Comic Radio Show

Zum 85. Geburtstag von René Goscinny

Comic-Macher / Franko/belgisch
geschrieben von M.Hüster am 08.12.2011, 00:00 Uhr

Der weite Weg zu Asterix


Goscinny [1]2011 wäre René Goscinny, der 1977 leider viel zu früh verstarb, 85 Jahre alt geworden. Grund genug, noch einmal auf das herausragende Schaffen des genialen Szenaristen zurückzublicken. Der am 14. August 1926 in Paris geborene René Goscinnny zog mit seiner Familie schon im Alter von zwei Jahren nach Argentinien, wo er seine Kindheit und Jugend verbrachte, die allerdings durch den frühen Tod des Vaters abrupt endete. Durch einen in den USA lebenden Onkel kam Goscinny mit 17 Jahren in die Staaten.

Goscinny: „In New York arbeitslos zu sein ist für einen kurzen Augenblick reizvoll. Jedenfalls nutzte ich es aus, um ein Experiment zu machen: Wie lange kann man mit einem Kaffee und einem hart gekochten Ei leben? Nun, etwa zwanzig Minuten.“

Goscinny weiter: „In den USA besaß ich das Glück, jenes Team kennen zu lernen, das später MAD gründen sollte, und für sie als Assistent zu arbeiten. Anschließend wurde ich Art-Director bei einem Kinderbuchverlag, der rasch Pleite machte. Da lernte ich die Herren Gillain, Morris, Dupuis und Troisfontaine kennen.“

Goscinny [2]
Jije war von dem „leicht verrückten“ Franzosen Goscinny beeindruckt, der ein bemerkenswertes Talent hatte, seine Umgebung zum Lachen zu bringen.

Goscinny: „Herr Troisfontaine sagte zu mir: ‚Für den Eventualfall, dass ich die USA verlassen und zufällig einmal nach Brüssel kommen sollte, müsste ich auch bei ihm vorbeischauen.’ 14 Tage später präsentierte ich ihm in Brüssel einige von mir selbst angefertigte Zeichnungen.“

Goscinny entschied sich, in Europa zu bleiben, denn das Comicmaterial, das seine neuen Freunde für Spirou produzierten, gefiel Goscinny sehr und er brannte darauf, selbst Comicautor zu werden. Morris motivierte ihn, Comics zu zeichnen und zu texten. Goscinny entwarf daraufhin Dick Dicks. Die Zeichnungen waren schwach, das Szenario jedoch grandios.

Goscinny zu seiner Berufswahl: „Als mir einer der ehrenwerten Alten sagte: ‚Der Beruf des Szenaristen? Das kann doch der letzte Idiot schaffen’, verstand ich, dass ich meinen Weg gefunden hatte.“

An einem Winterabend im November 1951 kam es in Paris zum ersten historischen Treffen von Albert Uderzo und René Goscinny. Uderzo hatte zuvor in der Agentur von der Ankunft eines neuen Kollegen, der aus den USA gekommen war, erfahren. Beide waren sich von Beginn an sympathisch und stellten schnell fest, dass sie sich ideal ergänzten. Es war der Anfang einer langen Freundschaft und Zusammenarbeit.
Sonderband
Gemeinsam machten sie sich auf die Suche nach neuen Figuren und Storys. Jeder übernahm das Teilgebiet, auf dem seine besonderen Stärken lagen, Goscinny als Szenarist und Uderzo als Zeichner.

Zu den ersten Arbeiten des neuen Duos gehörte die Gestaltung der Rubrik „Savoir vivre“ (Lebensweisheiten) für die Illustrierte „Bonnes Soirées“ der Dupuis-Gruppe.

Nach Szenarien von Goscinny zeichnete Uderzo ab 1952 insgesamt 200 Seiten für die Comic-Serien „Pistolet“ (Pitt Pistol) und ab 1954 dann sieben Folgen der Serie „Luc Junior“ für die Kinderbeilage „La Libre Junior“ der Brüsseler Tageszeitung „La Libre Belgique“. Ebenfalls 1954 entstanden für die gleiche Zeitung 24 Seiten eines Abenteuers mit dem Jäger und Reporter „Bill Blanchart“. Es sollte die einzige realistische Serie von Goscinny/Uderzo bleiben. Erste eigene Entwürfe für Oumpah-Pah (Umpah-Pah) fanden nicht das Interesse eines Verlegers.
Uderzo und Goscinny
Anfang 1956 trennten sich Uderzo und Goscinny nach beruflichen Differenzen von ihren Agenturen. Gemeinsam mit Jean Hébrard (der bei World Press für die Werbung verantwortlich war) und Jean-Michel Charlier beschlossen Uderzo und Goscinny Anfang 1956, eine neue Existenzgrundlage zu schaffen und ihre eigenen Werbe- und Presseagenturen zu gründen: „Edipresse“ und „Edifrance“.

Durch die guten Verbindungen zum Herausgeber des französischen „Tintin“, Georges Dargaud, sowie zum „Tintin“-Chefredakteur André Fernez, konnten die durch die Trennung von World Press/International Press entstandenen Ausfälle an Aufträgen ausgeglichen werden.

So entstanden im Laufe der Zeit für „Tintin“ eine Reihe von Serien des Teams Goscinny/Uderzo: In der belgischen Ausgabe erschienen 1957 und 1958 drei abgeschlossene Geschichten von „Poussin und Poussif“. In der belgischen und französischen Ausgabe von Tintin wurden ab 1958 fünf Episoden der tapferen Rothaut „Umpah-Pah“ veröffentlicht. Seit den ersten Versuchen war „Umpah-Pah“ ständig weiterentwickelt worden und vor allem wurde die Zeit verlegt, in der die Geschichte spielte: in das 18. Jahrhundert, eine Zeit, in der die französisch-englischen Beziehungen in der neuen Welt sehr ereignisreich waren.
Umpah-Pah Gesamtausgabe
Zudem veröffentlichten Goscinny und Uderzo 1959 zwei komplette Geschichten der Serie „La Famille Moutonnet“. In der französischen Ausgabe erschienen schließlich 1961 insgesamt zwölf Seiten von „La Famille Cokalane“ (einseitige Werbecomics für das Unternehmen Pétrole Hahn).

Goscinny und Uderzo übernahmen 1956 die Serie „Benjamin et Benjamine“ von Godard, die im gleichnamigen Magazin erschien. 1958 wurde das Magazin in „Top“ umbenannt. Beide Autoren arbeiteten an der Serie bis 1959.

Eines Tages tauchte Francois Clauteaux, ein Bekannter von Jean Hébrard, in den Büroräumen von „Edipresse und Edifrance“ auf und hatte die geniale Idee zu „Pilote“, dem großen illustrierten Magazin für die Jugend. Für die Arbeit an dem Jugendmagazin „Pilote“ wurde eigens der Verlag „Société nouvelle du Journal Pilote“ gegründet. Zur ersten Redaktion gehörte Albert Uderzo als künstlerischer Leiter, Chefredakteur Francois Clauteaux, der Werbefachmann Raymond Joly, Jean-Michel Charlier und René Goscinny.

Goscinny und Uderzo suchten nach neuen Ideen für Pilote. Im August 1959 kam es im Hause der Uderzos in Bobigny zur entscheidenden historischen Arbeitssitzung. Goscinny und Uderzo gingen die großen Zeitabschnitte der französischen Geschichte durch. Das Thema Gallien entwickelte eine gewisse Faszination. Der einzige Gallier, der den Autoren einfiel, war Vercingetorix. So entschlossen sie sich, die Namen ihrer Gallier ebenfalls alle auf -ix enden zu lassen.
Die Hauptfigur erhielt den Namen „Asterix“. Die Entscheidung fiel, „listig“ wie die Autoren nun einmal waren, aus ganz einfachem Grund: bei alphabetischen Aufstellungen steht der Name immer ganz weit oben. Unter historischen Gesichtspunkten boten sich die Römer als natürliche Gegner der Gallier an. In einigen kurz aufeinander folgenden Treffen entstanden die Comicfiguren, das Dorf, die Zaubertrank-Idee, die Römerlager und der Rest der Gallierwelt. „Alea iacta est!“ Die Würfel waren damit gefallen.

Asterix Gesamtausgabe [3]

Goscinny: „Als wir Asterix erfanden, sagten Marktforscher und andere Meinungsforscher folgendes: Der Held muss jung und schön sein, damit der Leser sich mit ihm identifizieren kann, und es müssen Probleme der heutigen Zeit behandelt werden. Ich glaube nicht an Marktforschung. Vielleicht funktioniert sie bei Produkten wie Seife, aber nicht bei einer lebendigen Sache.“


Der Rest ist Comic-Geschichte. Goscinny wurde u.a. Chefredakteur von Pilote und schrieb Szenarien zu einer Reihe sehr erfolgreicher Comics wie Asterix, Lucky Luke, Umpah-Pah, Isnogud, Der kleine Nick (illustrierte Buchreihe), und viele andere.


Das sehr sympathische Schlusswort gehört Goscinny selbst: „Wenn mich jemand um ein Autogramm oder eine Signatur bittet, wird mir suggeriert: „Das ist der Preis für den Erfolg!“ Stimmt nicht! Das ist die Belohnung, und es ist sehr angenehm.“

Cover [4]

Quellen: „Der weite Weg zu Asterix“, „Asterix - Das Kult Buch“ und „Das Buch von Goscinny“ (alle Ehapa Comic Collection)


Autor: Michael Hüster

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