Comic Radio Show

Loriot Biografie abgesagt

Interviews / Biographisch
geschrieben von Maqz am 30.01.2015, 00:00 Uhr

René Lehner musste sein Comic in die Schublade legen


Loriot Comic BiografieDer Traum des Schweizer Comiczeichners René Lehner, eine gezeichnete Biografie über Vicco von Bülow, genannt Loriot, zu schaffen, ist heuer geplatzt. In seinem Facebook-Profil schrieb Lehner am 26. Januar 2015 um 14:51 wörtlich "Meine LORIOT Biografie ist leider in der Schublade gelandet. Die Erbinnen Loriots wehren sich gegen das Buch." Die ComicRadioShow hat beim Zeichner nachgefragt, was hinter der Geschichte steckt und warum die ersten 81 Seiten trotzdem gelesen werden können.

ComicRadioShow: Servus René, war für Dich nicht der beste Start ins Jahr 2015, oder?
Es ist nicht das erste Buchprojekt, das in meiner Schublade landet. Als Künstler muss man damit leben, dass ein Projekt nicht gefällt oder keinen Verleger findet. Auch mein Buch "Zehnundeine Nacht" mit Charles Lewinsky musste ich nach 100 Seiten beerdigen. Habe keinen Verleger gefunden. (Zu lesen auf www.humbug.ch). War halt nicht gut genug.

CRS: 81 Seiten umsonst gezeichnet bei einem so interessanten Projekt. Wie ist es überhaupt zustande gekommen?
Das Buch ist aus einer spontanen Idee entstanden und plötzlich war ich leidenschaftlich am Schreiben und Zeichnen. Buchprojekte mache ich immer neben meinen Comicarbeiten, die mein Leben finanzieren: Comics für Zeitungen, Kommunikation und Werbung. Ich rechne von Anfang an nicht mit einer angemessenen Entschädigung. Ich habe fast mein ganzes Leben vom Comiczeichnen gelebt, aber mit allein Büchern hätte ich das nicht tun können. Der Markt ist dafür zu klein und vor allem bin ich nicht gut genug dafür.



CRS: Und warum wollen "die Erbinnen" (auf einmal?) nicht mehr, dass Du diese Graphic Novel fertigstellen darfst?
Nach 80 Seiten habe ich die Töchter Loriots angeschrieben und sie haben nur kurz und bündig geschrieben, dass sie mit einer Veröffentlichung nicht einverstanden sind. Punkt.

CRS: Und jetzt kommt das Beste: WARUM darfst Du dann trotzdem Deine 81 Seiten auf deiner Website [1] der Öffentlichkeit präsentieren?
Juristisch ist es so, dass man mir eine Buchveröffentlichung nicht verbieten kann. Jeder darf über das Leben eines anderen berichten und ich klaue keine Gags von Loriot und zitiere ihn auch nicht. Die Geschichte ist meine Recherche und meine Interpretation. Das weiss eigentlich jeder Verleger und die Regale sind auch voll mit Biografien - auch nicht autorisierten. Aber gewisse Rechteinhaber klagen trotzdem, mit dem Wissen, dass sich dann Autor und Verleger dagegen wehren müssen und das kostet schnell fünfstellige Anwaltskosten und grosse zeitliche Verzögerung. Man klagt einfach mal und tritt damit einen langen, teuren Prozess los. Und davor hat sich der Verlag gefürchtet und verzichtet auf das Buch. Der Gewinn eines solchen Projektes ist so klein, dass kein Budget für Streitigkeiten dieser Art bleibt.
Die Töchter haben auch eine geschriebene Biografie vor dem Erscheinen eingeklagt. Das Buch ist trotzdem erschienen, hat den Verlag aber zustätzliches Geld gekostet. Die Erbin Hergés macht das auch so - geradezu exzessiv. Das Basler Cartoonmuseum wollte letztes Jahr eine Ausstellung mit dem Titel "Herge und die Ligne claire" veranstalten. Dafür wurde der Veranstalterin mit Klage gedroht und sie verzichtete darauf, das Wort "Hergé" zu benutzen - im Wissen, dass ihr das kein Richter dieser Welt verboten hätte.
René Lehner
CRS: Ich finde Deinen Comic sehr vielversprechend. Auch die Reaktionen auf die Seiten, die Du zwischenzeitlich gezeigt hattest, kamen bei Deinen Facebook-Lesern sehr gut an. besteht keine Möglichkeit mehr die "Erbinnen" umzustimmen? Würde eine Petition helfen? Oder geht es um ...Geld?
Die Tochter Loriots antwortet auf meine Schreiben nicht mehr und ohne einen guten Verlag möchte ich nicht weitermachen.



CRS: Welche Quellen hattest Du eigentlich für dieses Buch verwendet?
Zuerst kenne ich natürlich alles von Loriot, bin schliesslich mit seinen Arbeiten aufgewachsen. Dann habe ich alle seine Interviews gelesen und analysiert. Schliesslich habe ich querrecherchiert, habe zum Beispiel die Biografien von Horst Wendlandt oder Henri Nannen gelesen und dort gesucht, was sie über Loriot geschrieben haben. So ist nach und nach ein umfassendes Wissen über sein Leben und Denken entstanden - übrigens sehr wohlwollend und mit dem grössten Respekt geschrieben. Auch schwierige Zeiten wie seine Zeit als Soldat im Krieg habe ich respektvoll und objektiv abgehandelt.

CRS: Hätte es denn etwas neues (enthüllendes?) aus dem Leben Loriots in Deinem Buch gegeben?
Für mich nicht. Aber ich habe inzwischen erlebt, dass viele nur seine Filme und Sketche kennen. Wenige kennen all seine zeichnerischen Arbeiten oder wissen, wie er mit dem Zeichnen angefangen hat, wie er sich nach dem Krieg bemüht hat zu überleben oder wie er mit dem Rauschmiss aus dem STERN umgegangen ist. Er hat echt ein spannendes Leben gehabt.

CRS: Und wie geht es jetzt für Dich (und evtl. für das Fragment) weiter?
Diese Frage lass ich offen. Die Zeichnungen sind ja nicht verloren und wer weiss, was sich in der Zukunft noch ergibt. Vorerst steht das unfertige Buch auf meiner Homepage und wartet darauf, gelesen zu werden.



CRS: Wirst Du dich nochmal an eine Comic-Biografie setzen?
Kaum. Ich habe vorerst genug von Buchprojekten. Lieber mache ich wieder kürzere Comics oder widme mich mehr den Cartoons. Aber falls mich wieder eine tolle Idee packt ...

CRS: Hast Du für andere Comic-Biografen einen Tipp, wie man solche Situationen eventuell vermeidet?
Nein. Vielleicht ist Loriot einfach zu berühmt, zu unantastbar in Deutschland. Vor allem wird mit seinem Namen noch viel Geld verdient und das bedeutet, dass sich starke Interessen gegen Aussenstehende wehren. Wer über eine verstorbene und kommerziell nicht mehr "verwertbare" Person schreibt, sollte weniger Widerstand erfahren. Und um ehrlich zu sein, habe ich schon gehofft, mit dem Namen Loriot mehr Bücher zu verkaufen. Wenngleich der Funke für das Projekt Loriots interessantes Leben war - schliesslich sind Gewinne im Comicgeschäft sehr klein. An erster Stelle stand Loriots Arbeit, die meiner ja sehr ähnlich ist. Er war für mich immer ein Vorbild.

CRS: Lieber René, ich wünsche Dir, dass Du dein nächstes Projekt wieder fertigstellen darfst! Danke für Das Interview!

Herzliche Grüsse

René

Rene Lehner Comics
www.humbug.ch
www.comic.li

UPDATE: Der Tagesspiegel bzw. Lars von Törne hat inzwischen bei Peter Geyer von der Firma Loriot Design GmbH unter Bezug auf die Erben des Humoristen eine Antwort auf die Frage erhalten, warum die Zustimmung zur Biografie nicht gewährt wurde. Der Artikel ist hier beim Tagesspiegel nachzulesen [2]


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