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Jerusalem : Ein Familienporträt

Rezensionen / Politik & Geschichte
geschrieben von Micha am 09.05.2015, 21:52 Uhr

Gewalt erzeugt noch mehr Gewalt


Jerusalem : Ein Familienporträt [1]Palästina, Britisches Mandatsgebiet, 1945. Die beiden knapp 10-jährigen Cousins Jonathan und Motti Halaby sind beste Freunde, ganz im Gegensatz zu ihren Vätern Yakov und Izak Halaby. Yakov trachtet danach, seinen kleinen Bruder finanziell zu ruinieren, weil der mehr Aufmerksamkeit vom Vater bekam. Und es gelingt; Izak kann die Mietzahlungen an Yakov nicht mehr aufbringen und kommt ins Gefängnis. Derweil hat sich Mottis Bruder Ezra radikalisiert, führt blutige Anschläge gegen die britischen Mandatstruppen aus und beteiligt sich an Massakern gegen Araber. Der andere Bruder, Avraham, ist Kommunist und träumt von einem sozialistischen Palästina, in dem Juden und Araber Brüder sind.

Irgendwie kämpft hier jeder gegen jeden. Die Kommunisten mit Avraham gegen die Briten, weil es Imperialisten sind, die Zionisten mit Ezra gegen die Palästinenser und die britischen Besatzer, die die Ordnung aufrecht erhalten wollen, Araber plündern brutal ein jüdisches Handelszentrum, jüdische Kinder revoltieren gegen den sie unterrichtenden despotischen französischen Priester, und sogar Juden kämpfen gegen Juden: Ezras Freunde gegen Avraham, weil der die Araber nicht hasst, und die in Israel geborenen Kinder liefern sich erbitterte Straßenschlachten mit den Kindern eingewanderter europäischer Juden! Und alle glauben sich im gerechten Kampf gegen Unterdrücker.

Jerusalem : Ein Familienporträt

Die Gewalt schaukelt sich immer weiter auf, wird immer enthemmter und fordert mehr und mehr Menschenleben. Im Lauf der Jahre leidet sogar die Freundschaft zwischen Jonathan und Motti unter der Feindschaft ihrer Väter, bis sie am Tag von Jonathans Bar-Mizwa brutal endet.

Selten gibt es eine Graphic Novel, auf die das Wort „packend“ so von Anfang bis Ende zutrifft wie auf „Jerusalem“. Auch wenn Nick Bertozzis Zeichnungen mitunter im Detail etwas überhastet ausgeführt scheinen, entwickeln sie dennoch im Ganzen einen Sog, der den Leser gefangen nimmt. Autor Boaz Yakin hat Erinnerungen seines Vaters zu einer beeindruckenden fiktiven Erzählung verdichtet, in der die Spirale der Gewalt kein Ende nehmen will. Yakin beobachtet völlig neutral: Es gibt hier nicht die Guten und die Bösen, alle verteidigen einfach ihren eigenen Standpunkt bis zum bitteren Ende, und gerade dadurch wird die Sinnlosigkeit der Gewalt deutlich.

Jerusalem : Ein Familienporträt

Das einzige, was mich am Anfang so ein bisschen gestört hat, ist, dass die Soundwörter nicht übersetzt wurden. Ein „Gasp!“ sollte sich doch grafisch leicht in z.B. ein „Keuch!“ abändern lassen. Vielleicht geht das ja nur mir so. Und wenn Elias auf Seite 46 Avraham mit „Genosse Halaby“ begrüßen würde statt mit „Kamerad Halaby“ (englisch jeweils „comrade“), hätte ich schon an der Stelle begriffen, dass die beiden Kommunisten sind. Aber das sind nur Feinheiten.


Jerusalem : Ein Familienporträt
von Boaz Yakin und Nick Bertozzi,
400 Seiten,
Panini Comics, 29,99 Euro


Am Besten kauft man sich das Comic beim Comichändler seines Vertrauens
...jedoch... Jerusalem : Ein Familienporträt kannst Du auch demnächst hier kaufen. [2]


Jerusalem : Ein Familienporträt

(c) der Abbildungen mit freundlicher Genehmigung: Panini Verlag 2015

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