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Decorum

Rezensionen / Science Fiction
geschrieben von M.Behringer am 20.07.2022, 14:13 Uhr

Opulent bebilderte Meta-Assassin-Space-Opera


Decorum [1] Hickman ist bekannt für seine High-Concept-Ansätze, die Verwendung mehrerer Erzählebenen und für sein detailverliebtes World-Building. Letzteres kommt durch grafisch reduzierte, diagrammhafte Erklär-/Schautafeln zum Besten, die er zwischen den Einzelkapiteln einfügt, um das Setting seiner jeweiligen Welt auszubuchstabieren. Das war so in seinen Image-Comics-Serien „East of West und „The Black Monday Murders“ oder jüngst auch in dessen „X-Men“-Run für Marvel. Auch in der seiner neuen Image-Comics-Miniserie „Decorum“ finden wir beides vor. Cross Cult hat das Ganze auf Deutsch veröffentlicht.

Eine routinierte und eiskalte Profi-Auftragskillerin rettet und rekrutiert eine junge Kurierin. Die intergalaktische schwesterliche Killer-Elite der Auftragskillerin bildet sie aus. Durch ein mystisches Ei gebären übermenschliche Mütter alle Zyklen ihren Messias. Genau das will wiederum der Sohn des Schöpfergottes verhindern.

Was sich so kurz in drei Sätzen zusammenfassen lässt und vielleicht nicht sofort spektakulär anhört, breitet sich als epische Meta-Space-Opera aus. Was zunächst wie eine Crime-Space-Opera beginnt, wird schnell zu einer Assassin-Akademie-Story à la „Deadly Class“, allerdings vor SF-Setting (und nicht annähernd so gut). Die Meta-Ebene baut sich auf zwei weiteren Erzählebenen auf und so entfaltet sich eine typische komplexe Hickman-Story, die im letzten Drittel zu hastig beendet wird.

Decorum

Leider fehlt es den Charakteren komplett an Tiefe. Man wird v.a. mit der Protagonistin so gar nicht warm, weil man zu wenig über sie erfährt. Kongenial ist dagegen einmal mehr das detailverliebte Worldbuilding, das wie Eingangs beschrieben voll exerziert wird und Spaß macht. Außerdem gibt es überraschend witzige Stellen, was nicht unbedingt typisch Hickman ist. Das lockert die Story tatsächlich auf, macht sie dadurch aber gleichzeitig auch austauschbar, weil das dank MCU & Disney Mainstream ist.

Die große Stärke von „Decorum“ ist zweifelsohne das Artwork von Mike Huddleston. Eingangs noch plastisch-kunstvoll, variiert er mit kontraststarken SW-Illustrationen, die nur spärlich koloriert sind. Immer wieder durchbricht er einen Stil und schafft dadurch Abwechslung, Innovation und Überraschung. Allein das Artwork ist es Wert, „Decorum“ zu lesen – trotz seiner narrativen Schwächen.

Decorum

Cross Cult hat sich dazu entschieden, „Decorum“ noch großformatiger als die US-Hardcover-Edition zu publizieren. Das Format wird dem grandiosen Artwork definitiv gerecht, allerdings zahlt man dafür auch 'nen Zehner mehr als für die US-Ausgabe. Der Text liest sich stellenweise sehr gestelzt. Ich kann nicht beurteilen, ob das schon so im Englischen angelegt ist, oder ob die Übersetzung dafür zu kritisieren ist.

„Decorum“ ist grafisch ein absolutes Fest und allein deshalb lesenswert. Inhaltlich ist es für Hickman sehr kompakt. Vielleicht liegt es an der kürzeren Länge, dass es ein paar erzählerische Schwächen gibt, aber das Worldbuilding ist wieder phänomenal.

Decorum [2]


(c)opyright der Abbildungen, mit freundlicher Genehmigung: Cross Cult Verlag 2022

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