Comic Radio Show

COMICMARKT Ende 1998

Interviews / Understanding Comics
geschrieben von Fueser am 23.08.2001, 13:59 Uhr

Cover: Preacher - Bd.1Interview mit Thomas Tilsner - speedline


ALLE - sogar der Spiegel - reden von Krise beim Comic-Markt. Unsere Meinung haben wir hier schon wiederholt kundgetan. Was meinen aber die Verlage? Andreas Füser (unser Mann in Köln) nutzte die Frankfurter Buchmesse für ein Paar Gespräche.

Interview mit Thomas Tilsner, Verleger des Comic-Programms Speedline

CRS:Wie beurteilen Sie die momentane Situation im Comic-Markt? TT: Ganz hervorragend CRS: Was bedeutet das für Ihren Verlag? TT: Aus der Sicht des Kleinverlages, der mein Verlag ist, der immer mit Nischenpublikationen versucht hat, sein Stück Kuchen vom Comic-Markt zu ergattern, haben die Marktentwicklungen des vergangenen Jahres hin zu einem Comic-Markt und hin zu einer sehr sehr großen Vielfalt bisher nur positive Auswirkungen gehabt. Wir konnten günstiger produzieren und wir konnten dem Kunden dies in deutlich reduzierten Preisen weitergeben. Ein konkretes Beispiel verdeutlicht dies vielleicht: Preacher [1] von Garth Ennis/Steve Dillon wurde bisher von uns als Album produziert. Wir mußten für 96 Seiten Comic 29,80 DM nehmen - das lag insbesondere darin, dass die ganzen Produktionskosten und die Vorproduktion, wie der Filmeinkauf (ein relativ aufwendiges Verfahren) oder das Einarbeiten des Letterings verrechnet werden mußte und das ging nur so bei der kleinen Auflage. Nun, seitdem es den Heftmarkt gibt, ein neues Interesse da ist und ein neues Publikum bzw. eine neue Käuferschicht herangewachsen ist, haben wir die Möglichkeit, die gleichen Stoffe, die gleichen Inhalte, noch einmal zu verlegen, nämlich im Heftformat mit 48 Seiten. Hier ist jetzt der Heftpreis für Preacher 5,95 DM. Diesen können wir anbieten, da wir eine deutlich höhere Auflage produzieren. Von da her ist eben das Ergebnis, das die Marktsituation für uns hervorragend ist. Wir haben ein sehr gutes Wachstum erzielen können, sicher auch auf Kosten des ein oder anderen größeren Mitbewerbers. Cover: Strangers in Paradise 6CRS: Bedeutet das, das der Trend weg von den goßen Alben geht, mehr hin zum Kiosk, zum Heft? TT: Das war zumindest vor einem Jahr die Situation. Ob die Entwicklung tatsächlich weg vom Album ging, bezweifele ich persönlich inzwischen, denn die Alben sind nach wie vor da. Bestimmte Verlage haben ihr Albenprogramm radikal umstrukturiert und verändert. Wir persönlich haben das nicht gemacht. Für uns ist der Heftmarkt und eben auch ein Mittelsegment, dass wir mit einem Prestigeformat bezeichnen (nämlich nicht Rückengeklammerte, sondern gebundene Hefte mit einem Umfang von 48, manchmal 64, manchmal sogar 72 Seiten - das ist ein neues Segment, das irgenwo zwischen Heft und Album ist), entstanden. Aus meiner persönlichen Sichtweise ist der Verkauf nicht auf Kosten der Alben gegangen, weil die klassischen Alben durchaus noch nach wie vor auf dem Markt sind, wenn sie teilweise auch von anderen Verlagen angeboten werden, die nicht den großen Apperat finanzieren müssen und damit mit den kleinen Auflagen, die der Comic- Markt in Deutschland sowieso nur hergibt - mit dieser Situation mußten die großen comic-Verlage Carlsen und Ehapa schon immer leben - nun eben rechnen können. CRS: Was bedeutet dies für ihr Programm? Werden Sie es weiter ausweiten oder sagen sie eher: Momentan stimmt das Programm? Gibt es konkrete Pläne? TT: Wir haben seit unserem Start eigentlich schon immer versucht, den anspruchsvollen Comicleser anzusprechen, der sich nicht nur für die bunten Bilder oder die rasante Grafik interessiert, sondern der auch eine Geschichte will, die gut erzählt ist, wo die Charaktere Leben haben und nicht nur platt und zweidimensional sind, sondern die widersprüchlich sind. Also wir haben eigentlich von Anfang an ein junges Erwachsenes Publikum angesprochen und für die aktuelle Situation bedeutet das: Wir sind jetzt in der Lage, unser Programm auszuweiten und unsere Position in diesem, sicherlich sehr kleinem und überschaubaren Segment des Marktes zu stärken. Das bedeutet konkret, in unserem Programm von SPEED bieten wir Geschichten rund um Preacher an, die im Original bei DC unter dem Label VERTIGO erschienen sind. Damit bieten wir interessante, spannende , aufregende, auch zum Widerspruch reizende Stoffe an. CRS: Danke für das Gespräch

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