Was unter Comic-Art verstanden wird
Unter der Rubrik Comic-Art läuft im Carlsen Verlag einer
der wunderbarsten Serien der 90er Jahre. Diese Serie heißt Theodor Pussel.
Sie besitzt anfängliche starke zeichnerische Schwächen. Was für einige Zeichner nicht als Skizze im ausreichenden Maße genügen würde, wird hier unmissverständlich als hohe Kunst angepriesen. Dies ändert sich aber schlagartig mit Band 6: Ein Passagier verschwindet ist Frank LeGalls zeichnerisches Meisterwerk. Man merkt, das dieser begabte Künstler sich nun immer mehr Zeit nimmt.
Wer ist Theodor Pussel eigentlich? Im Grunde ist er sehr
farblos und uninteressant. Er arbeitet im Büro einer mittelgroßen Reederei. Doch das Abenteuer lockt ihn auf hohe See. Hier blüht die Seele des kleinen Mannes auf. Und hier kann er auch vermutlich Antworten finden auf die größte Frage seinen Lebens. Wer ist sein Vater? Ist es wirklich ein berüchtigter Pirat?
Wie Hergés Tim, hat LeGall Theodore Pussel ein rundes ausdrucksloses Gesicht gegeben, damit der Leser sich sofort mit dieser liebenswürdigen Figur identifizieren kann. Die Brille unterstreicht dabei sehr schön die eigentliche Kraftlosigkeit dieser kleinen Person. Doch sollte man sich da nicht täuschen. Denn um seine Ziele durchzusetzen, entwickelt Theodore ein instinktsicheres Gespür für Gefahr. Weniger action geladene Gewaltszenen, sondern vielmehr Pussels Schlauheit und die Erzähl- und Schnittweise, machen diese Serie außergewöhnlich.
Das absolut Besondere sind jedoch die poetischen Texte. Die von Album zu Album poetischer werden. Schade das im Gegensatz zu Hergé LeGall die ersten zwei Bände nicht überarbeitet. Dieser entwickelte bekanntlich eine wahre Leidenschaft darin, sich stets immer weiter verbessern zu wollen.
Frank LeGall wurde am 23. September 1959 in Rouen geboren. Die Reihe Pussel wurde 1992 als beste deutsche Comic-Publikation mit dem .Max und Moritz Preis . ausgezeichnet. Und das zu Recht.
Der immerzu nachdenkliche Theodore bereist mit einer bis dato unübertroffenen Fülle poetischer Gefühlen die halbe Welt. Dessen Suche nach Frieden in einer ihm unbekannten Welt stets gestört wird durch unermüdliche Suche nach seinem Vater. Denn dieser ist angeblich verschollen. Die eigentliche Serie gipfelt in Band 6 (bis heute gibt es aber immer wieder neue Alben), als er schließlich die Suche aufgibt. Und sein Vater im Gegenzug ihn zu Hause bei der Familie besucht, die ihn damals verstossen hatte.
Theodor Pussel ist meiner Meinung nach das größte Geschenk an die Leser der 90er Jahre. Keine andere Serie hat es so professionell verstanden Poesie und Spannung derart geschickt miteinander zu verbinden. Der völlig neue Erzählstil (führte man bis dahin, wollte man auf uncineastische Erzählmittel wie .Am nächsten Tag... . verzichten, stets die Szene bis zum Ende einer Seite, so wird dieser Stil vollständig gebrochen. Ein sehr mutiger Schritt, der aber wohl scheinbar in der Leserschaft verstanden und geehrt wird. Ich wünsche Frank LeGall weiterhin als erdenklich Gute für sich und seine Serie. . (mo [1])
Weitere Links zu diesem Thema:
Tim und Struppi [2]
Ein Fest für den Weihnachtsmann [3]
Portrait Frank LeGall [4]
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