie gehalten. Die Serie ‚Blake und Mortimer’ zählt zu den unbestrittenen Meisterwerken der europäischen Comic-Kultur.


Erste Comic-Arbeiten

Im Jahre 1942 wurde Edgar Pierre Jacobs Mitarbeiter des Comic-Magazins BRAVO. Nach regelmäßigen Veröffentlichung von Illustrationen und Einzelbildern überträgt ihm die Redaktion die Gestaltung der SF-Serie ‚Flash Gordon’ von Alex Raymond, da durch den Eintritt der USA in den 2. Weltkrieg im Jahre 1942 kein Material der US-Serie mehr nach Belgien gelangte. Nach fünf fertig gestellten Seiten beendete die ‚Zensur’ der deutschen Besatzer das Abenteuer ‚Flash Gordon’. Die Redaktion beauftragte Jacobs daher ersatzweise mit der Kreation einer neuen Serie im Stile von Flash Gordon, die jedoch nicht die deutsche Zensur auf den Plan rufen würde. Das Ergebnis dieser Überlegungen war 1943 schließlich ‚Le Rayon U’. ‚Le Rayon U’ (dt. ‚Der U-Strahl’) ist der Grundstein zu Jacobs eigenständigem Comic-Werk.



Jacobs wird Assistent von Hergé / Das Magazin TINTIN

Am 01.01.1944 wurde E. P. Jacobs Assistent des schon sehr bekannten ‚Tim und Struppi’-Autors Georges Remi alias Hergé. Jacobs kam dabei vor allem die wichtige Aufgabe der Umarbeitung von bereits erschienenen ‚Tim und Struppi’ - Abenteuer auf ein einheitliches Albumformat mit einem Umfang von 62 Seiten zu. Er überarbeitete die Hintergründe von ‚Tim im Kongo’, ‚Tim in Amerika’, ‚König Ottokars Zepter’ und ‚Der blaue Lotus’. Aber auch an der Gestaltung von neuen Abenteuern war Jacobs beteiligt (z.B. Die sieben Kristallkugeln/Der Sonnentempel).
1946 zählte Jacobs neben Hergé, Jacques Laudy und Paul Cuvelier zu dem Künstler-Team, das an der Gestaltung des neu gegründeten Magazin TINTIN beteiligt war. Ab der ersten Ausgabe von TINTIN war Jacobs neue eigene Serie ‚Blake und Mortimer’ fester Bestandteil des Magazins. Die Arbeit an ‚Blake und Mortimer’ nahm Jacobs jedoch stark in Anspruch, und so stand er 1947 vor der Wahl, entweder seine eigene Serie fortzusetzen oder ganztägig als Assistent für Hergé zu arbeiten. Der Forderung von Jacobs, dann auch als Co-Autor von ‚Tim und Struppi’ genannt zu werden, vermochte Hergé nicht zu folgen. Die Zusammenarbeit wurde daher eingestellt.

Der Fall E.P. Jacobs

Die Serie Blake und Mortimer

Jacobs war einer der ersten Comic-Autoren, der gezielte Recherchen durchführte und Notizen, Fotographien sowie Skizzen sammelte. Er benötigte diese Dokumentationen, um seine Geschichten authentisch erscheinen zu lassen. Stadtpläne, Karten, Anleitungen, erklärende Schemen und Ausschnitte aus der Presse sind in seinem Werk wiederholt anzutreffen.
Bereits mit der erste Episode der Serie ‚Blake und Mortimer’ gelang es Jacobs, seine Leser durch spannende und interessante Elemente an seine Erzählung zu binden. Diese bekamen in ‚Der Kampf um die Welt’ schon 1946 -1949 in TINTIN, also nur kurze Zeit nach dem Ende des 2. Weltkriegs, einen Eindruck von den Ausmaßen einer neuen, globalen Auseinandersetzung. Der Autor führte den Lesern alle schrecklichen Möglichkeiten eines neuen Weltkrieges vor Augen. Die Geschichte ist als ein Dokument der Zeitgeschichte zu bewerten, in dem sich Schrecken und Furcht der damaligen Zeit widerspiegeln.

Blake und Mortimer - Kampf um die Welt - Gesamtausgabe [3] Auf die Premiere mit ‚Der Kampf um die Welt’ [4] startete in TINTIN 1950 ‚Das Geheimnis der großen Pyramide’, eine Geschichte, die Jacobs Faszination für das Land Ägypten erkennen lies. Lebte der ‚Kampf um die Welt’ von Jacobs ‚Vorausdenken’ in der Wissenschaft, Politik und Technik, so ging der Künstler in ‚Das Geheimnis der großen Pyramide’ zurück in die Vergangenheit und erfand einen neuen Lauf der Geschichte. Um seiner Erzählung die nötige Glaubwürdigkeit zu verleihen, informierte er sich u. a. im Ägyptischen Museum in Kairo. Das Ergebnis seiner langen Arbeit beeindruckte schon 1950/51/52 bei seiner Veröffentlichung in TINTIN. Die graphische Qualität und die umfangreichen realen Dokumentationen fanden allgemeine Anerkennung.

Nach den mehr historischen Abenteuern seiner Helden in Ägypten und den kriminologischen Erlebnissen in dem vielleicht besten Band aus Jacobs Feder, ‚Das gelbe M’ (TINTIN 1953/54), wandte sich Jacobs 1955 wieder seiner Vorliebe, der Science-Fiction, zu. Jacobs verband das einfache Schema einer ‚Space-Opera’ (wie bei Flash Gordon) und die Atlantis-Sage. Durch diese Mischung beider Elemente wurde aus dem vierten Abenteuer, ‚Das Geheimnis von Atlantis’, eine völlig neue Art der Erzählung. Auffallend ist die große Detailfülle des Albums, die auf umfangreiche Recherchen Jacobs zurückzuführen sind (TINTIN 1955/56).

Nach ‚SOS Meteore’ (TINTIN 1958/59), in der Jacobs den Lesern eine Geschichte über Wetterphänomene und ein Spionagenetzwerke präsentierte, griff der Autor in der sechsten ‚Blake und Mortimer’-Story ‚ ‚Die teuflische Falle’, den faszinierenden Aspekt der Zeitreise auf, der bestens für gefährliche und unbekannte Abenteuer geeignet ist. Seit ‚Die Zeitmaschine’ von H.G. Wells waren Zeitreisen ein sehr beliebter Stoff und so konnte auch Jacobs dieser Thematik nicht widerstehen. ‚Die teuflische Falle’, eine Geschichte über Moralvorstellungen und Zukunftsapokalypsen, wurde aufgrund seines Inhalts zu einem umstrittenen Album (TINTIN 1960/61).

Die folgende siebte Story, ‚Die Diamanten-Affäre’ (TINTIN 1965/66), wurde ein ganz normaler Kriminalfall. Der Leser wird von einer gut durchdachten und spannenden Handlung unterhalten.

Leider blieb das von Jacobs auf zwei Alben angelegte achte Abenteuer, ,Die 3 Formeln des Professor Sato’, unvollendet. Die 1971/1972 in TINTIN vorabgedruckte, und 1977 bei Lombard als Album veröffentlichte erste Teil der Geschichte ‚Mortimer in Tokyo’ war die letzte, die noch von Jacobs selbst sowohl geschrieben als auch gezeichnet wurde. Wieder wurden umfangreiche Recherchen erforderlich. Durch Beziehungen zu einem an der Universität von Tokyo dozierenden Professor gelang es Jacobs, einen westlichen Comic mit japanischem Verhaltensmuster zu schaffen. Trotz der langen Zeit bis zu seinem Tode im Jahre 1987 gelang es dem Perfektionisten Jacobs nicht mehr, den zweiten Teil zu beenden. Bob de Moor übernahm schließlich, nach dem vorhandenen Szenario von E. P. Jacobs, die zeichnerische Umsetzung des zweiten Teils von ‚Die 3 Formeln des Professor Sato’. Der Abdruck von ‚Mortimer gegen Mortimer’ begann 1989 in Télémoustique. Das Album erschien im März 1990 in der Edition Blake et Mortimer.




Biografisches zu Edgar P. Jacobs in Comicform [5]
Der Fall E.P. Jacobs [6]



(c) der Abbildungen mit freundlicher Genehmigung: Carlsen Verlag GmbH, Hamburg 2014 + 2017

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