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Going West! - Wanderausstellung

Interviews / Western
geschrieben von emha am 29.01.2016, 10:29 Uhr

... noch bis zum 21.02.16 in Hannover


Going West Ausstellung [1]Interview mit Kurator Alexander Braun: Es war mir wichtig zu zeigen, dass es selbst in dem eher kreativarmen Segment der für niedrigsten Lohn und semi-industriell hergestellten Comic-Hefte der 1950er-Jahre wenig beachtete Künstler gibt, die trotz der schwierigen Umstände künstlerisch allererste Qualität abgeliefert haben.
Die Ausstellung „Going West!“ widmet sich über 100 Jahren Comic-Geschichte und thematisiert die ganze Vielfalt der zeichnerischen Möglichkeiten sowie die wechselnde Wahrnehmung und Bewertung des amerikanischen Westens. Originalzeichnungen, eine umfassende Auswahl von Originalpublikationen, Filmausschnitte und ethnologische Objekte ermöglichen eine vielseitige und authentische Begegnung mit einem zentralen Gründungsmythos der amerikanischen Nation.

Kurator der Ausstellung ist der Bonner Kunsthistoriker und McCay-Spezialist Alexander Braun, der auch ein sehr umfangreiches und detailliertes Buch zur Ausstellung verfasst hat. Dieses gibt es in der Ausstellung oder unter mail@german-academy-of-comic-art.org (49,-- € + Versandkosten).

Die CRS stellte Kurator Alexander Braun einige Fragen rund um die „Going West“ - Ausstellung


CRS: Wann entstand die Idee zur Wanderausstellung „Going West“?

A.B.: Ich muss gestehen, dass „Going West“ zunächst als Interims-Projekt gedacht war, weil sich eine andere Ausstellungsidee verzögerte. Dann hat das Thema aber schnell eine eigenständige Dynamik angenommen.

CRS: Wie lange hat es gedauert, die Exponate zusammenzustellen und schließlich auszustellen? Haben Sie das alles alleine organisiert?

A.B.: In der Regel mache ich so eine Ausstellung komplett fertig, inkl. Katalogbuch, und suche mir dann Museumspartner. In diesem Fall hat das Cartoonmuseum in Basel als erste Station einige hilfreiche Kontakte zu Leihgebern beigesteuert. Die eigentliche Vorbereitung – Leihgaben-zusammen-Tragen, Rahmung, Katalog-Schreiben etc. pp. – hat gut ein Jahr in Anspruch genommen. In der Zeit hat dann die Woche allerdings 7 Arbeitstage, sonst ist es nicht zu schaffen.

Going West

CRS: Wie lange dauert ein Ausstellungsaufbau?

A.B.: Das ist nicht so dramatisch, wenn alles gut vorbereitet ist. Je nach den Ambitionen der einzelnen Museen an eine individuelle Ausstellungsarchitektur: drei bis fünf Tage.

CRS: Woher bekommt man beispielsweise historische US-Zeitungsseiten?


A.B.: Die stammen weitgehend aus meiner eigenen Sammlung, wo sie sich wie Treibgut über die Jahre angesammelt haben. So etwas kann man nur schwer auf den Punkt zusammentragen. Das muss sich organisch aus Zufallsfunden über die Zeit ergeben.

CRS: Als Comic-Fan Jahrgang 1960 war ich natürlich von den Originalen meiner Westernhelden aus der Jugendzeit fasziniert, die da wären Blueberry und Comanche. Oder im Funnybereich Lucky Luke. Aber auch die Originale von z.B. Uderzo, Derib, Hergé und Hugo Pratt haben mich umgehauen. An die Werte dieser Seiten gar nicht zu denken. Wie sind Sie an diese Originale für die Ausstellung gekommen?


CRS: Das ist über die Jahre gewachsenen Netzwerken zu anderen Sammlern zu verdanken, die mir vertrauen und die wissen, dass ich mit ihren Werken genauso pfleglich umgehe wie mit meinen eigenen. Am Ende sind jetzt bei „Going West“ Sammlungen aus Österreich, der Schweiz, Frankreich, Belgien, Italien, USA und Deutschland vertreten.

CRS: Allein aufgrund ihres Alters sind auch immer wieder die ganz alten Exponate faszinierend. In der aktuellen Ausstellung in Hannover waren das „His First Grizzly“ von 1901 und „Little Growling Bird in Windego Land“ von A.T. Crichton (1906-1907), mit denen die Ausstellung auch beginnt. Wer war da Leihgeber?

A.B.: Die stammten ursprünglich aus einem gemischten Konvolut, das ein Schweizer Sammler aus den USA erworben und einige Stücke an mich weitergereicht hat, weil ihn diese Arbeiten für seine Sammlungsschwerpunkte nicht interessierten. Die sind in der Tat so selten, die kann man nicht suchen. Man kann nur etwas suchen, von dem man weiß, dass es existiert. Unser Kanon, den wir beanspruchen, hat gerade in der frühen Comic-Historie extrem viele weiße Flecken.

Going West

CRS: Wie sind Sie an die Filmkopie von „The Great Train Robbery“ gekommen? Laufende Bilder – es gibt außerdem einen Animationsfilm in der Ausstellung – finde ich immer sehr auflockernd…

A.B.: Bei der Verwendung von Filmen ist in sofern Vorsicht geboten, weil die bewegten Bilder gegenüber den statischen bei den Besuchern wie Magnete funktionieren. Filme sollten im Kontext von Comics eher sparsam Verwendung finden. Aber wenn es inhaltlich nützt, weil so z.B. zeithistorische Kontexte besser illustriert werden können, immer gerne.


CRS: Zwei Künstler, die ich bisher nicht kannte, sind mir besonders in Erinnerung geblieben: James Swinnerton, vor allem wegen seiner Gemälde und S. Robert Powell mit seinem „Red Hawk“. Die unglaublich ausdrucksvollen Gesichter der Indianer waren der Hammer.

A.B.: Ja, das finde ich auch. Das war mir wichtig zu zeigen, dass es selbst in dem eher kreativarmen Segment der für niedrigsten Lohn und semi-industriell hergestellten Comic-Hefte der 1950er-Jahre wenig beachtete Künstler gibt, die trotz der schwierigen Umstände künstlerisch allererste Qualität abgeliefert haben.

CRS: Wer hatte die Idee zu dem Totemfahl, der sich in Hannover über die zwei Etagen der Ausstellung erstreckt?

A.B.: Das ist eine Eigenkreation des Hannoveraner Aufbauteams um Kai Wetzel. Da die meisten von ihnen im Hauptberuf bildende Künstler sind, haben sie beeindruckendes Know-how und Esprit an den Tag gelegt.

Going West

CRS: Während die Originale noch in einem recht guten Zustand sind, nagt an den historischen Zeitungsseiten der Zahn der Zeit.

A.B.: An allen Exponaten nagt der Zahn der Zeit. Bei den Originalzeichnungen fällt das nicht so auf, weil der Zeichenkarton dicker aufträgt als die Zeitungsseiten. Trotzdem gilt für beides: Das größte Problem stellt das holzhaltige und damit automatisch säurehaltige Papier dar. Das zersetzt sich von Innen heraus, selbst wenn man es nicht dem Licht und der Luft aussetzen würde. Die Tusche ist weniger das Problem, auch nicht so sehr die Farben des Zeitungsdrucks. Die sind verhältnismäßig stabil. Die Achillesferse ist das Papier.


CRS: Wie waren diese Blätter dennoch in einen Rahmen zu bekommen? Mussten diese vorher noch „bearbeitet“ werden?

A.B.: Alles Zeitungsseiten waren ohne Ausnahme zuvor beim Papierrestaurator. Noch so ein Kostenfaktor übrigens! Das Zeitungspapier ist entsäuert und von hinten mit einem hauchdünnen Seidenpapier verstärkt worden. Ohne diese Maßnahme wären die Blätter nicht ausstellbar. Sie würden Ihnen – in die Senkrechte gebracht – schlichtweg zerbrechen, so wie sich das an den Blatträndern bereits beobachten lässt.


CRS: Wo ist die Ausstellung nach Hannover (noch bis 21.2.2016) zu sehen?

A.B.: Die letzte Ausstellungsstation wird das Deutsche Zeitungsmuseum in Wadgassen bei Saarbrücken sein (März bis Mai 2016).


CRS: Ich habe nun schon eine ganze Reihe von Ausstellungen gesehen, die von Ihnen kuratiert wurden. Haben Sie schon Ideen, welche Ausstellung Sie als nächstes konzipieren wollen? Ich bin gespannt …

A.B.: Ja, die gibt es für 2016 und 2017. Sogar in extrem interessanten Museen des Hochkulturbereichs, die bislang wenig Augenmerk auf Comics gelegt haben. Aber ich bitte um Verständnis, dass ich das die Partner selbst kommunizieren lassen möchte und diesbezüglich nicht vorgreifen will.

CRS: Vielen Dank für die sehr interessanten Hintergrundinfos zur Ausstellung.

A.B.: Sehr gerne.

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(c) Fotos: Michael Hüster 2016

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