Comic Radio Show

Burkard Pfister zu seinem Gilgamesch-Epos

Interviews / Kunst
geschrieben von Maqz am 11.02.2011, 00:00 Uhr

Diese Geschichte ist für mich die Message, nicht das Medium.



Der Gilgamesch-Epos [1] Meisterschüler an der Hochschule der Künste in Berlin, Orientreisender, Maler + Grafiker und Möbelkünstler in der eigenen Werkstatt. Burkhard Pfister hat schon vieles geleistet, bevor er 2005 begann den uralten Gilgamesch Epos ausgerechnet als Grafische Novelle zu inszenieren. Doch war das kein künslerischer Betriebsunfall, sondern eine bewusste Entscheidung für diese Art der Ausdrucksform, die viele doch eher mit trivialen Geschichten, als mit den Klassikern der vorantiken Literatur verbinden. Wir haben einmal beim Künstler nachgefragt, warum er den Gilgamesch in dieser Form inszeniert hat...

ComicRadioShow: Herr Pfister, wie reagierte Ihr Umfeld auf Ihren Plan eine "Grafic Novel" zu inszenieren und existierte dieser Ausdruck beim Beginn Ihrer Arbeit eigentlich schon?

Burkhard Pfister: Meine Umgebung reagierte teilweise irritiert und skeptisch, aber auch neugierig darauf, was an Figuren, Gesichtern, Landschaften und Szenenaufbau herauskommen würde.
Einige Leute haben vielleicht den Namen Gilgamesch gehört und verbinden damit ein altorientalisches Epos, was aber genau der Inhalt ist, welche Geschichte erzählt wird, ist den allermeisten unbekannt.

Burkhard Pfister(c) Foto: Pfister

CRS: Was sind die Vorteile der Grafic Novel für eine Inszenierung des Gilgamesch Epos?
UND
Hatten Sie von Anfang an eine so ausführliche Darstellung der Geschichte im Sinne?

BP: Die Fragen 2 und 3 möchte ich zusammen beantworten.

Von Anfang an war mir bewusst: das ist ein Riesenstoff, sehr vielschichtig, dem ich gerecht werden musste.
Das Gilgamesch-Epos ist eigentlich, wenn Sie so wollen, der Urcomic. Hier gibt es Helden mit übermenschlichen Fähigkeiten wie Gilgamesch und sein Freund Enkidu, verführerische Göttinnen, wie Ischtar, Dämonen, wie Humbaba mit dem tödlichen Strahlenkranz der sieben Auren, von den Göttern losgelassene Untiere, wie der Himmelsstier, Skorpionmenschen, Todeswasser und dann die Geschichte der Sintflut, die in das Alte Testament eingegangen ist.

Ich könnte mir vorstellen, dass ein Comic-Genie, wie Crumb, der ja jetzt einen Bibelcomic vorgelegt hat, den Stoff mit seinen Mitteln darstellen könnte.
Aber ich bin kein Comiczeichner.
Die Form der Graphic Novel, die Freiheit der „Inszenierung“, die sie ermöglicht, war das Medium, das für mich richtig schien.
Hier war ich keinem Stil verpflichtet, ich konnte bildliche Zitate einfügen, in den Zeiten springen, verschiedene zeichnerische Techniken anwenden und so auch den ungeheuer unterschiedlichen Ansprüchen des Textes Bilder gegenüber stellen.

Je tiefer man in den übersetzten Originaltext geht, den man übrigens immer auch mit einem Kommentar lesen sollte , um so mehr Bilder entstehen und werden auch notwendig. Die volle Entfaltung des Projekts hat sich über Jahre hingezogen.

Der Gilgamesch-Epos

CRS: Was war Ihnen während der ganzen Zeit der Zeichnung der Geschichte am Wichtigsten?

BP: Gilgamesch selbst ist eine Figur, die mich zugleich faszinierte und abstieß.
Enkidu, sein Freund, Gefährte und Liebhaber dagegen kann zur Identifikation dienen.
Eine von den Göttern eingefädelte Liebesgeschichte, dann der Tod des Geliebten, Verzweiflung, Flucht bis in die jenseitige Welt – ein 3000 Jahre altes Roadmovie? Am Ende die Erkenntnis der eigenen, bisher nicht akzeptierten, Sterblichkeit und die Wandlung zum guten König.
Da lassen wir doch Spider Man mit all seinen Selbstzweifeln immer weiter kämpfen, Gilgamesch hat seine Berufung erkannt und nutzt seine übermenschlichen Kräfte für das Wohl der ihm anvertrauten Menschen in der Stadt Uruk.
Also: die Geschichte in der Geschichte in der Geschichte und immer wieder die ungeheure Aktualität der Motive im Epos, das hat mich am Zeichnen gehalten.


CRS: Wie kam dieses künstlerische wie verlagstechnische Mammutprojekt eigentlich zustande?
UND
Warum nach der Zeit nun eine Gesamtausgabe? Sind die Einzelbände schon ausverkauft?

BP: 2007 waren wir mit einer Probetafel (das Epos besteht aus 11 Tafeln = Kapiteln), die wir in Kleinstauflage hatten drucken lassen, auf der Buchmesse in Frankfurt. Die haben wir allen möglichen Verlagen gezeigt und der Projekte Verlag nahm zunächst die Probetafel zur Kenntnis und dann schrieb der Verleger, dass es wagen würde. Herr Cornelius-Hahn war überzeugt von dem Projekt und hat in verlegerischem Wagemut die nach und nach entstehenden Tafeln publiziert und uns dabei keinerlei Kosten aufgebürdet. Das ist sicherlich ungewöhnlich.
Der Preis der einzelnen Tafeln ist nicht niedrig und nun schien uns allen eine Gesamtausgabe zu einem akzeptablen Preis eine gute Möglichkeit, das Buch unter die Leute zu bringen.

Der Gilgamesch-Epos

CRS: Welche Reaktionen haben Sie von den Lesern Ihres Werkes bisher erhalten?

BP: Die Reaktion auf die einzelnen Tafeln kam von Kunstfreunden und Graphic- Novel- Sammlern und war positiv, mit dem „aber“ der hohen Kosten.
Mit der Gesamtausgabe erreichen wir jedoch ein weiteres Publikum und da sind die Reaktionen bisher sehr positiv, eben weil auch Interessenten, die nicht unbedingt 200 Euro für die Einzeltafeln ausgeben wollten, für 29,50 Euro das Ganze, kompakt, in gutem Druck und sorgfältig ediert gerne kaufen.


CRS: Fallen Sie nach getaner Arbeit nun in ein tiefes Loch, oder stehen schon die nächsten Grafic Novel Projekte an?

BP: Nach dieser Arbeit ist erst einmal nichts. Die Euphorie hält sich in Grenzen, es gibt auch so etwas wie Erschöpfung und den schmerzhaften Versuch, sich zu distanzieren.
Meine Frau Claudia Hentrich und ich haben die Arbeit an unseren Möbelskulpturen wieder in den Vordergrund gestellt, eine Arbeit, die wir zusammen seit 30 Jahren machen.
Und hier muss ich anmerken, das Projekt GILGAMESCH hätte ich alleine nicht durchführen können.
Ich bin Zeichner, Maler, Grafiker und arbeite mit Kopf, Hand ,Zeichenstift und Pinsel. Ganz traditionell.
Die Bearbeitung der Bilder, die Inszenesetzung und grafische Bearbeitung, das Layout, die Internetseite und schließlich die Umsetzung des Originaltextes in den Begleittext, das haben Claudia Hentrich, Kerstin Heymach und Ursula Broicher getan. Wir haben es hier also mit einer Arbeitsgemeinschaft zu tun.

Der Gilgamesch-Epos

CRS: Haben Sie sich vor dem Start Ihres Werkes von anderen Grafic Novels oder Comics inspirieren lassen?
UND
Der NDR hat vor einigen Tagen einen Trend bei den Buchverlagen zur vermehrten Veröffentlichung von Klassikern in der Form einer Grafic Novel ausgemacht. (http://www.ndr.de/kultur/literatur/graphicnovel101.html) Sehen Sie sich als ein Unterstützer dieses Trends?
UND
Haben Sie mit der Gilgamesch-Veröffentlichung eine eher künstlerische oder evtl. sogar eine didaktische Absicht verknüpft?

BP: Ich habe mich inspirieren lassen in dem Sinn, dass ich vorhatte, das Epos in Bilder umzusetzen.
Mit 18 habe ich die Odyssee in 50 Kugelschreiberzeichnungen bearbeitet. Wir haben das heute mit der gebührenden, liebevollen Distanz in dem Büchlein „Meine Nächte mit Odysseus“veröffentlicht.
Dann habe ich später, etwas schwergewichtiger, als gestandener Kupferstecher, die Odyssee noch einmal in 50 großformatigen Kupferstichen dargestellt.
Sie sehen, mein Hang und Drang zur „Klassik“ ist ein sehr lang gepflegter.
Sie können aber bei einem alten Maler und Zeichner, wie ich es bin, keine konkrete bildnerische Inspiration aus anderen Graphic Novels voraussetzen, denn meine zeichnerische Ausdrucksweise ist meine, keine angepasste.
Dennoch „sammele“ ich Bilder in meinem Kopf, Fotografien, Alltagsszenen, die dann abgerufen werden können, wenn ich z.B. entscheide, wie ich Figuren zueiender stelle oder welche Bewegung, etwa in einem Kampf, ich festhalten will.
Von einem Verlagstrend war mir nichts bewusst. An so etwas denkt man auch nicht, wenn man anfängt. Wenn es denn einer sein sollte, so habe ich den wohl auch unbewusst unterstützt. Ich kann nur sagen, das begrüße ich und sicherlich auch andere Zeichner ganz besonders.
Es ist wohl so, dass jemand, der unsere Gilgamesch-Ausgabe in die Hand nimmt, beeindruckt sein soll von der Kraft der Bilder. Der Text orientiert sich sehr eng an der Übersetzung des Heidelberger Assyriologen Stefan Maul. Der Originaltext ist fragmentarisch, oft fehlen auch entscheidende Passagen und die Lektüre stellt einige Anforderungen an Geduld und Interesse.
Um keine Copyrightschwierigkeiten zu bekommen, lassen wir einen der beteiltigten Götter die Geschichte erzählen, haben aber am Inhalt nichts verändert. Der Sprachduktus ist schwer und wie Sie schon in ihrer Besprechung gesagt haben spröde und durchaus manchmal pathetisch. Das schien uns jedoch angemessen, wer also bis zum Ende durchhält hat das Gilgamesch-Epos „gelesen“ und weiß dann hoffentlich, um was es da geht. So gesehen will ich auf diese Weise zu Gilgameschs Unsterblichkeit beitragen.
Sie können das durchaus neben der künstlerischen eine didaktische Absicht nennen.


CRS: Was würden Sie bei einer möglichen voll-colorierten Ausgabe anders machen?

BP: In der Geschichte läuft Gilgamesch 12 Stunden lang durch einen finsteren Tunnel an dessen Ende er den Sonnenaufgang über einem Edelsteinwald sieht. Das musste in Farbe sein, aber eine kolorierte Ausgabe stand nie zur Debatte.

Der Gilgamesch-Epos

CRS: Sehen Sie sich nach der Veröffentlichung nun eher als eine anderer Art von Künstler, gar als Comiczeichner?

BP: Wie ich schon sagte, ich bin kein Comiczeichner. Diese Geschichte ist für mich die Message, nicht das Medium.


CRS: Haben Sie geplant die ein oder andere Signierstunde zu geben? Wenn ja, wann und wo?

BP: Es gibt noch keine Anfragen. Ich würde mich aber freuen, mein Buch vorstellen zu dürfen.


CRS: Herr Pfister, vielen Dank für das Gespräch.



(c) der Abb.: Projekte-Verlag und Burkhard Pfister




Hier geht's zur Gilgamesch-Epos-Rezension [2]


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