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Antananarivo

Rezensionen / Abenteuer
geschrieben von M.Behringer am 27.07.2022, 13:58 Uhr

Kauzig-bissiger Entwicklungscomic mit pensioniertem Notar


Antananarivo [1] Spätestens seit den „Alten Knackern“ ist es chic, auch Rentner und alte Menschen als Protagonisten von Comics zu wählen. Während die Helden der besagten Serie oft karikiert und witzig dargestellt werden, gibt es auch ernsthafte Ansätze über das Älterwerden (z.B. „Vergiss mich nicht“ oder „Das unabwendbare Altern der Gefühle“). Auch in „Antananarivo“ von Sylvain Vallée und Mark Eacersall geht es um Menschen im hohen Alter. Welchen Ansatz haben die beiden gewählt?

Der gealterte Jo ist ein vielgereister Abenteurer aus dem Bilderbuch und der pensionierte Notar Amédée himmelt ihn dafür an, weil er selbst das Gegenteil ist: ein ängstlicher Mann, der seine Heimat nie verlassen hat. Doch dann stirbt Jo und Amédée geht mit seinem alten Coupé auf die Reise in die Vergangenheit, um einen verschollenen Erben Jos zu finden. Dabei begleitet ihn Jo als geschwätziger Geist. Die Suche führt Amédée nicht nur quer durch's ganze Land, sondern konfrontiert ihn auch mit seinen eigenen Leben, das noch Geheimnisse birgt.

Antananarivo

Eacersall erzählt die anrührende, aber auch sympathische und humorvolle Geschichte spannend wie einen Kriminallfall. Zugleich liest es sich streckenweise wie eine Road Trip-Parodie. Indem er Jos Geist als Begleiter verwendet, hat Amédée einen Gesprächspartner und bissigen Kommentator. Darüber hinaus wird Amédée einschlägig charakterisiert und das ganz ohne Rückblicke in sein früheres Leben. Das gelingt Eacersall allein durch die Dialoge mit Jos Geist und Amédées Ehefrau.

Antananarivo

Vallée ist ein Spezialist der neuen Ligné claire und perfekt für die nuancierte Geschichte geeignet. Er beherrscht sowohl die emotionalen Szenen als auch die humorvollen. Er erschafft durch Jos Geist und dessen präsente Abenteuerwelt zudem poetische Bilder, die die ernste Realität durchbrechen und auflockern. Die frohen und leuchtenden Farben von Delf unterstreichen v.a. die poetische Bildwelt und Stimmung.

„Antananarivo“ ist in erster Linie humorvoll und bissig wie „Die alten Knacker“, aber daneben durchaus auch tiefsinnig wie „Vergiss mich nicht“ oder „Das unabwendbare Altern der Gefühle“. Es ist ein gelungener „Arthouse“-Comic zum Wohlfühlen und Nachdenken.

Antananarivo [2]


(c)opyright der Abbildungen, mit freundlicher Genehmigung: Splitter Verlag 2022

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