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Globi im Europapark (UPDATE)

Rezensionen / Kindercomics
geschrieben von Aleks A. am 02.01.2001, 10:55 Uhr

An dieser Stelle stand bis 02/2009 eine Rezension von Reinhold Reitberger, die nicht unbedingt sanft mit diesem Globi-Titel umgegangen ist. Auf Bitte von Autor Gabriel Nemeth habe ich die Rezension jetzt mit einer Rezi von Heiner Lünstedt (hh) ergänzt. Interessierte können hier nun zum fairen Vergleich beide lesen.
Eure CRS Chefred.

Papagei mit Profil


von Heiner Lünstedt
Cover Die Bildergeschichten mit dem stets im Profil zu sehenden und ständig karierte Hosen tragenden Papageien Globi haben bisher nur sehr selten die Schweiz verlassen. Bei den Eidgenossen ist er jedoch ein absolutes Phänomen und wird von 25 Firmen bis zum Abwinken vermarktet. 1932 wurde er als Werbefigur für die Globus-Warenhäuser geschaffen und mit der Globi-Comicreihe versucht der Globi-Verlag nun ein neues Zielpublikum zu erreichen.

Nach dem noch etwas steif gestalteten Comic-Album "Globi an der Tour de Suisse" eines Schweizer Zeichners wurden Jan Gulbransson und Gabriel Nemeth verpflichtet. Beide haben schon "Donald"-Geschichten für den Disney-Konzern gestaltet haben und sie stellen Globi erstmals nicht nur im einäugigen Profil dar. Wenn es die Perspektive erfordert, riskierte er auch schon einmal ein zweites Auge. Bei der erfreulich unmilitärischen Story rund um eine Flugstaffel namens "Patrouille Suisse" handelt es sich um einen gut erzählten Comic, dessen Zeichnungen die anderen Globi-Bücher weit hinter sich lassen. Bei Hardlinern unter den Fans stieß "Globi bei der Patrouille Suisse" jedoch meist auf Ablehnung, denn dort wurde nichts anderes erwartet als eckige Bilder zu gereimten Texten.
Das Gespenst schwört Rache an den Menschen
Trotzdem entstand ein drittes Comic-Projekt. Als Schauplatz für das neue Abenteuer bot sich der Europa-Park in Rust bei Freiburg an. Gabriel Nemeth hatte das Vergnügen mehrere Tage im größten Freizeitpark Deutschlands recherchieren zu dürfen. Dort erfuhr er auch einiges über die Familie Mack, die den Park vor 25 Jahren gründete. Gabriel entschied sich die interessantesten Episoden aus der 200-jährigen Firmengeschichte in Form einer Rückblende in den Comic mit einzubauen. Anfangs waren die Macks als Wagenbauer tätig, dann stiegen sie auch ins Schausteller- und Karussellbaugeschäft ein. Viele der Achterbahnen in den größten Vergnügungsparks stammen aus dem Hause Mack. Die Prototypen hierzu wurden ursprünglich auf dem Gelände des heutigen Parks getestet. Da war die Idee eines eigenen Freizeitparks natürlich naheliegend. Hierbei wurde besonders darauf geachtet, dass die Anlage nicht so steril wie andere Vergnügungsparks wirkt. Daher fanden so häufig wie möglich natürliche Baustoffe Verwendung. Oft wurden Gebäudeteile oder auch komplette Häuser überall in Europa erworben und dann in den Park integriert. Während bei Disney schon das Euter einer Kuh als unschicklich angesehen wird, ist jedem Stier, der im Europa-Park als Abbildung oder Skulptur zu sehen ist, auch sehr deutlich anzumerken, dass es sich hierbei um keinen Ochsen handelt.
Globi lobt die Bescheidenheit von Mitbesitzer Jürgen Mack
In der Balthasar-Burg, einem im Europaark befindlichen Wasserschlösschen, sollen drei Geister ihr Unwesen getrieben haben. So nahmen in der Story der Zwerg Wiedumir-Soichdir, das Geisterfräulein Gisela und der Mops von Bülow Gestalt an. Gabriel entschied, dass dies gute Geister sind, die völlig zu unrecht verdächtigt werden, für seltsame Ereignisse im Park verantwortlich zu sein. So dreht etwa der Clown Pepino völlig durch und redet nur noch rückwärts und die Gleise der Achterbahn "Euro-Mir" sind auf einmal ganz verbogen. Gabriel war froh, dass er in seiner Geschichte teilweise ziemlich rabiat mit den Sehenswürdigkeiten des Europa-Parks umgehen durfte und die meisten Änderungswünsche an seiner Geschichte sich eher auf gewisse Eigenarten der Schweizer Sprache bezogen.
Jan Gulbransson setzte Gabriels Geschichte, anhand von Fotos und Vorzeichnungen die dieser vor Ort angefertigt hatte, in Bilder um, die dann wiederum von Gabriel (auf der jeweiligen Rückseite) getuscht und schließlich von Dieter Steyer am Computer coloriert wurden. Der so entstandene Comic "Globi im Europa-Park" ist nun keine reine Reklame. Die spannende Geschichte wurde in einen lesenswerten Comic umgesetzt, der Globi auch außerhalb der Schweiz neue Freunde verschaffen könnte.


Und hier zum Vergleich die frühere Rezension von Reinhold Reitberger

Befreit Globi


Früher erlebte Globi skurrilkauzige Abenteuer im Lande der Phantasie. Der Kopf des lila Papageis mit dem Körper eines Jungen war immer nur im Profil zu sehen und die Texte standen in Versform unter den Bildern, wobei die Einfachheit der Reime die Sogwirkung ins Land der Träume nur verstärkten - so wie beim Lurchi von Salamander, einer verwandten Seele. Globi wurde in der Schwyz wie Lurchi bei uns zu einer Institution des nationalen Kulturgutes.

Später erschienen bei Carlsen Globis Abenteuer schon mit freiem Text, durften aber nur hierzulande und nicht bei den Eidgenossen verkauft werden. Peter Heinzer übernahm damals kongenial den fantastischen Stil von Globis Schöpfer Robert Lips. Globi war bei seiner Geburt im Jahre 1932 eine Werbefigur für die Globus-Warenhäuser und es ist durchaus legitim und richtig, wenn er uns nun modernisiert als normale Comicfigur sprechblasend und werbend daherkommt. Die Zeiten ändern sich, aber wir alten Globifans nicht mit ihnen. Warum aber Rücksicht auf uns nehmen, die Kids von heute wollen was Fetziges oder sollen es wollen.

Jetzt sieht uns also Globi nicht nur stets mit nur einem Auge im Profil ins Auge sondern oft im Halbprofil oder ganz frontal. Das wirkt normal und locker. Unser Globi ist zu einer Comicfigur wie alle anderen auch geworden. Leider wurde Globi aber auch als Werbeträger gleichzeitig zum Speichellecker seiner Auftragsgeber.
Machte er in seinem ersten modernen Werbecomic "Globi bei der Patrouille Suisse [1]" noch Werbung für die militaristische Kunstflugstaffel der Schweizer Luftwaffe, verdingt er sich jetzt in "Globi im Europa-Park" als Reklamefigur für eine Freizeitanlage in der Nähe von Freiburg.
Gleich auf der ersten Seite bescheinigt Globi beflissen einem der Besitzer der Anlage, dieser "sei stets bescheiden". Statt einfach nur ein lustiges Abenteuer im Park zu erzählen, wird Globi total vereinnahmt. Wir erfahren verwundert und befremdet, dass er schon im Jahre 1780 (!) als Wandergesell zur Familie Mack kam und seitdem dort als Angestellter hängen geblieben ist. Armer Globi! Deine früheren Abenteuer fanden also nur in deiner und unserer Phantasie statt.
"Globi im Europa-Park" ist ein Werbecomic und seine Macher durften und wollten wohl niemanden wehtun. Alle Figuren sind nett und naiv, selbst ein buchstäblich weit hergeholter und sabotierender Geist des Matterhorns ist auch nur geistig verwirrt und zu doof, um selbst wieder in die Schweiz zu entfleuchen. Weil nun alle Figuren so nett und naiv sind, langweilt die Geschichte über viele Seiten hinweg. Die eigentlich logische Befreiung des Berggeistes am Matterhorn am Ende wird dann aber nicht gezeigt, wohl um dem Freizeitpark nicht die Schau zu stehlen.
Der größte Brüller in diesem Comic ist ein "Audio-Gag", als das Spuken der Geister mit Spucken verwechselt wird. Das "CK" ist dabei fettgeschrieben, damit es die kindlichen Leser auch begreifen. An dieser Stelle begreift aber der ältere Globifan endgültig, dass er hier nichts zu suchen hat. Globi ist nicht mehr für ihn zuständig , sondern nur mehr ausschließlich für die von den Teletubbies geschädigten Kids im Vorschulalter. Wen das stört, der möge schweigen. (rr [2])


Globi im Europa-Park
Text und Tusche:Gabriel Nemeth
Zeichnung: Jan Gulbransson
64 Seiten, Prestige-Format
Globi Verlag für originelle Bildergeschichten, 16.- DM/sFr
2000
ISBN-No. 3-85703-260-X


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