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Valerian – Film und Comicvorlage

Rezensionen / Film & TV
geschrieben von StefanS am 23.07.2017, 20:04 Uhr

Frankreichs hedonistisch-ausgeflipptes SF-Comicuniversum


Valerian – Film und Comicvorlage [1] 1997 brachte Regisseur Luc Besson gemeinsam mit Jean Giraud (Moebius) und Jean-Claude Mézières frankobelgische Comicwelten auf die große Leinwand, wer „Das fünfte Element“ mochte, der wird auch an „Valerian“ Freude haben. ComicRadioShow hat sich den Kinofilm und die Comicvorlage zu Gemüte geführt.

Von Stefan Svik

In Deutschland ist die Comicreihe von Mézières und Christin seit den 1970er-Jahren als „Valerian und Veronique“ bekannt. Da die weibliche Hauptperson im Original aber Laureline heißt, wurde sie im Kino und in der von Carlsen neu aufgelegten Comicvorlage entsprechend umbenannt. Aus „Im Reich der tausend Planeten“ (1971) und „Botschafter der Schatten“ (1975) machte der Star-Regisseur (Leon – Der Profi) „Valerian: Die Stadt der tausend Planeten“. Das Ergebnis ist, wie es auch bei den meisten Marvel- oder DC-Filmen der Fall ist, auch für Kenner der Comics überraschend, da zwar viele bekannte Szenen auf die Leinwand übertragen, aber auch genügend neue Elemente hinzugedichtet wurden.

Valerian – Film und Comicvorlage [2]

Die Agenten Valerian (Dane DeHaan) und Laureline (Cara Delevigne) sind Agenten des „Raum-Zeit-Service“ im 28. Jahrhundert. In ihrer aktuellen Mission sollen sie auf einem Planeten einen wichtigen Gegenstand an sich bringen. Im Laufe der Handlung stoßen sie auf einen Vorfall, bei dem die Bewohner eines ganzen Planeten durch einen Angriff vernichtet wurden.

Cara Delevigne als Laureline ist eine eigenwillige Wahl, sie hat zwar reichlich junge Fans in den sozialen Netzwerken, aber das britische Model hatte doch bereits in „Suicide Squad“ nicht gerade Werbung für ihre Schauspielkunst gemacht. Ihre Mimik ist ähnlich ausdrucksstark wie die eines Steven Seagal oder Til Schweiger, grimmig sieht sie aus und ihr Vorbild in der Comicvorlage übertrifft sie allemal an Tiefgang und der Vielfalt ihrer Gesichtsausdrücke. Auch der US-Amerikaner Dane DeHaan bleibt eher blass. Und wozu musste Sängerin Rihanna (als Formwandlerin Bubble) in diesen Film? Um junge Zuschauer anzulocken, die mit der Comicvorlage ihrer Großeltern oder Eltern nicht vertraut sind! Rihannas Striptease-Szene im engen Latexkleidchen ist Teil des beifallhaschenden Trailers und wer den gesehen hat, kennt bereits fast alle bemerkenswerten Momente dieses arg zähflüssigen Werks.

Valerian – Film und Comicvorlage

Lässt der Trailer eine furiose, pausenlose Achterbahnfahrt mit spektakulären Szenen erwarten so ist der komplette Film erheblich langsamer und extrem langweilig. Anders als bei Marvel sind erheblich mehr Spielraum für originelle Ideen (eine Qualle über den Kopf ziehen, um an Informationen zu gelangen) und nie zuvor gesehene Bilder vorhanden. Leider fehlt dadurch aber auch das verlässliche Gerüst des Marvel-Universums, „Valerian“ wirkt wie ein willkürlich zusammengeschnittener SF-Streifen, der wohl gerne wie „Guardians of the Galaxy“ wäre, dem es aber an zündendem Humor fehlt, an Figuren, die einem nicht völlig egal bleiben und an einer Handlung, die nicht gar so platt ist. Das die beiden Helden ein Liebespaar sind und sich Zeit für Sinnesfreuden nehmen hat etwas zutiefst sympathisches, die Comics führen das noch deutlich besser aus. Ähnlich wie „Das fünfte Element“ wird auch dieser Film bei der Masse der Zuschauer rasch in Vergessenheit geraten. Das Niveau der Comics von Moebius oder eben der „Valerian“-Comics wird völlig verfehlt. Positiv ist allerdings, wie es das Team geschafft hat Elemente der Comics wie die Raumanzüge, den Goldesel, die Virtual-Reality-Tour durch den Markt in der Wüste in moderne Bilder zu verwandeln – in diesen Momenten beweist Besson, dass ein zweiter „Valerian“-Film durchaus spannend und unterhaltsam werden könnte, wenn man die Schwachstellen beseitigen würde. So wirkt etwa der Planet mit den friedliebenden, kindlichen Aliens wie ein Outtake aus James Camerons „Avatar“, nur viele Millionen billiger und unglaublich langgezogen. Das aus diesem Anfang dann eine Story wird, die offenbar auf Frankreichs dunkle Kolonialgeschichte in Afrika Bezug nimmt, wirkt dann noch viel platter als viele der anderen stereotypen Momente in diesem Film: Männer taugen nicht zur Monogamie und sind unsensibel, Frauen sind launisch, Frauen können nicht so gut Auto...pardon, Raumschiffe steuern wie Männer...

Valerian – Film und Comicvorlage

Der Comic kommt im etwas kleineren Format als die typischen frankobelgischen Alben daher. Im Vorwort wird kurz erläutert, dass Veronique hier Laureline heißt, ansonsten gibt es keinerlei Extras. Die Geschichten wirken erstaunlich frisch und die Themen zeitlos. Die Handlung des ersten Albums „Im Reich der tausend Planeten“ ist nahezu eine 1:1-Vorlage für den jüngsten „Star-Trek“-Kinofilm: „Star Trek Beyond“. Hedonismus, Religions- und Kapitalismuskritik, Sorge vor der atomare Zerstörung der Welt, Umweltschäden, soziale Ungerechtigkeit, Drogenerfahrungen – die Comics entstanden im Frankreich der Jahre ab 1967 mit ihrer Aufbruchsstimmung, den Studentenunruhen, der bevorstehenden Mondlandung. Diesen Geist atmen die Comics und nach deren Lektüre wirkt der Film um so enttäuschender, weil eben so willkürlich. Es wurde mehr Wert auf internationale Verwertbarkeit gelegt als auf einen unterhaltsamen, stringenten Film. Außer Besson und dem Erzählstil wurde nahezu alles Französische eliminiert bis ein ähnlich seelenlose Quatsch entstand wie Bessons „Lucy“ oder die Manga-Verfilmung „Ghost in the shell“ (beide mit Scarlett Johansson).

Valerian – Film und Comicvorlage

Uneingeschränkte Empfehlung der Comics! Der Film hingegen ist nur etwas für Fans von Rihanna, von trashigen Darbietungen von Models, die das Handwerk der Schauspielerei unterschätzen und beinharten Anhängern von Luc Besson.

Valerian: Die Stadt der tausend Planeten

Wertung: 49 %

Trailer: https://www.youtube.com/watch?v=fG7fcaVg_Lo

Valerian & Laureline: Filmausgabe

Wertung: 80 %

Valerian - Filmausgabe
Text: Pierre Christin
Zeichnungen: Jean-Claude Mézières
Übersetzung: Marianne Knolle und Brigitte Westermeier
96 Seiten, Softcover, farbig
2017 Carlsen Comics, 9,99 Euro


Comics & Filme, die aus Comics entstanden sind, kauft man vorbildlich beim Comic-Händler in seiner Nähe [3], jedoch...Valerian & Veronique: Filmausgabe kannst Du auch hier kaufen
Valerian – Film und Comicvorlage


Leseprobe [4]

Copyright der Abbildungen aus dem Comic, mit freundlicher Genehmigung: Carlsen Comics 2017

Copyright der Abbildungen aus dem Film, mit freundlicher Genehmigung: Universum Spielfilm 2017



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