Comic Radio Show

Kim Schmidt: Das war Öde

Interviews / Humor/Cartoons
geschrieben von Maqz am 13.11.2017, 20:42 Uhr

Flensburger 448-Seiten Comic von 1983-2015.

Das war Öde [1] Ok, wir kennen Kim Schmidt bei der Comicradioshow schon wirklich etwas länger [2], aber auch (oder gerade) uns konnte er noch wirklich überraschen und beeindrucken. Wer außerhalb des Einzugsgebietes des Flensburger Wochenzeitung "Moin Moin" hätte schon gewusst, dass Kim von 1983 bis 2015 regelmäßig einen Comic mit einem über die Zeit erreichten Kult-Status erreichte? Ich in meinem provinziellen München jedenfalls nicht! Wir haben nachgefragt, welche humoresken und sogar politischen Einfluss seine Serie "Das war Öde" im hohen deutschen Norden und Teilen von Dänemark hatte.

ComicRadioShow: Hallo Kim. Hast Du wirklich mal mit einem deiner Comics die Dänische Königin beleidigt?

Ja hab ich. Man muss dazu wissen, dass es bei uns einen florierenden
Grenzhandel gibt: Dänen fallen scharenweise in Flensburg ein und kaufen
die Discounter leer. Insbesondere Alkohol und Tabakwaren sind in Dänemark
hoch besteuert, da lohnt sich ein Einkaufstrip nach Deutschland. Als die
dänische Königin einmal die Stadt besuchte, habe ich sie gezeichnet, wie
sie sich ins goldene Buch einträgt und die Stadtoberen in gebrochenem
Deutsch fragt: "Wolange har Aldi eigentlich auf?
Nach Erscheinen der Comicfolge hat dann der dänische Konsul empört in der
Redaktion angerufen. Der Comic sei Majestätsbeleidigung und würde Folgen
haben. Das war 1983, in einer der ersten Öde-Comics.

Das war Öde

CRS: Warum konntest Du Dich mit Deiner Serie so lange in Flensburg halten? Nach dem "Ding" mit der Königin wäre bei vielen anderen der Ofen schnell aus gewesen.

Da kam nichts nach.
Ich glaub, die Königin ist eine ganz entspannte Frau und würde über sowas
auch lachen. Und die Herausgeber Kopp und Thomas waren
Alt-Achtundsechziger, an denen perlte solche Dinge sowieso ab. Ich war damals
kurz vorm Abitur, es gab große Protestbewegungen in Deutschland, die
Grünen hatten sich eben gegründet, wir hatten rabiate, naive,
unversöhnliche Ansichten - na ja, wie man eben so ist mit 18, 19 - und
das floss natürlich in die Comics mit rein. Kopp und Thomas fanden das
aber gut, die haben nicht einen Comic abgelehnt, sondern alles gedruckt.
Die hatten Spass an Provokationen.
Schlimmer war der Comic über die örtliche Rockergang. Die hatte ich in
eine Folge als Schläger dargestellt, weshalb die echt lange hinter mir her
waren um mir eine reinzuhauen.


Das war Öde


CRS: Was macht die Serie für dich ganz besonders aus?

Öde hatte ich damals zusammen mit meinem Sandkastenfreund Jens Junge
begonnen. Den Öde gibt es übrigens wirklich: Ein Schulfreund von Jens trug
aus unerfindlichen Gründen diesen Spitznamen. Jens hat ihm die
Namensrechte auf dem Schulhof abgekauft, für ein Snickers. In den ersten 2
Jahren zeichneten wir im Wechsel wöchentlich eine neue Folge. Nachdem Jens
dann zum Studium nach Bonn wegzog, habe ich die Serie allein betreut. Öde
ist eben so ein Ding aus meiner Jugend, wir sind zusammen älter geworden.
Ich hing einfach an den Figuren und hatte bis zum Schluss Spass daran, mir
neue Stories dafür auszudenken.

Das war Öde

CRS: Hat "Das war Öde" neben den realen Ereignissen, die z.T. als Aufhänger dienen, noch weitere Vorbilder im wahren Leben (oder aus anderen Comicserien)?

Wie gesagt, den Öde gibt es ja tatsächlich. Darüber hinaus tauchen jede
Menge reale Personen in den Comics auf, sämtliche Bürgermeister der Stadt
seit 1983 natürlich, viele Stadtpolitiker und Wichtigkeiten aus der
Gegend: Beate Uhse, der Hochstapler Dr.Dr. Bartholdy, Uwe Barschel, Heide
Simonis, Peter Harry Carstensen, Echt, Santiano…
Themen waren aber auch immer wieder
bundesweite Ereignisse oder wenn zum Beispiel Celebrities wie Johannes
Rau, Bob Dylan, Herbert Grönemeyer oder Carsten Spengemann die Stadt
heimsuchten. Besonderen Spass hatte ich an so regionalen Besonderheiten
wie zum Beispiel Rummelpott laufen (das ist so ähnlich wie
Halloween, bloß zu Silvester) dem Norddeutschen Slang und plattdeutschen
Schnacks. In den Comics habe ich auch immer wieder aktuelle Themen
aufgegriffen, wahnwitzige Bauvorhaben, Bürgermeisterwahlkämpfe,
Klüngeleien und sowas. Es hat mal eine Ratssitzung gegeben, in der ein
Ratsherr mit einer aktuellen Zeichnung von mir in die Sitzung kam und die
mit den Worten „Darüber reden wir heute!“ theatralisch ans Rednerpult
klebte. Hat mir ein Journalist so berichtet.

Das war Öde

CRS: Nun ist ja so ein 448-Seiten Wälzer mit ausführlichen Vorworten und noch ausführlicheren Anhängen neben dem neu Einscannen der alten Comics ein kräftezehrender Akt des irrwitzigen Fleißes (um es mal milde auszudrücken). Wie kam es dazu, dass Du dieses "Das war Öde"-Sammelband in Angriff genommen hast und auch noch fertigstellen konntest?

Ja warum hab ich das gemacht? Im Grunde war es natürlich die pure
Eitelkeit: Mir gefiel der Gedanke, meine jahrelange Arbeit mal so gebündelt in einer
dicken Schwarte auf den Tisch legen zu können.
Tatsächlich wären die Comics sonst ja alle weg gewesen: Ich meine, wer hat
denn schon über Jahre die Comics ausgeschnitten und aufgehoben? Die Zeitung wird
durchgeblättert, der Comic gelesen, und dann wird damit der Ofen
angezündet. Nach dem Aus bei der Moin Moin wurde ich häufiger gefragt, ob
es denn nicht mal eine Gesamtausgabe geben würde.
Ich habe mir das aber echt lange überlegt, denn es ging um ne Menge Zeit
und Arbeit und erst Recht Kosten, die investiert werden mußten.

Das war Öde

CRS: Nun ist die Serie oft sehr auf Flensburg bezogen, eine Stadt, die man bundesweit mit den "Punkten", dem Bier und (bis 2015) mit Beate Uhse verbindet. Wie viel der auf 2000 Stück limitierten Ausgabe hast Du schon über die Stadtgrenzen hinaus verschickt?

Ein paar hundert sind bislang in alle Winkel der Republik gegangen, viele
an ehemalige Flensburger, die sich damit ein Stück Vergangenheit
wiedergeholt haben. Die sind mit der Serie aufgewachsen, viele haben mir
ihren Lieblings-Gag genannt, den sie jahrelang an der Pinnwand hatten. Ich
hab mich gewundert, an was sich da teilweise erinnert wurde. Das meiste
hatte ich selbst vollkommen vergessen.

Das war Öde


CRS: Warum kam es eigentlich zum Ende der Zusammenarbeit mit Dir und "Moin Moin“?

Darüber wurde hier in der Comicradioshow [War bei Comicgate! [3] Anm. der Chefred.] glaub ich seinerzeit berichtet [4].
Kurz gesagt kam es im September 2015 zu einer Meinungsverschiedenheit über
einen Comic zum Thema Ressentiments gegen Flüchtlinge. Man fand das Thema
zu heikel, die Redaktion wollte den nicht drucken, worauf ich ihn mit
entsprechendem Hinweis über Facebook verbreitete, was einen Shitstorm
gegen die Zeitung auslöste
. Das wiederum passte dem Herausgeber natürlich
nicht, der sich dem Vorwurf der Zensur ausgesetzt sah. Ich selbst war auch
überrascht und erschrocken über die Wirkung, die sowas entfalten kann. So
ein Shitstorm ist beängstigend, auch wenn man selbst nicht das Ziel ist.
Die Moin Moin war jedenfalls nachhaltig verärgert und teilte mir mit, dass
man Öde aus dem Blatt nehmen wolle, der Comic sei einfach nicht mehr
witzig. Für eine neue Serie aus meiner Feder sei man aber offen. Ich habe
dann gesagt, entweder Öde oder gar nicht, und das wars dann.
Es sind auch schon vorher immer wieder mal Comics nicht veröffentlicht
worden, oft aus Platzgründen, weil der Platz dann doch noch an einen
Anzeigenkunden verkauft werden konnte, aber auch inhaltlich war man
vorsichtiger geworden. Im Anhang der Gesamtausgabe weise ich auf nicht
abgedruckte Folgen hin.

Das war Öde

CRS: Im Jubiläumsheft zum 40-Jährigen wurdest Du so gar nicht erwähnt. Schmerzt das nach über 30 Jahren Zusammenarbeit?

Das fand ich bedauerlich.

CRS: Wie ist das Leben so ohne den wöchentlichen Öde-Cartoon?

Ich hab an den Comics echt gehangen, aber eine Verpflichtung weniger pro
Woche, das hat auch was.


Das war Öde


CRS: Was waren Deine Top 5 - Geschichten? (...und die spannende
Geschichten dahinter?)

Schwere Frage, bei 1300 Folgen… Es gab da diese Phase mit dem einen
Bürgermeister in Flensburg, das war so ein kleiner Nervöser. Den hatte ich
bereits ein paar mal in der Comics auftauchen lassen, da rief er mich an
und lud mich zum Gespräch. So wie ich ihn darstellen würde, so wäre er ja
gar nicht und er könne mir gern jede Menge Ideen für die Comics liefern.
Ich dachte, ich hör nicht richtig. Er hatte Recht, ich kannte ihn vorher
nicht. Na das Gespräch aber war wie eine Initialzündung. Danach ging es
richtig los, der Mann wurde eine der Hauptfiguren der Serie. Omi Kempel
hat sich unsterblich in ihn verliebt, ich hab ihn in die Weihnachtskrippe
gesteckt, mit dem Fahrstuhl ins All katapultiert und so weiter. Der
nächste Bürgermeister hiess Tscheuschner, da war schon sein Name ein Gag.
Dann gibts da in dem Buch die Kurzgeschichte „Barschel lebt“, in der Öde
einen Gastauftritt als Taxifahrer hat. Die stammt aus dem Achterbahn-Band
„Wege in die Wanne“ von 1997. In dem Album hatten sich 7 norddeutsche
Zeichner mit dem rätselhaften Fall Barschel beschäftigt. Die Geschichte
finde ich nach wie vor lustig, darum habe ich sie mit reingenommen.

Das war Öde


CRS: Hast Du schon überlegt das ganze auch noch in Dänisch
übersetzen zu lassen?

Nee, das würde auch glaube ich nicht gut funktionieren. Von meiner
Cartoonreihe Local Heroes gab es aber eine dänische Ausgabe.


Das war Öde

CRS: Wie würdest Du "Das war Öde" heute mit Deinen anderen Comic-Projekten vergleichen? Und ist das Thema mit dem Sammelband abgeschlossen und begraben? Oder gibt es noch Hoffnung auf eine Fortsetzung?

Das war Öde ist mein dickstes Buch, so viel steht mal fest. Und ja, die
Serie ist definitiv abgeschlossen. Öde ist passé, ein Relikt aus ner
vergangenen Zeit.

Das war Öde

CRS: Gab oder wird es noch eine Lesung/Tour durch die Flensburger Fan-Gemeinde geben?

Eine Live-Lesung ist in der Tat geplant für Anfang 2018.

CRS: Laut der Nummerierung meines Exemplars, scheinst Du ja schon
fast ein Viertel der Auflage unter die Leute gebracht zu haben. Wann kommt
schätzungsweise Auflage zwei (das Softcover?).

Nachgedruckt wird nicht. Es gibt nur diese eine Auflage.

CRS: Vielen Dank für das Gesprächt lieber Kim!

Sehr gern und danke für das Interesse.

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Das war Öde


(c)copyright der Abbildungen mit freundlicher Genehmigung: Kim Schmidt 2017

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