Comic Radio Show

Guy Delisle: Pjöngjang

Rezensionen / Politik & Geschichte
geschrieben von Peixe am 29.11.2008, 00:00 Uhr

Nord-Korea - Beklemmungen einer realen Diktatur

Guy Delisle: Pjöngjang [1] Alles, was ich beim Lesen des ersten Reiseberichts „Shenzhen“ von Guy Delisle [2], dem Trickfilmstudioleiter im Ausland, aufregend und neu fand, bietet Delisles Nachfolgeband “Pjöngjang“ in dichterer, packenderer und raffinierter komponierten Weise dar; nicht ohne Grund bot es Material für ein dickeres Buch mit besserem Preis-Leistung-Verhältnis - empfehlenswert für alle, die einmal die muffige Luft einer abgeschlossenen Diktatur schnuppern wollen.


Guy Delisle: Pjöngjang

„Pjöngjang“ zieht Delisle unmittelbar ins politische Geschehen, weil er als Ausländer nie ohne Begleitung eines Führers und eines Dolmetschers Nord-Korea erkunden darf und diese den Auftrag haben, ihm als sanfte Gehirnwäsche die positiven Seiten Nord-Koreas zu präsentieren. Man erschrickt fast, als plötzlich in diesem sterilen Staat doch bittere Armut im Bild auftaucht. Bedrückend wirken die höflichen Dialoge, die so oft in Sackgassen enden und das Schreckliche im Ungesagten spüren lassen, etwa wenn es um die „Freiwilligen“ geht, die überall ungeliebte Arbeiten verrichten oder wenn ein Mitarbeiter verschwindet und die Antworten offensichtlich keiner Logik entsprechen. Das alles ist verstörend, ein seltener Blick in eine Diktatur, die auf einen, - Entschuldigung: zwei - absolute Führer ausgerichtet ist. Abschottung nach außen und die zelebrierte Selbstdarstellung nach innen, zum Beispiel durch Zeitungsausschnitte aus aller (!) Welt, in denen Kim Il-sung und sein Sohn Kim Jong-il gepriesen werden, halten dieses konstruierte Selbstbild zusammen. Was anderweitig komisch wirken würde, macht selbst Delisle in der unausweichlichen Ernsthaftigkeit seiner Begleiter mundtot. Kritische Fragen finden nicht aus seinen Gedanken in die Sprechblasen, ungeklärt bleibt bis zuletzt, ob die Nord-Koreaner Kim Jong-il tatsächlich so innig verehren oder ihrer berechtigten Angst folgen, niemals aus der vorgeschriebenen Rolle zu fallen. Diese Einblicke erzeugen trotz allen netten Anekdoten und der zum Schmunzeln zwingenden selbstironischen Art von Guy Delisle ein beklemmendes Gefühl. Beim Weglegen des Buches blieb es.

Guy Delisle: Pjöngjang

P.S. Die Bücher „Shenzhen“ und „Pjöngjang“ sind übrigens eine direkte Einführung, wie in einer globalisierten Welt produziert wird. Nicht nur berichtet der Kanadier Delisle von der Verlagerung von Teilen einer belgischen Zeichentrickfirma nach China, das schnell Konkurrenz bekommt durch die noch güstigeren Nord-Koreaner. Hinzu kommt, dass die Bücher in Polen gedruckt wurden, um auf dem deutschen Markt für 18 Euro verkauft zu werden. Wer Lust hat, kann sich ausrechnen, wie teuer die Bücher ohne diese weltweite Produktionskette geworden wären, mal abgesehen davon, dass Delisle dann diese Erfahrungen nie gemacht hätte.


Pjöngjang
Zeichnungen: Guy Delisle
Text: Guy Delisle
176 Seiten, Klappenbroschur
REPRODUKT, 18 Euro



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LESEPROBE zu Pjöngjang [5]

Guy Delisle: Pjöngjang

(c) der Abb.: Delisle und Reprodukt

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